Neue Werte, alte Schätze - Eindrücke einer Spanien-Rundreise

Auf der Fachmesse Fenavin im spanischen Ciudad Real stellen Winzer aus ganz Spanien ihre Neuheiten vor. Unser Autor Jürgen Mathäß nutzte die Gelegenheit zu einer kleinen Spanien-Rundreise und begutachtete auch einige Klassiker und Neuheiten, die nicht unmittelbar auf der Messe vertreten waren.
 
Im vergangenen Jahr haben die Deutschen einen neuen Rekord aufgestellt. Sie kauften mehr spanischen Wein als je zuvor. Die Importmenge stieg um über 20 Prozent auf 304 Millionen Liter. Die deutschen Verbraucher profitieren vom ausgezeichneten Verhältnis von Preis und Qualität. Es ist in jüngeren Jahren sogar noch besser geworden. Die Krise in Spanien zwingt manche Kellerei zu Kompromissen und hält andere davon ab, mit Preiserhöhungen Kunden zu verschrecken. Kein Wunder, dass Importeure und Weinfreunde zupacken.
 
Eine weitere angenehme Tatsache hat ebenfalls mit der Wirtschaftskrise zu tun: Höherwertige Weine ließen sich in Spanien selbst in den vergangenen Jahren oft schlechter verkaufen als früher. Da Spanien jedoch der wichtigste Absatzmarkt für die meisten Kellereien ist, blieben viele dieser Flaschen in den Kellern liegen. Manchmal sind es überlagerte Ladenhüter, von denen man besser die Finger lassen sollte. In anderen Fällen kann man jedoch von einer alten spanischen Tradition jetzt wieder profitieren: gut gelagerte Weine kommen trinkreif auf den Markt.

Die Bodegas eines Fußballprofis: Iniesta

Bei der Fachmesse Fenavin in Ciudad Real konnte man kürzlich an vielen Ständen gute gereifte Weine verkosten, die noch erhältlich sind. Beispiele sind Ontañon Gran Reserva 2001, der 2004er Lemberger des Schwaben Friedrich Schatz, der im andalusischen Ronda Wein anbaut, der 2005er Amarén Reserva von Luis Cañas, der 2005er „ciclos“ von der Finca Antigua, der 2005er Viña Arana von La Rioja Alta oder der 2005er „Gran Caus“ von Can Rafols dels Caus. Zu den ausgesprochenen gereiften Schnäppchen gehören auch die Weine von Altstar Alejandro Fernández aus seiner Dehesa la Granja bei Toro. Der 2006er, der für gerade mal 8,90 Euro bei www.internetoase.de zu haben ist, ist ein sehr schön gereifter Tempranillo. Stilistisch zwar anders hergestellt, aber ebenfalls in wunderbarem Reifezustand sind die traditionellen Gran Reservas berühmter Bodegas, die grundsätzlich erst viele Jahre nach der Ernte auf den Markt kommen und die in einer anderen Preis- und Gewichtsklasse spielen: 890 von La Rioja Alta (derzeit Jahrgang 1998), Vega Sicilia Unico (2002) oder Viña Tondonia (1994).
 
Eine Besonderheit der gereiften Art muss man freilich suchen, denn sie lässt sich nicht einfach googeln. Die Bodegas Paternina, deren „Banda Azul“ seit vielen Jahren zu den typischen und in ihrem Preissegment guten Riojas in den Regalen des Lebensmittelhandels gehört, ist eine von zwei Kellereien, die noch die traditionellen, lange in gebrauchten Barriques gelagerten weißen Riojas alter Machart erzeugen. Wer Glück hat, findet in Deutschland noch ein paar Flaschen des weißen Reserva „Conde de los Andes“ aus dem Jahrgang 2001. Der Wein ist im Augenblick trinkfertig gereift und glänzt mit feinsten Aromen von Zitrus, Nüssen und Trockenobst – ein sehr schönes Beispiel für die Reifefähigkeit dieser Weine. Die zweite Kellerei, die diesen Stil noch erzeugt, ist López de Heredia, wo man derzeit den 1991er (kein Druckfehler!) Gran Reserva verkauft.
 
Die große Stärke der Spanier sind aktuell freilich die guten und recht preiswerten Alltagsweine, von denen trotz der recht kleinen Ernte des Jahrgangs 2012 viele auf den Markt kommen. Spanienspezialisten unter den deutschen Importeuren wie Silke’s Weinkeller, Ardau, Deuna, Tienda, M.A.X.X., Middendorf, Wein & Vinos oder Freund haben ein breites Angebot auf diesem Sektor zu bieten. Ardau, dessen Weine über den Fachhandel zu beziehen sind, hat beispielsweise mit den Weinen von Martué La Guardia einen interessanten Neuzugang aus Spaniens Süden zu vermelden. Der 2010er Tempranillo „Dauco“ kostet knapp sieben Euro, zeigt dafür jedoch sein sehr rundes, weiches Sortenprofil, wobei ihm drei Monate Barriquelager genügend Rückhalt geben, um auch den Röststoffen sommerlicher Grillabende Paroli bieten zu können. Wer etwas mehr investieren will, bekommt ebenfalls im Fachhandel den neuen 2009er Reserva der Rioja-Kellerei Muga, eine wunderschöne Mischung aus kräftig getoasteter amerikanischer Eiche, typischer Rioja-Fruchtfrische und einem reifen, eher warmen Jahrgang. Wer es lieber etwas rustikal-kraftvoll hat, ist dagegen für kleines Geld (circa fünf Euro) mit dem roten Toro „Marqués de la Villa“ von Covitoro gut bedient, der ebenfalls im Fachhandel zu haben ist.

Freixenet Kellermeisterin Mia Guell

Die Großen der spanischen Weinbranche sind natürlich auch nicht untätig geblieben. Die Sherrykellerei González Byass hat im Mai ihren neuen „Tio Pepe en Rama“ nach Deutschland geschickt – ein ohne Filtration abgezogener Fino, der nur wenige Monate frisch bleibt, aber etwas vom Aroma und der Geschmackstiefe behält, das frisch aus dem Fass getrunkener Fino so einzigartig macht. González Byass ist übrigens eine der ersten spanischen Großkellereien gewesen, die in der Rioja investiert haben: Die weichen, kirschigen Riojas von Beronia kommen nach einer Pause jetzt wieder auf den deutschen Markt. Besonders der ungemein fruchtige 2008er Reserva, dessen dunkle Kirschnote noch lange nachschmeckt, bietet viel Wein für relativ wenig Geld. Inzwischen haben fast alle spanischen Großunternehmen in der Rioja eigene Kellereien aufgebaut: Freixenet mit Solar Gran, Codorníu mit Bilbainas, García Carrión mit Marqués de Carrión, Félix Solís mit Pagos del Rey oder Torres mit Ibericos. Sogar Superstar Vega Sicilia hat mit Macan jetzt seinen ersten Rioja produziert. Er kostet erstaunlich wenig: 30 Euro der Erstwein, die Hälfte der Zweitwein – merkwürdigerweise sind das die günstigsten Rotweine, die Vega Sicilia überhaupt anzubieten hat.
 
Freixenet allerdings ist in Deutschland weniger für seinen Rioja bekannt als für seine Cavas und die erfolgreiche „Mederaño-Linie“ mit Vier-Euro-Supermarkt-Weinen. Der Cava-Riese ist aber anscheinend mit Erfolg dabei, weitere interessante Randprodukte anzubieten. So haben die alkoholfreien „legero“-Produkte im vergangenen Jahr schon mehr als eine Million Abnehmer gefunden. Den Modetrend zum duftigen Muskat-Wein – süß darf er offenbar auch sein – greift Freixenet in diesem Jahr mit Wein und Schaumwein namens „Mia Moscato“ auf. Neu? Nicht wirklich: In Südspanien haben Moscatel-Weine eine jahrhundertealte Tradition. Die neuen aus Katalonien sind also nicht etwa eine Kopie von Asti & Co., sondern greifen zurück auf die alten Weinberge in der Levante oder um Malaga. Frische Frucht und jugendlicher Ausbau unterscheiden die Neuen von den aufgespriteten Moscatels traditioneller Machart.
 
Torres hat sich jahrelang ausdrücklich als Stillweinproduzent gesehen und hat seine Tätigkeit Stück für Stück über seine Heimat Katalonien hinaus ausgedehnt. Nun geht das große Familienunternehmen gleich mehrere neue Wege: in Richtung Höhenweine mit dem Projekt „Tremp“, mit der alkoholfreien „natureo“-Linie, vor allem aber mit dem Projekt eines eigenen Cavas. Felix Solís dagegen, ursprünglich in Valdepeñas beheimatet, gibt sich inzwischen mit der Eroberung der nördlichen Anbaugebiete nicht mehr zufrieden und will auch qualitativ ganz oben mitspielen. „La Unica“ heißt das neue Superprojekt in Ribera del Duero.
 
Dass die großen Produzenten sich in der Rioja einkaufen, ist kein Zufall, wenn man nicht nur den internationalen Bekanntheitsgrad der Region betrachtet, sondern auch die Dynamik, mit der man auf die Herausforderungen der letzten Jahre reagiert hat. War die große alte Dame Spaniens in den 90er-Jahren sanft entschlafen, so gibt es augenblicklich kaum eine spanische Region mit mehr Bewegung und kreativer Vielfalt. Beachtlich ist dabei auch, mit welcher Begeisterung eine junge Generation die Geschicke ihrer Familienbetriebe in die Hand nimmt. Der junge Carlos López de Lacalle wird dabei nicht sonderlich unglücklich sein, dass er insofern ein schweres Erbe antritt, als sich die Qualität der Weine seines Vaters bei Artadi kaum noch verbessern lässt. Seit hier gezielt und begeistert mit der Natur gearbeitet wird, scheinen sich Weine wie „El Carretil“ oder „El Pisón“ noch mehr der Schallmauer von 100 Punkten (jeweils 2010) anzunähern.
 
Jugendstil Kellerei CodorníuAber nehmen wir nur zwei Beispiele für junge Betriebsnachfolger, die für beachtliche Qualitätssprünge ihrer Familienbetriebe verantwortlich sind. Iker Martínez beispielsweise hat bei Altún 2009 erstmals den Keller verantwortet und gleich einiges geändert. „Ich habe unseren ersten mazeración carbonico abgefüllt. Mein lieber Mann, hatte ich Angst, dass das gut geht. Aber dann wurde mein Wein gleich der beste mazeración carbonico Spaniens. Mir ist vielleicht ein Stein vom Herzen gefallen …!“ Aber es machte den jungen Mann aus Baños del Ebro auch selbstbewusster. Heute sagt er einfach so zwischendurch: „Es gibt nur wenige, die so exakt arbeiten wie wir.“ Alle Weine, allen voran der Topwein „Everest“, bestechen durch Klarheit, Tiefe und Eleganz. Sein wunderbar schlanker, feiner Crianza aus 2011, der demnächst gefüllt wird, ist ein mustergültiger Rioja mit Finesse und Länge.
 
Zweites Beispiel: Artuke. Hier haben die beiden Söhne Arturo und Kike (Artu-Ke) vor einigen Jahren den Familienbetrieb umgekrempelt. Mit Begeisterung arbeiten sie an eigenen Graciano-Selektionen: „Das ist die Rebsorte der Zukunft“. Sowohl ihr K4 als auch ihre Lagenweine von der extrem humusarmen Parzelle „Finca los Locos“ gehören zu den großen Neuentdeckungen der Rioja.
 
Es gibt noch ein paar Neuigkeiten in Iberien. Wer alles aus einer Hand probieren möchte, kann sich dem Projekt „Mira vinos“ von Victor Rodriguez widmen. Rodriguez hat, nach seinem Weggang von Avanteselecta, der mittlerweile schon beachtlichen Anzahl überregional agierender Kleinproduzenten ein weiteres Projekt hinzugefügt und produziert bereits in einem halben Dutzend Anbaugebiete. Fußball-Liebhaber werden sich für die Weine des genialen Mittelfeldstrategen Andrés Iniesta interessieren (zu beziehen über www.amadoro.de). Die Weine aus der Heimat Manchuela des Ausnahmekickers bleiben so brav wie die Ausstrahlung des zurückhaltenden Profi s. Aber es sind technisch hervorragend gemachte, moderne Weine aus internationalen Rebsorten, preislich sehr akzeptabel, wie der sehr gute, weich-samtige „Cofazón loco premium“ für etwa 17 Euro.
 
Die größte Neuheit der Fachmesse Fenavin jedenfalls war der Auftritt einer Vereinigung von „Naturwein“-Erzeugern, die sich „Das trojanische Pferd“ nannten, ohne allerdings genau zu sagen, in welche Festung sie eindringen wollen. Knackpunkt der durchweg biologisch anbauenden Klein- und Kleinstbetriebe, die zum Teil einen rührend alternativen Eindruck machten, ist die Verwendung von Schwefel zur Haltbarmachung der Weine. Das Ergebnis ist nicht nur in Spanien – gewöhnungsbedürftig. Die meisten Weißen erinnerten ein wenig an abgestandenen Traubensaft. Bei den Roten gab es einige wirklich beachtliche Weine. Die winzige Bodega 6° Elemento aus der Gegend von Valencia hatte zwei hervorragende reinsortige Bobals dabei. Alfredo Maestre aus Penafi el gelingt ausgezeichneter Garnacha im Stil der neueren, kräuterwürzigen und mineralischen Weine aus den Bergen von Avila. Der Schwabe Friedrich Schatz, der in Ronda überraschend guten Lemberger und Pinot Noir auf die Flasche bringt, weist allerdings darauf hin, dass seine Weine zwar sehr wenig, aber doch ein wenig Schwefel-Schutz erhalten.
 
Festzuhalten bleibt, dass die schwierige wirtschaftliche Situation den spanischen Weinbau nicht in Angst erstarren lässt. Kreative Lösungen werden gesucht. Dass man sich dabei meist auf die Verbesserung von Bewährtem konzentriert, muss ja kein Schaden sein. 
 
Jürgen Mathäß

 

Information

WEINGÜTER

Bodegas Paternina, Rioja
+ 34 941310550
 
López de Heredia, Rioja
+ 34 941 310244
 
Martúe la Guardia, Castilla la Mancha
+ 34 925 123333
 
Bodegas Muga, Rioja
+ 34 941 311825
 
Covitoro, Toro
+ 34 980 690347
 
González Byass, Jerez, Rioja
+ 34 914 903 700
 
Freixenet, Cava, Rioja etc.
0611 23835-0
 
Codorníu, Cava, Rioja, etc.
+ 34 93 8183232
 
J García Carrión, Rioja etc.
+ 34 91 4355556
 
Félix Solís, Valdepeñas, Rioja etc.
+ 34 926 322400
 
Miguel Torres, Penedés, Rioja, etc.
+ 34 93 8177400
 
Vega Sicilia, Ribera del Duero, Rioja
+ 34 983 680 147
 
Artadi, Rioja
+ 34 945600119
 
Bodegas Altún, Rioja
+ 34 945 609317
 
Artuke, Rioja
+ 34 945 623323
 
Mira Vinos
 
Bodegas Iniesta
06103 2027040
 
Bodega ° Elemento, Valencia
+ 34 658 083700
 
Maestro Tejero
 
Bodegas F. Schatz
+ 34 952 871313

Ausgabe 03/2024

Erhältlich ab 8. März: MEININGERS WEINWELT Ausgabe 03/2024

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