Ausgabe 19/2019

Pro oder Contra? In manchen Fällen stellt sich diese Frage einfach nicht, etwa wenn es um den Schutz der Biene geht.

ddw19/2019

Trotzdem können manche der Versuchung, sie zu
stellen, scheinbar nicht widerstehen. So geschehen
in Bayern und Baden-Württemberg, wo die
Volksabstimmung der Initiative »Pro Biene« nicht
nur hohe Wellen schlägt, sondern auch Fragen
aufwirft. Zum Beispiel die nach der eigentlichen Motivation
der Initiatoren. Allein der Schutz der Biene kann kaum der
Grund für die Aktion sein. Sonst müsste man den Initiatoren
unterstellen, sie gingen ernsthaft davon aus, Landwirten,
Winzern und sogar Imkern läge nichts am Erhalt der Artenvielfalt.
Genau das Gegenteil ist der Fall. Schließlich bildet
ein intaktes Ökosystem die Grundlage tausender Existenzen
in der Landwirtschaft. Hinzu kommt, dass man sich heute
sicher nicht aus reiner Profitgier für einen »grünen Beruf«
entscheidet. Diese Fälle mag es geben. Rein wirtschaftlich betrachtet
aber sollte man seine kostbare Zeit und den ganzen
Gehirnschmalz wohl besser in ein Medizin- oder Informatikstudium
investieren als sich den Risiken der landwirtschaftlichen
Produktion zu unterwerfen. Es sei
denn, man liebt die Arbeit in und mit der
Natur wie es die meisten Winzer nun einmal
tun. Es wird also keinen Winzer geben, der
von sich behauptet, er sei nicht »pro« Biene.
Selbst ein Bienenstichallergiker würde sich
für das Insekt stark machen. Das wissen natürlich
auch die Köpfe hinter der Initiative.
Ihr Einsatz gilt also vermutlich weniger der
Biene als dem ideologischen Wandel. Allein schon mit dem
strategisch »klug« gewählten Namen konnten die Initiatoren
sicher sein, dass ihr Antrag auf breite Zustimmung stoßen
wird. Besonders in den großen Städten, denn dort hat man
mit Landwirtschaft im Allgemeinen wenig am Hut. Der Großstädter,
der bevorzugt im Discount einkauft, weil er dort gut
mit dem teuren SUV vorfahren und sich bei der Gelegenheit
gleich das Geld für die nächste Tankfüllung zusammengeizen
kann, begrüßt schließlich jede Möglichkeit, sein ökologisches
Gewissen reinzuwaschen. Da kommt so eine Initiative gerade
recht. Genau wie die inflationär genutzten Öko-Bio-Vegan-
Labels oder das grüne Kreuz bei der letzten Wahl. Wer
wollte dem Städter das verdenken. Schließlich kann man von
niemandem erwarten, dass er alle Hintergründe kennt. Was
man allerdings erwarten können sollte ist, dass sich jeder
zumindest oberflächlich informiert, bevor er seine Stimme
für etwas abgibt. Das gilt für Wahlen wie für Volksabstimmungen.
Tut er das nicht, kann es auch dem ökobewegten
Großstädter passieren, dass er im Supermarkt bald keinen
heimischen Wein und auch kein regionales Obst mehr findet
— weder mit noch ohne Öko-Siegel. Gut, das kann ihm
eigentlich egal sein, denn der Pinot Grigio und die Äpfel aus
Bella Italia schmecken ja auch. Dazu das passende Label und
schon ist egal, dass die heimische Kulturlandschaft brach
liegt. In Italien lässt es sich ja schließlich genauso gut urlauben
wie sonst wo auf der Welt. Zum Glück wächst ja auch fast
überall Wein und mit dem Flieger reist man eh viel schneller
und komfortabler als mit der Bahn.
Mit dieser Verallgemeinerung tue ich vermutlich den meisten
Unrecht, aber genau dasselbe geschieht gerade Winzern
und Landwirten. Sie sehen sich vermehrt Kritik aus der
Bevölkerung ausgesetzt. Einer Kritik, die hin und wieder
sogar berechtigt ist, denn man sollte nicht verschweigen,
dass es noch immer schwarze Schafe und
unzeitgemäße Produktionsweisen gibt.
Aber die gibt es eben nicht ausschließlich
in der Landwirtschaft. Deshalb ist es
auch an uns allen, vor der eigenen Haustür
zu kehren, besonders wenn dort trendgerecht
ein Steingarten angelegt wurde.
Dem eigentlichen Problem
kommen wir nämlich
nur gemeinsam bei, z.B. indem wir den
gemeinschaftlich zusammengetragenen
Steuerüberschuss von über 40 Mrd.
Euro nutzen, um ihn in Forschung und
Entwicklung zu stecken oder in die Förderung
der ökologisch orientierten Produktion.
Damit kämen wir sicher weiter
als mit Verboten, Quoten und
noch mehr Bürokratie.