Ausgabe 05/2020

Den Schritt in die Zukunft wagen

ddw05-2020

Am 4. Februar 2020 kurz vor 18 Uhr war das vollbracht,
was vermutlich viele Vorstandsmitglieder des Deutschen
Weinbauverbandes e.V. im Laufe ihrer Vorstandssitzung
nicht mehr für möglich gehalten hatten.
Der Deutsche Weinbauverband hat sich mit großer
Mehrheit auf einen Vorschlag für ein neues vierstufiges Bezeichnungsrecht
geeinigt, den er mittlerweile auch dem Ministerium
vorgelegt hat.
Groß, zu groß erschienen die Meinungsunterschiede zwischen
den einzelnen Erzeugergruppen und den Regionen. Zwar sprechen
sich alle seit Beginn der Diskussion für eine herkunftsbezogene
Pyramide aus und alle sind einverstanden, dass damit von
unten nach oben – vom Gebiet bis zur Einzellage – eine nachvollziehbare
Steigerung verbunden sein muss. Bei der Festlegung von
Kriterien für eine Profilierung und der Frage, wie viel der Bund
und wie viel die Regionen regeln dürfen, gingen die Meinungen
jedoch auseinander. So auch bei der Entscheidung über die Struktur
der Pyramide: Sprach sich die eine Seite für ein dreistufiges
Herkunftssystem mit klar abgrenzbaren Stufen (Gebiets-, Orts- und
Lagenwein), forderte die andere Seite ein vierstufiges
System unter Beibehaltung der bisherigen
Bezeichnungen der kleinen geographischen Angaben.
Es konnte trotzdem ein Kompromiss mit einem
zielführenden Vorschlag erreicht werden, der
von über 80 Prozent der DWV-Mitglieder mitgetragen
wurde. Den Erzeugervertretern wurde
spätestens in der Sitzung klar, dass der deutsche Weinbau an
einem
Scheideweg steht. Er hat die historische Möglichkeit, der
Politik einen Vorschlag zur Neuausrichtung des Bezeichnungsrechts
vorzulegen. Er hat die große Chance, endlich den Übergang
in das romanische bzw. nunmehr das europäische Herkunftssystem
zu meistern, der so wichtig ist, um nicht auf europäischer und
internationaler Ebene den Anschluss zu verlieren. Endlich weg
von dem Image, dass sich Deutschland bei der Qualitätsabstufung
nur an einer Zuckerpyramide orientiert. Aber auch der Anschluss
im eigenen Land – an die Jugend bzw. an viele in die Zukunft denkende
Erzeuger – darf nicht verloren gehen. Besonders in den
sozialen Netzwerken wird von diesen Gruppen eine Profilierung
ihrer Herkunft im Rahmen eines neuen, einfachen und für den
Verbraucher transparenten Bezeichnungsrechts gefordert. Diese
Möglichkeit muss ihnen auch außerhalb von neuen regionalen
»Herkunftsbewegungen« gegeben werden, um ein komplettes Auseinanderdriften
der Erzeuger zu verhindern.
Es war also allen Sitzungsteilnehmern klar, was auf dem Spiel
stand. Zu gut war noch die Erinnerung an die Weinvision 2020,
deren Scheitern zu einem langjährigen kompletten Stillstand geführt
hatte.
Worauf hat man sich geeinigt? Grundsätzlich sollen die Schutzgemeinschaften
für die Profilierung zuständig sein und diese weitgehend
flexibel nach regionalen Bedürfnissen gestalten. Einige gesetzlich
vorgeschriebene Kriterien sollen eine Einheitlichkeit und
damit bessere Orientierung des Verbrauchers garantieren. Gesetzliche
Vorgaben soll es nur auf den beiden oberen Herkunftsstufen
geben: bezüglich dem frühesten Vermarktungszeitpunkt und dem
Mindestmostgewicht auf den Stufen Orts- und Lagenwein, zusätzlich
eine moderate Einschränkung des Rebsortenportfolios auf der
Stufe Lagenwein (Details siehe S. 6). Diese Einschränkung der Rebsorten,
die wohlgemerkt nur auf der obersten Stufe stattfinden soll,
sollte entgegen einiger Meinungen auch nicht die Entwicklung und
Zulassung von Neuzüchtungen verhindern. Diese könnten langfristig
auch als Lagenwein vermarktet werden, wenn ein entsprechender
Wille in der Region vorhanden ist. Sie gestaltet das Lastenheft!
Und was wird aus der Großlage? Eine für den
Verbraucher nachvollziehbare neue Pyramide
wird nur mit einer klarstellenden Kennzeichnung
der Großlage möglich und erfolgreich sein.
Ein Namenszusatz vor der eigentlichen Großlagenbezeichnung
soll auf den regionalen Charakter
hinweisen. Dieser Kompromiss wurde
auch von einer großen Mehrheit
mitgetragen, zumal zunächst eine dreijährige
Übergangsfrist vorgesehen ist. Einige Themen
sind noch offen – so z.B. das Thema Prädikate,
mit deren Zukunft sich die Branche intensiv
auseinandersetzen muss. Es gibt also
noch viel Arbeit, insbesondere dann auch für
die Schutzgemeinschaften! Jetzt ist aber die
Politik am Zug. Die Erzeuger haben gezeigt,
dass sie trotz aller Unstimmigkeiten ein neues
gesetzliches Herkunftssystem wollen, um
den deutschen Weinbau zukunftsfähig
zu machen. F