Rioja - Terroir und Tempranillo mündet in Eleganz

Rioja - Terroir und Tempranillo mündet in Eleganz

Das wachsende Interesse an eleganten Weinen und die Möglichkeiten der Rioja passen exzellent zusammen. Die wichtigste Rebsorte der Rioja, Tempranillo, ist eine typische »atlantische« Sorte, die in moderat warmem Klima optimale Ergebnisse liefert: feine, nicht zu schwere Rotweine, die jahrzehntelang lagern oder aber auch jung getrunken werden können. Die Tatsache, dass man sich in der Rioja mehr als früher auf Lagenweine und kleine Parzellen konzentriert, wird sofort evident, wenn man die Landschaft sieht. Kein Wunder bei alldem, dass die Bodegas und das Consejo Regulador optmistisch in die Zukunft blicken. Je stärker komplexe Weine mit individuellem, elegantem Charakter nachgefragt werden, umso mehr werden die Leute früher oder später bei der Rioja ankommen. Die Promotionsaktivitäten der Region in verschiedenen Ländern reflektieren diese Vorteile.

Identität durch Terroir- und Parzellenweine

Obwohl die Denominación de Origen Calificada (DOCa) Rioja eine der größten Rotwein-Appellationen der Welt ist, weist sie keine von der zuständigen Weinbaubehörde in Logroño regulierte Lagenklassifizierung auf. Die knapp 64.000 ha große Anbaufläche verteilt sich auf drei politische Regionen und ist abgesehen davon in drei Bereiche aufgeteilt, welche dem Konsumenten bei der Orientierung im Grunde nicht dienlich sind. In der Anfangsphase des Aufstieges der Rioja zu einem der bedeutendsten Weinbaugebiete Europas bewirtschafteten die tonangebenden Kellereien durchaus spezifische Lagen, die sich teilweise bis heute in den Markennamen einiger traditioneller Riojaweine erhalten haben. Man denke dabei nur an Viña Albina, Viña Berceo oder Viña Pomal. Nach der Reblausplage wechselten viele Kellereien ihre Strategie und gaben der Stilkontinuität den Vorrang, was zu einer Herausbildung von starken Marken führte, die darauf ausgerichtet waren, einen kontinuierlich gleichbleibenden Charakter zu zeigen und damit eine langfristige Kundenbindung zu erreichen. Damit brach eine neue Ära an, denn gerade die wachstumsorientierten Erzeuger kauften Lesegut in allen drei Bereichen und vermählten das Lesegut zu Cuvées, die im Dienste ihrer großen Marken standen. Das Erfolgsgeheimnis des Rioja-Mainstreams ist sicherlich diesem System zu verdanken, denn der Vorteil dieser Arbeitsphilosophie kommt gerade großen Erzeugerhäusern zugute, welche so die Charakteristika vieler verschiedener Lagen zu einer Stilform verschmelzen. 
 
Hinzu kommt die Möglichkeit, die Unbilden des Wetters auszugleichen, indem man auf die jeweils von der Witterung begünstigten Bereiche ausweichen kann, was besonders in schwierigen Jahren eine entscheidende Rolle spielen kann. Dies erklärt auch die besonderen strukturellen Eigenheiten der DOCa Rioja, wie beispielsweise die Tatsache, dass den etwa 600 Kellereien, die im Gebiet operieren, mit nur rund 15 Prozent ein erstaunlich geringer Anteil an der Gesamtrebfläche gehört. Der Rest befindet sich im Besitz der über 17.000 Winzer, welche das Lesegut an die Bodegas liefern. Interessanterweise gibt es unter den bekannten traditionellen Betrieben aber auch Ausnahmen. Einige wenige Bodegas halten an ihrer noch aus Gründerzeiten stammenden Lagenphilosophie fest. Bis heute bereitet R. López de Heredia seine Weinlinien Viña Bosconia, Viña Cubillo, Viña Tondonia und Viña Zaconia aus den gleichnamigen Lagen. Und auch Marqués de Murrieta verzichtet in der Regel auf den Zukauf von Lesegut und keltert seine prestigeträchtigen Klassiker aus den Rebgärten, die sich seit über eineinhalb Jahrhunderten direkt um das historische Kellereigebäude gruppieren.
 

TRENDWENDE IN DEN ACHZIGERN

Die Wende zu mehr Terroir-Affinität vollzog sich in der Rioja in den 80er-Jahren, wobei der spanische Begriff terruño erst zehn Jahre später zum Protagonisten wurde. Die letzten zwei Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts brachten der Rioja entscheidende Veränderungen auf breiter Ebene, und es fällt schwer, die einzelnen Aspekte dieses doch massiven Wandels voneinander zu trennen. Am Anfang dieser neuen Entwicklung stand der große Rioja-Pionier Marqués de Riscal, der mit einem neuen Superpremium eine Bresche in die festgefahrene Weinstilistik des Gebietes brach. Die erste Edition der Barónde-Chirel-Reserva zeigte eine tiefe Farbe, satte klare Frucht, viel konzentriertes Tannin und Noten von neuem Holz und stand damit im krassen Gegensatz zum hellfarbigen, leichteren Stil herkömmlicher Riojas. Das Zauberwort alta expresión, hergeleitet vom französischen Begriff haute expressión machte schnell die Runde; die Rioja-Nouvelle-Vague ward geboren. Nicht nur die Rioja selbst profitierte von diesem neuen Impuls, sondern in ganz Spanien horchten die Weinmacher auf. Dass der Weg von moderner Kellerarbeit und den daraus resultierenden Weinen mit mehr Frucht und Tannin zu einem neuen Verständnis der Böden und Lagen der Rioja nicht weit war, liegt auf der Hand. Und so ließ der erste »neue« Lagenwein der Rioja nicht lange auf sich warten. Eine Einzellage im Zentrum des Bereiches Rioja Alta machte den Vorreiter, der Wein wurde unter dem Label Dominio de Conte schnell berühmt. Damit war der Startschuss für Terroir-Weine aus Rioja gegeben.
 

Der Export fassgereifter Weine in die USA entwickelt sich prächtig in Rioja

TERROIR- UND PARZELLENWEINE

Produzenten, die Terroir-Weine im weitesten Sinne produzieren, gibt es in der Rioja inzwischen zuhauf. Dazu müssen zunächst die Kellereien gezählt werden, die sich aus Weinbergen ein und derselben Gemeinde mit Lesegut versorgen. Die größte Dichte an Betrieben dieser Charakteristika findet sich am Nordufer des Flusses zwischen Labastida und Oyón. Der baskische Bereich, Rioja Alavesa, sowie einige Dörfer der Rioja Alta teilen sich diesen Uferstreifen, der von der Weinbergstruktur kleinteiliger ausfällt als das Südufer und zudem den prozentual gesehen höchsten Anteil an Tempranillo-Pflanzungen aufweist. Vom Nordufer sind sicherlich in den vergangenen beiden Jahrzehnten starke Impulse ausgegangen, welche das Profil der DOCa entscheidend verändert haben. Eine ganze Generation an Nachwuchswinzern hat sich von der Arbeitsweise ihrer Väter verabschiedet und den Weg der Selbstständigkeit beschritten, statt wie früher an die Genossenschaften oder Großkellereien Lesegut oder Jungweine abzugeben. Dies bedeutet nicht nur, dass eine beachtliche Anzahl an neuen selbstvermarktenden Kellereien entstanden ist. Der starke Zuwachs an kleinen Erzeugern hat natürlich besonders am Nordufer zu einer Individualisierung der Weine im Allgemeinen sowie zu einem bemerkenswerten Anstieg an bodentypischen Gewächsen im Speziellen geführt. Diese Tendenz lässt sich freilich ebenso in verschiedenen Gemeinden am Südufer und inzwischen auch in Rioja Baja ausmachen.
 
Ein viel konkreteres Beispiel für das große Interesse der riojanischen Weinmacher an der Bodentypizität ihrer Weine ist die rasch zunehmende Anzahl an Parzellenweinen. Auch bei diesem Weintyp hat das Nordufer die Nase vorn, wobei die anderen Teilgebiete rasch aufholen. Es liegt auf der Hand, dass Parzellenweine eher von kleineren Betrieben gepflegt werden, als von den großen Häusern, dennoch können zwei der großen Kellereien den Verdienst beanspruchen, bei den Parzellenweinen mit an erster Stelle gewesen zu sein. Großes Aufsehen erregte der sehr renommierte Produzent CVNE schon vor 40 Jahren mit einer Weinrange, die eigentlich exklusiv aus einer ganzen Lage und nicht nur aus einer Parzelle gewonnen wird. Die Rede ist natürlich von Viñedos del Contino, einem historischen Weingut bei Laserna in der baskischen Rioja mit einem 62-Hektar-Weinberg, der mehrstufig über einem Ebromäander angelegt ist. Weinmacher Jesús Madrazo, der 1997 die Verantwortung für die Contino-Lage mit ihrem speziellen Mikroklima übernahm, krönte diese echte Lagenweinrange noch mit dem Parzellen-Gewächs Viña del Olivo Reserva, das er wenig später aus der Taufe hob. Bodegas Bilbaínas, ein weiteres prominentes Haus unter den großen Erzeugern, zog 1994 mit dem damaligen Önologen Pepe Hidalgo nach und präsentierte La Vicalanda aus einer 12-Hektar-Lage bei Haro über dem Südufer des Flusses. Schon alleine an diesen beiden Referenzweinen der modernen Rioja-Geschichte wird klar, wie extrem unterschiedlich die Gewächse dieser beiden Weinberge ausfallen. Wie Pepe Hidalgo sich auszudrücken pflegt: »Wie man sieht, gibt es viele Riojas, nicht nur eine!«

 

EIN KOMPLEXES RELIEF

Klassich Rioja: alte Weinberge in Gobelet-ErziehungDass die DOCa Rioja eigentlich für Single-Vineyard- bzw. Parzellenweine prädestiniert ist, wird schnell klar, wenn man sich die Reliefsituation der Appellation vor Augen führt. Auf den ersten Blick erscheint die sanft gewellte Landschaft einigermaßen gleichmäßig gestaltet. Bei näherem Hinsehen fällt indes auf, dass sich die Weinbergstücke wie ein mehrstufiges Schachbrett ausmachen, dessen Felder sich in unterschiedlichsten Neigungen und Winkeln gegeneinander verkanten und drehen. Diese höchst ungewöhnliche Oberflächenstruktur
schafft eine Vielzahl kleiner, klar voneinander abgetrennter Rebstücke mit unterschiedlichsten Bodenformationen. In einigen Teilen der Rioja Alta, aber vor allem über dem Nordufer, sprich der Rioja Alavesa, wirkt diese Situation betont aufgewühlt. So kann es nicht verwundern, dass die Nordseite heute geradezu gespickt ist mit Einzellagen- bzw. Parzellenweinen. Meilensteine der jüngeren Lagenkultur sind natürlich Señorío San Vicente der Gebrüder Eguren und Viña El Pisón des Artadi-Gründers Juan Carlos de la Calle, der mit dem Jahrgang 2009 drei weitere Parzellen-Weine nachgeschoben hat. Für viel Aufsehen hat auch das Kellerei-Projekt Orben gesorgt, welches mit dem extraktreichen Malpuesto ein Vorbild für die jüngste Önologen-Generation geschaffen hat. Und dass auch kleine Familienbetriebe sich dieses Themas annehmen, zeigen momentan Arturo und Kike Blanco mit ihren Miniproduktionen der beiden Crus Finca de los Locos und K 4.

Die DOCa Rioja – Heimat der Tempranillo

Die geschützte Herkunftsbezeichnung Rioja bzw. das obere Ebro-Tal gelten als die Wiege der Tempranillo. Spaniens rote Vorzeigesorte bedeckt inzwischen deutlich über 75 Prozent der Rebfläche der Appellation und ist damit zur alles bestimmenden Rebsorte des Anbaugebietes geworden. Auch historisch gesehen hat sich die Rebsorte wohl schon sehr früh am Ebro durchgesetzt. Vermutungen, dass die Graciano in früheren Zeiten eine wichtigere Rolle als Tempranillo gespielt haben könnte, erscheinen schon aus der Tatsache heraus, dass die Graciano als ertragsschwach gilt und einen längeren und damit auch schwierigeren Vegetationszyklus aufweist, als sehr unwahrscheinlich. Die rote Garnacha spielte zwar im 20. Jahrhundert, das heißt, bis etwa in die 70er-Jahre, eine gewisse Rolle; aus zahlreichen Quellen geht jedoch hervor, dass sie erst nach der Reblausplage zum Zuge kam. Somit wird klar, dass Spaniens Vorzeigerebsorte schon sehr lange den oberen Flusslauf des Ebros beherrscht. Wo die genaue Wiege der Tempranillo tatsächlich liegt, ist immer noch unklar, und dabei wird es wohl auch bleiben. Denn obwohl im vergangenen Jahr die DNS der Tempranillo wohl entschlüsselt wurde – sie stammt von der weißen Sorte Turruntés (Albillo Mayor) und der geheimnisvollen roten Traube Benedicto ab, die beide ursprünglich dem Ebro-Tal zugeordnet werden – wird der genaue Ort wohl immer im Dunkel der Geschichte verborgen bleiben.
 
Zweifelsohne zählt die Tempranillo zu den edelsten roten Rebsorten der Welt und konnte schon im 19. Jahrhundert die französischen Weinmacher und Händler überzeugen, die Nordspanien als Quelle für Spitzenrotweine entdeckten, um den Verlust der eigenen Gewächse aufgrund von Mehltau- und Reblausbefall über mehrere Jahrzehnte hinweg auszugleichen. Im vergangenen Jahrhundert erlebte die Sorte schließlich einen noch heftigeren Nachfrageschub. Tempranillo wuchs zum absoluten Protagonisten des spanischen Weinbaus heran, geschätzt von Weinliebhabern auf der ganzen Welt. Selbstredend war es die Appellation Rioja, welche Tempranillo nach vorne brachte und mit ihren eleganten und enorm haltbaren Gewächsen der traditionellen Art einen völlig eigenständigen Rotweintypus entwickelte. Heute bietet die Rioja auf beiden Seiten des Ebro, der über etwa 120 km das Gebiet von Nordwest nach Südost durchquert und als eine Art Achse dient, die wohl größte Bandbreite an Tempranillo-Weinen weltweit. Die verschiedenen Bodenstrukturen, die Vielfalt der Mikroklimata und natürlich die formenden Hände der Weinmacher bescheren dem Gebiet ein unvergleichliches Angebot verschiedenster Tempranillo-Stilausbildungen.
 
In den letzten zwei Jahrzehnten ist mit der kontinuierlichen Zunahme an abfüllenden Kellereien eine Fülle neuer Weine entstanden, von denen ein erheblicher Anteil auf reinsortige Tempranillos entfällt. Das Aufkommen sortenreiner Rotweine ist ein Phänomen der neueren Geschichte und hat sicherlich einen wesentlichen Anteil zum kommerziellen Erfolg der Rioja-Weine beigetragen. Groß geworden ist die Tempranillo wie fast alle roten Sorten von Weltruf indes im Cuvée, denn klassische Rotweinbereitung verstand sich auch in Rioja als Vermählung verschiedener Sorten, um Balance und Haltbarkeit zu erzielen. Erst in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, im Zuge der technischen Weiterentwicklung bei der Weinbereitung, rückten auch immer mehr rebsortenreine Tempranillo-Weine ins Rampenlicht. Heute stehen große Tempranillo-Weine für beide Varianten: als dominante Sorte in einer fein austarierten Cuvée oder reinsortig als markanter Rebsortencharakter.

EINE VIELZAHL AN TOPSTANDORTEN

Über die Weinberge Sajazarra und Cuzcurrita streifen die kalten Stürme des kastillischen HochlandesEs existiert keine Tempranillo-Gemeinde par excellence mit den besten Böden oder Lagen, sondern eine Vielzahl an Toplagen auf beiden Uferseiten, die hervorragendes Lesegut hervorbringen. Viele Tempranillo-Liebhaber neigen dazu, die besten Lagen über dem Nordufer zu suchen, dabei wissen Kenner, dass in Rioja Alta ebenso großartige Tempranillo-Terroirs zu finden sind. Bezieht man den Klimawandel mit in die Überlegungen ein, dann kommt man zwangsläufig zum Schluss, dass einige der kühlsten und damit vielversprechendsten Lagen der DOCa im äußersten Nordwesten der Rioja Alta zu finden sind. Die Gemeinden Cuzcurrita de Río Tirón und Sajazarra weisen karge, sandige und oft steinige Böden auf, die von den rauen Winden des kastilischen Hochlands heimgesucht werden. 
 
Die Tempranillos wirken strenger, zeigen aber viel Frucht und eine stabile Säure. Gute Erzeuger aus diesem unbekannten Teil der Rioja sind Castillo de Cuzcurrita und Bodegas Tobía. Auch einige der Vorzeigebetriebe der Appellation wie Roda kaufen schon seit vielen Jahren in dieser »Ecke« Lesegut ein. Die Muga-Familie hält dort ihre Weinberge für die Produktion ihres legendären Prado Enea, der zu den großen und seriösen Gran-Reserva-Marken der Rioja gezählt wird. Eine der renommiertesten Rioja-Alta-Gemeinden befindet sich weiter flussabwärts direkt an der Nationalstraße nach Logroño. In Briones steht auch das spektakulärste Weinmuseum der Welt, eingerichtet von der einflussreichen Weinfamilie Vivanco. Das historische Städtchen weist innerhalb der Gemeindegrenzen hervorragende Lagen auf, denn ein großer Teil der Weinberge steht auf Kalkböden, die sich in stark hügeligem Gelände befinden. Die vielen Hanglagen des Dorfes haben zumeist eine kühle Ausrichtung nach Osten und Westen. Die Tempranillos aus Briones gelten daher als besonders fein. Miguel Merino und die Finca Allende zählen zu den Spitzenbetrieben der Gemeinde.
 
Rioja Alta wird von acht Zuflüssen des Ebros durchzogen, die von Süd nach Nord laufen und so entsprechend viele Täler geformt haben. Diese Nebenflüsse prägen die Bodenstrukturen des Bereiches Rioja Alta entscheidend. Die Mischung aus Flussgestein und den rötlichen, eisenhaltigen Lehmböden gilt als typisches Terroir für das im Gegensatz zum Nordufer doch recht flächig wirkende Teilgebiet. Lehmböden erbringen in der Regel voluminösere Tempranillos mit kräftigem Alkohol und einer nur moderaten Säure. Kraft ist die Stärke der arcillas, wie die Spanier diese Böden nennen. Viele Weinmacher schätzen die lehmdominierten Lagen zudem aufgrund ihres hohen Wasserspeichervermögens. Am südlichen Rand der Rioja Alta tauchen dagegen ungewöhnliche Böden mit Granituntergrund auf, die sich an die Ausläufer der Sierra de la Demanda lehnen. Dort entstehen mineralische Tempranillos mit guter Säurestruktur, wie sie beispielsweise der Erzeuger Vinícola Real bereitet.

UNBEKANNTE RIOJA

Durch ihren prozentual gesehen hohen Garnacha-Anteil hat die Weinpresse den Bereich Rioja Baja immer etwas vernachlässigt. Richtig ist zwar, dass das etwas wärmere Klima in diesem östlich gelegenen Teilgebiet dieser Sorte zupass kommt, der Produktion von hochwertigen Tempranillos dennoch nicht im Wege steht. An den Rändern der breiten Talsenke haben zahlreiche Betriebe auf erstaunlich hohen Tafelbergformationen Tempranillo-Weinberge angelegt, die bemerkenswerte Qualitäten erbringen. Die Kellerei Ontañon erzeugt dort harmonische, eher von roten als von schwarzen Beeren geprägte Tempranillos und der hochangesehene Betrieb Palacio Remondo aus seinen Monte-Yerga-Weinbergen würzig-saftige Tempranillo-Garnacha-Cuvées. Terroir-Tempranillos entstehen inzwischen also auch verstärkt in Riojas unterschätzter Unterzone im unteren Talabschnitt.
 

DIE OBJEKTE DER BEGIERDE

Wenn ein Teilgebiet der Rioja als »trendy« bezeichnet werden kann, dann ist es die Nordseite des Flusses. Die Weinberge liegen höher, die schroffe Bergflanke, welche das Gebiet nach Norden hin gegen das feuchte Atlantikklima schützt ist, steigt steil nach oben. Auf einem recht schmalen Talstreifen erstrecken sich die begehrtesten Tempranillo-Lagen der Welt, die im oberen Bereich auf einer Mischung aus ockerfarbigen Mischböden und im unteren Teil auf hellem Kalk stehen. Besonders die stark von Kalk geprägten Weinberge sind berühmt dafür, sehr charaktervolle Weine hervorzubringen. Kalk steht für etwas langsamere Reife, niedrigere Erträge und rauere, mit etwas Pikanz unterlegte Tempranillos mit stabilerem Säuregefüge. Vom Körper her weniger opulent als die Lehmboden-Tempranillos, zeigen sie mehr Nerv und bilden das Skelett für Gewächse, die auf Lagerpotenzial angelegt sind. Obwohl nur zwei der großen Häuser, nämlich Marqués de Riscal und Viña Real, dort angesiedelt sind, ist Tempranillo-Lesegut vom Nordufer immer Objekt der Begierde für Produzenten aus der gesamten Rioja.

Identität durch Terroir- und Parzellenweine

Die Rückkehr zur Eleganz

Linguisten bringen den Begriff Eleganz in Verbindung mit vornehm, gewandt, gepflegt, fein, geschliffen. In jedem Fall hat er etwas mit kulturellem Anspruch zu tun. Er steht damit im Gegensatz zu dick, kräftig, schwer. Diese Assoziation liegt auch nahe, wenn man an den Stil der finessenreichen, ungemein alterungsfähigen Riojas klassischer Machart denkt, die ebenso für ihre Eleganz berühmt waren wie andere hoch angesehene Herkünfte in früheren Jahrzehnten. Ihr Ruhm beruhte zweifellos nicht darauf, dass sie moppelige Kraftprotze gewesen wären.
 

MODERNE ZEITEN

Dann kamen Modernisierungen und nordamerikanische Kritiker. Sie konnten die Weinwelt vor allem mit kommerziellen Erfolgen überzeugen, ein großer, wertvoller Wein habe vor allem viel Frucht, viel Konzentration und viel Barrique aufzuweisen. Selbst kluge Weinmacher in aller Welt folgten dem Ruf des Geldes, aber im Grunde wohl wissend, dass Weinkultur damit nicht gemeint sein konnte. Eine der unerfreulichen Folgen dieses Prozesses war eine oft bedauerte, aber dennoch vorhandene weltweite Geschmacksvereinheitlichung und exzessive Barriquenutzung. Sie machte auch vor Spanien nicht halt. Modern wurden die so genannten altaexpresíon-Weine, die Wert auf neue Eiche und intensive schwarze Primärfrucht legten. Das Dogma war: je reifer und mächtiger, desto besser. Eine Unmenge neue französische Eiche ist aber keine Garantie für hohe Bewertungen oder gar eine Berechtigung für hohe Preise. Unglücklicherweise entstanden dabei viele durch Holz geprägte Phantomweine mit exzessiven Alkoholwerten. Meist waren sie in kiloschwere Flaschen gefüllt. Hatten sie schon mit Spanien wenig, dann mit der atlantischen Leichtigkeit und Eleganz der Rioja gar nichts zu tun.
 
Vor allem weniger erfahrene Weintrinker konnten auf das zugängliche »fruchtig-dick« festgelegt werden. Kaum jemand machte sich die Mühe, sie an individuelle, vielleicht auch eigenwillige, aber regionaltypische Weine heranzuführen. Eleganz, Stil und Individualität drohten im Meer des gleichgeschalteten Mainstreams unterzugehen. Dabei sind viele Veränderungen der vergangenen 20 Jahre wichtige Schritte in Richtung zuverlässiger Weinqualität. Die Modernisierungen brachten auch in der Rioja positive Veränderungen mit sich: optimalere Traubenreife, weniger Sauerstoffeinfluss beim Weinausbau, bessere Eichenbarriques. Es gab bald avantgardistische Vorreiter, vorsichtige Modernisierer und eher konservativskeptische Kellermeister in der traditionsreichen DOCa.
 
Einige Oenologen sind überzeugt, dass die klassische Einzelstockerziehung ausgewogene Weine liefertInsgesamt blieb die Rioja aber weltweit eine der wenigen Regionen mit einem recht hohen Anteil klassisch ausgebauter Weine bei verhaltenem Alkohol und belebender Säure. Wichtige Erzeuger wie La Rioja Alta, Faustino, López de Heredia, Franco Españolas, Montecillo, Riojanas oder El Coto blieben mit geringfügigen Anpassungen bei ihrem traditionellen Ausbaustil. Andere, wie Marqués de Riscal, Marqués de Murrieta, CVNE oder Muga blieben bei einem Großteil ihres Sortiments bei der Klassik, übernahmen jedoch mit einzelnen Weinen eine führende Rolle bei der Entwicklung eines modernen, aber authentischen Riojastils. Vor allem kleinere, neu gegründete Erzeuger wie Artadi, Remírez de Ganuza, Finca Allende, Pujanza, Sierra Cantabria oder Roda trieben die moderne Arbeitsweise auf hohem Niveau mit Verve voran. Heute füllen am Ebro zwischen Haro und Alfaro über 800 Bodegas stilistisch recht unterschiedliche Weine ab. Das ist gut so. Die Region bietet Platz für eine erstaunliche Vielfalt individueller Weine. Aber bei aller Modernisierung blieben die meisten Erzeuger bei den Stärken der Region: Frische und Finesse der Weine. Mancher, der anfangs ein wenig zu stark in Richtung mächtiger Roter mit viel neuem Barriqueeinfluss gegangen war, fand zurück zu einem moderateren Stil mit weniger Alkohol und Betonung der regionalen Stärken. Neal Martin, bis vor Kurzem Parker-Tester für Spanien, kommt zu dem Schluss: »Glücklicherweise sahen die meisten Erzeuger ihre Fehler ein und wichen von solchen Extremweinen wieder ab.« Die Finesse ihrer Roten kommt der Rioja zunehmend zugute, denn erfreulicherweise gelten Eleganz und Feinheit wieder etwas in der Welt des Weines. Immer mehr Weinexperten und Fachjournalisten in aller Welt weisen darauf hin, dass herausragende Weine auch mit moderatem Alkoholgehalt möglich sind und dass feine Säure und Eleganz eine Voraussetzung für lange Haltbarkeit und gute Entwicklung in der Flasche sind. In der Topgastronomie suchen die Sommeliers nach Weinen, die fein komponierte Gerichte elegant begleiten, ohne sie mit schierer Kraft zu erdrücken. Der Weinhandel und die Gastronomie freuen sich über Weine, die den Kunden nicht bereits nach wenigen Schlucken ermüden, sondern dazu anregen, bei passender Gelegenheit auch noch eine zweite Flasche zu öffnen.
 

ARBEITSZIEL ELEGANZ

Eleganz ist nicht unbedingt auf bestimmte Sorten, Herkünfte oder gar Jahrgänge beschränkt, doch Rebsorte, Lage und Klima sind wichtige Faktoren. Die wichtigste Rebsorte der Rioja, die Tempranillo, ist eine typisch »atlantische « Rebsorte, die in moderat-warmem Klima bei optimaler Traubenreife sehr finessenreiche und jahrzehntelang haltbare Weine liefern kann. Die natürlichen Voraussetzungen der Region, die atlantische Frische in die Weine bringen, sind ein unschätzbarer Wert für die Rioja und ihre Weine. Natürlich sind nicht alle Jahrgänge gleich, denn atlantische, mediterrane Einflüsse und kontinentale Witterungskomponenten fügen sich von Jahr zu Jahr ein wenig anders zusammen. Doch insgesamt trägt das atlantisch beeinflusste Klima mit kühlen Winden aus dem Golf von Biscaya wesentlich zur unnachahmlichen Feinheit der roten Riojas bei. Schließlich suchen die Erzeuger verstärkt kühlere, hoch gelegene Weinberge für ihre besten Weine.
 
Die hügelige Landschaft der Rioja mit Bergketten im Norden wie im Süden bot dafür schon immer sehr gute Möglichkeiten. Seit einiger Zeit sind beispielsweise Trauben aus den hoch gelegenen Weinbergen bei Sajazarra, Villalba oder Tudelilla wieder stärker gefragt als noch vor ein paar Jahren. »Die besten Weinberge sind die höher gelegenen«, sagt der Önologe David Bastida. »Sie profitieren auch von größeren Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht.« Die Arbeit des Winzers darf freilich nicht unterschätzt werden. Er trifft im Keller und im Weinberg viele Entscheidungen, die Aromastruktur, Konzentration, Alkoholgehalt, Gerbstoffe, Säure und Haltbarkeit des Weines beeinflussen. International gibt es auch hier Tendenzen, die das Bedürfnis zu eleganteren Weinen zeigen: zielgerichtete, etwas frühere Traubenlese, Gärführung, Säuremanagement, verringerter Einfluss von neuem Holz, Betonung der mineralischen Aspekte von alten Reben und kargen Böden, um nur einige Beispiele zu nennen. Den Kellereien der Rioja fällt es aufgrund der natürlichen Voraussetzungen der Weinberge relativ leicht, das Ziel Eleganz zu erreichen. Sie können darauf verzichten, gravierende Maßnahmen zu ergreifen, die wie alle starken Eingriffe in den natürlichen Gär- und Reifungsprozess auch Gefahren für die Weinqualität mit sich bringen. Das wachsende Interesse an eleganten Weinen und die Möglichkeiten der Rioja passen ideal zusammen. Kein Wunder, dass die Kellereien und das Consejo Regulador der DOCa optimistisch in die Zukunft blicken: Je gefragter komplexe Weine mit elegantem Charakter wieder werden, umso mehr wird man früher oder später auf die Roten der Rioja zukommen.

Promotionsplan unterstützt Wachstum

Tempranillo - die wichtigste spanische RebsorteObwohl es sich um eine Herkunft handelt, bietet der Begriff »Rioja« dem Konsumenten einen erkennbaren Markennamen an. Das mag der Grund für ein Exportwachstum von 34 Prozent in den vergangenen drei Jahren sein. Ein zweiter Grund: Das Consejo Regulador unterstützt die Riojaweine weltweit mit Promotionskampagnen in den wichtigsten Märkten und wird etwa 8 Mill. Euro alleine in diesem Jahr investieren. Die Exporte stiegen 2012 um 5,5 Prozent und erreichten insgesamt 97 Mill. Liter – ein neuer Rekord. Fast erreichten sie bereits das 100 Mill.-Liter-Ziel, das sich die Branche in den kommenden Jahren gesetzt hat. Die gesamten Verkäufe stiegen auf 266 Mill. Liter, mehr oder weniger wie im vergangenen Jahr, da der nationale Markt leicht zurückging. Sein bestes Verkaufsjahr erzielte Rioja 2007. Dann geriet auch die prestigeträchtigste Region Spaniens in die Wirbel der ökonomischen Krise. Dennoch hat die Rioja sich schneller erholt als andere Regionen.
 
Mehr als zwei Drittel der Riojaexporte konzentrieren sich auf die fünf wichtigsten Exportmärkte Großbritannien, Deutschland, USA, Schweiz und Schweden. Diese Länder gehören auch zu der Gruppe der acht Schwerpunktländer für die Promotionsaktivitäten. Die drei fehlenden sind wichtige Zielmärkte der Zukunft: China, Mexiko und Spanien selbst. 2013 plant die Rioja mit Promotionsmitteln von etwa 8 Mill. Euro in diesen acht Ländern. Großbritannien bleibt wichtigster und größter Markt für die Rioja mit einem Wachstum von fast 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Hier findet unter anderem das »Festival Rioja Tapas Fantásticas« in London statt, zu dem jährlich über 15.000 Besucher kommen. Bei einer Promotion mit Weinläden beteiligten sich im vergangenen Jahr 65 Unternehmen. Sie soll in diesem Jahr wiederholt werden. Deutschland ist der zweitwichtigste Markt. Die Verkäufe stiegen hier in den vergangenen sechs Jahren um über 40 Prozent. Gemeinsam mit dem MEININGER VERLAG und der Agentur Koob wird es eine Reihe von Promotions- und Fortbildungsaktivitäten geben – sowohl für Fachleute wie für Konsumenten. Rioja wird auch bei verschiedenen Messen präsent sein, unter anderem bei der BARZONE und beim Forum Vini. Die USA, der drittgrößte Auslandsmarkt, wurde vom Consejo Regulador als strategischer Schlüsselmarkt festgelegt. Seit 2009 sind hier die Verkäufe um 46 Prozent gestiegen. Verschiedene Aktivitäten am Point Of Sale sollen das Wachstum stabilisieren. Wachstumsraten wie China erreicht allerdings kaum ein Land. Hier stiegen die Lieferungen alleine 2012 um 38 Prozent. China wurde der siebtgrößte Markt für Rioja. Hier wird das Consejo Regulador mit seinen Maßnahmen vor allem Wert auf die Ausbildung von Konsumenten und Fachkräften legen. Auch zwei Präsentationen mit 60 teilnehmenden Kellereien sind geplant.

Information

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Ausgabe 8/2024

Themen der Ausgabe

Württemberg

Die Bewirtschaftung zu teuer, die Bestockung sehr rot – die Weingärten im Ländle stehen vor Veränderungen.

Christof Queisser

Der Vorsitzende der Geschäftsführung von Rotkäppchen-Mumm im Interview.

Sommerwein

Wenn die Sonne scheint, muss es nicht immer weiß sein – wann Rotwein auch im Sommer passt.