Nah am Wasser gebaut

Im Hörnumer Hafen, direkt am Meer, kocht Jens Rittmeyer eine reizvolle Küche mit regionalem Bezug. Thomas Kallenberg setzt passend dazu vor allem auf deutsche Weine.

Kai 3 lautet die Adresse des Golf & Spa Hotels Budersand. Das liegt im Hafen von Hörnum, direkt am Wasser gebaut, mit Blick bis nach Amrum und Föhr. Bei gutem Wetter, versteht sich. Kai 3 heißt auch das Restaurant des Budersands, seit November vergangenen Jahres ist es besternt. „Natürlich ist so ein Stern wichtig, er ist Auszeichnung und Bestätigung unserer Arbeit“, sagt Küchenchef Jens Rittmeyer. „Das kommunizieren wir auch gerne nach außen. Hier im Haus ist das aber völlig unwichtig.“ Klingt nach kalkuliertem Understatement, ist es aber nicht. Denn Jens Rittmeyer tut nicht bescheiden. Stattdessen hat er eine klare Philosophie, die er sich gemeinsam mit Sommelier Thomas Kallenberg und seinem Team erarbeitet hat. "Es gibt hier schon die Hemmschwelle, dass unser Restaurant zu einem Hotel gehört", weiß der Koch. Dass der Stern wie eine zweite Hemmschwelle wirken kann, ist ihm bewusst. Deshalb soll der vor Ort nicht im Vordergrund stehen.

Kai 3 in Budersand Hotel

Hörnum gehört nicht gerade zu den Hotspots auf Sylt. Charme sieht anders aus – vor allem bei trübem Wetter und tief hängenden Wolken. Trotzdem sollte das Budersand genau hier entstehen. „Alles hat zum richtigen Zeitpunkt genau zueinander gepasst“, erklärt Thomas Kallenberg die simplen Gründe für die Wahl des Standorts. Dabei waren die Umstände nicht gerade ideal. Wo heute klare Linien, helles Holz, große Fenster und großzügige Räume für ein weites und lichtes Ambiente sorgen, stand vorher eine alte Kaserne. Die musste nicht nur abgerissen werden, weil es Bundeswehrstandort war musste auch das Problem Altlasten im Boden gelöst werden. „Als wir 2009 eröffnet haben, gab es noch nicht einmal eine richtige Straße hier“, schmunzelt Thomas Kallenberg. Auf dem Weg zum Budersand zwischen Deich und Industriehafen fragt man sich aber heute noch, ob hier tatsächlich noch ein Hotel kommen kann. Keine Angst, es kommt.

Thomas Kallenberg, Sommelier im Kai 3

Thomas Kallenberg ist der Sommelier im Kai 3. Auf Sylt arbeitet er schon längere Zeit. Vor gut zwölf Jahren lag sein Arbeitsvertrag für eine Stelle bei der Traube Tonbach schon unterschrieben zuhause. Zuvor wollte er aber noch seinen Sylt-Urlaub machen. „Wir haben uns durch fast jedes Restaurant hier auf der Insel gefuttert“, erinnert er sich. Am Ende blieb er gleich da, trat eine Stelle in einem familiär geführten Restaurant mit Sterneambitionen in Rantum an und hat die Insel seitdem zu seiner neuen Heimat gemacht. 2003 kam die Ausbildung zum Sommelier bei der IHK, dann ging es zum Hotel Stadt Hamburg und anschließend zum Landhaus Stricker. Als sich 2009 die Gelegenheit ergab, den Aufbau des Kai 3 mitzugestalten, hat Thomas Kallenberg nicht gezögert. „Ich war schon beim Pre-Opening dabei, habe die passenden Mitarbeiter eingestellt und gemeinsam mit ihnen viele Standards erarbeitet“, erzählt er.

Jens Rittmeyer, Küchenchef im Kai 3Ein Jahr später kam Jens Rittmeyer als neuer Küchenchef dazu. „Die ersten drei Monate passiert da ja erst mal gar nichts. Bis man sich richtig eingearbeitet hat, das dauert einfach“, erzählt der Koch. Aber eilig hatte er es auch gar nicht. „Eine Entwicklung muss sowieso schrittweise erfolgen, sonst überfordert man auch das Team.“ Und Teamarbeit ist beiden wichtig. Für Jens Rittmeyer bedeutete der Weg nach Sylt einen drastischen Wechsel. Nach acht Jahren in Portugal, wo er an der Algarve ebenfalls einen Michelin-Stern erkochte, musste er sich erst auch innerlich neu orientieren.

„Anfangs hatte ich noch die mediterrane Stilistik im Kopf“, erklärt er. Was er jedoch ohne Probleme vom Süden Europas bis in den hohen Norden mitnehmen konnte, war sein Bezug zu regionalen Produkten. „Eine regionale Küchenphilosophie sollte man überall umsetzen“, ist er überzeugt. Schon in den ersten Gesprächen in Sylt wurde ihm klar, dass hier „was geht in Sachen nordischer Küche.“ Und die reizte ihn besonders. „Ich habe schon immer gerne Reisen nach Skandinavien gemacht“, erzählt der Koch. So trafen im Kai 3 seine Liebe zur skandinavischen Küche und die zur Regionalität zusammen.

Seit etwa eineinhalb Jahren betreibt Jens Rittmeyer deshalb ein intensives Produktscouting. So stehen ab und an Zwerg-Wyandotten, eine Hühnerart, die helles Brust- und dunkles Schlegelfl eisch hat, und die Jens Rittmeyer von einem kleinen Bauern bezieht, auf der Karte. „Wenn man das mal probiert hat, kann man den Supermarkthühnergeschmack vergessen“, schwärmt der Koch von den Hühnern, die es natürlich nicht in rauen Mengen gibt. „Dann stehen sie eben nur ein paar Tage auf der Karte“, lautet die simple Lösung. Regional heißt für Jens Rittmeyer natürlich nicht nur Sylt, sondern Schleswig-Holstein, etwas Niedersachen und Skandinavien. „Es gibt ja keinen Fisch auf Sylt“, sagt er erklärend. „Der kommt vor allem aus Skandinavien.“ Natürlich geht das nicht zu hundert Prozent, doch 85 Prozent regionale Produkte sind das erklärte Ziel.

Für Thomas Kallenberg ist das mit der Regionalität nicht ganz so einfach umzusetzen. Denn außer dem Ress’schen Weinberg gibt es keinen Wein hier im hohen Norden. „Aber seit 2011 gibt es zu den Menüs nur noch Empfehlungen deutscher Weine“, hat sich der Sommelier für eine Marschrichtung entschieden. Auch wenn er auf Weine aus anderen Weinbauländern nicht verzichten will, ist doch mindestens die Hälfte der Tropfen auf seiner Weinkarte aus deutschen Anbauregionen. Der Rest stammt aus klassischen Ländern wie Frankreich, Spanien, Italien, und auch einige Überseeweine sind vertreten. „Über keine anderen Sorten wird so viel gesprochen und doch so wenig davon getrunken wie Riesling und Spätburgunder“, bedauert der Sommelier. Deshalb beschreibt er seinen Gästen lieber den Stil des Weines, der zu einem Gericht passen könnte, und überrascht sie dann mit einer Wahl, die sie selbst nie getroffen hätten. „Damit haben wir es geschafft, dass sich viele unserer Gäste gerne passende Weine zu den Gerichten empfehlen lassen“, freut sich Thomas Kallenberg.

Kai 3, Hotel Budersand in Hörnum/Sylt

Neben der Verbindung von Wein zum Menü gibt es noch eine zweite Liebe, die Thomas Kallenberg im Kai 3 verstärkt ausleben will, nämlich die zu reifen Weinen. „Ich weiß, dass solche Weine oft erklärungsbedürftig sind, aber wir pflegen ohnehin eine intensive Kommunikation am Tisch“, ist er sich sicher, dass das funktionieren wird. Neben Wein werden auch alkoholfreie Getränke immer wichtiger. Thomas Kallenberg experimentiert mit Säften, Tees und Kräuterinfusionen. „Die Gäste wollen immer öfter eine alkoholfreie Begleitung, da wollen wir mehr bieten als nur Wasser“, erklärt der Sommelier. Den Säften aus alten Obstsorten werden mal Kräuter zugesetzt oder sie lagern im Holzfass. „Das macht nicht nur uns Spaß“, erzählt Thomas Kallenberg. Besonders spannend ist das zu den Gemüsemenüs, dem zweiten Steckenpferd von Jens Rittmeyer. Auf der Internetseite des Restaurants kann man sich die Gemüsekarte runterladen, ein Fünf- Gänge-Menü mit saisonalen Gemüsesorten und Kräutern. „Im kommenden Winter werden wir unser Gemüse selbst einlagern, damit wir immer darauf zurückgreifen können“, plant Jens Rittmeyer für die Zukunft. Alte Gemüsesorten wir Moorkarotten stehen dann auf der Karte. Ist Gemüse ein Trend? „Sagen wir so, es geht ein Ruck durch das schlechte Image der Vegetarier“, formuliert es Jens Rittmeyer. Die alten Gemüsesorten eröffnen seiner Meinung nach völlig neue Geschmackswelten.

Im Kai 3 sitzt man in einem hellen, fast luftigen Raum, es gibt um die 30 Plätze an schweren aber großzügig bemessenen Tischen. Es dominieren auch hier klare Linien, helle Farben und viel Licht von den großen Fensterfronten. Die Außenterrasse ist nach Südosten ausgerichtet, damit man im Sommer auch in der Morgensonne frühstücken kann. „Wir wissen, dass unser Restaurant nicht für jeden Geldbeutel geeignet ist, aber ich denke, wir bieten hier auf der Insel ein im Vergleich sehr gutes Preis- Leistungs-Verhältnis“, ist Jens Rittmeyer überzeugt. Thomas Kallenbergs Weg führt in die gleiche Richtung. „Unsere Weinkalkulation ist absolut fair, man kann bei uns immer auch Flaschen unter 30 Euro auf der Karten finden“, so seine Philosophie. Langfristig soll der Name Kai 3 auf Sylt zu einer Marke werden – Thomas Kallenberg und Jens Rittmeyer sind auf dem besten Weg, das auch zu schaffen.

Kristine Bäder

Fotos : Foto-Mager /Jens Schmidt

Kai 3/Hotel Budersand
Kai 3
25997 Hörnum/Sylt
www.budersand.de

01-24

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