Gastbeitrag von Gerd Rindchen

Umsetzung der Enthält Sulfite Kennzeichnungsverordnung im europäischen Kontext

Bei der Umsetzung der neuen europäischen Verbraucherschutzverordnung, welche für Weinetiketten die Verwendung der Angabe Enthält Sulfite vorschreibt, ist es in der letzten Zeit zu zahlreichen Rechtsunsicherheiten und Verwirrungen gekommen. Anlass genug also, um in Brüssel die Sonder-Kommission Enthält-Sulfite -Problematik Sechste Internationale Sitzungsgruppe (kurz: SKEP SIS) einzuberufen, die in unbürokratischer und effizienter Art und Weise diesem ärgerlichen Zustand ein Ende bereiten soll. Als Mann der Praxis wurde ich im Zuge der neuen EU-Bestrebungen, auch die Stimme der Wirtschaft bei Gesetzgebungsprozessen nicht ungehört verhallen zu lassen gebeten, in dieser Kommission mitzuarbeiten, konnte mich mit meinen Argumenten jedoch nur bedingt durchsetzen. Der aktuelle Stand der Dinge, der vermutlich zeitnah in Gesetzes- und Verordnungsform gegossen wird, sei hier kurz für alle interessierten Kollegen in der Fachwelt umrissen. Internationalität Bekanntlich wird allen weinabfüllenden- oder distribuierenden Betrieben zwingend vorgeschrieben, die Angabe Enthält Sulfite deutlich sichtbar auf Weinetiketten anzubringen und zwar in der Sprache des jeweiligen Landes, wo das Produkt vertrieben werden soll. Ersten Aufweichungsbestrebungen aus skandinavischen Ländern, eventuell verständliche internationale Begriffe wie Contains Sulfite zuzulassen (Siehe auch Die Weinwirtschaft No. 18/05, S. 10) wurde in der Kommission eine scharfe Abfuhr erteilt. Insbesondere Frau Dr. Dingold-Wanuschek vom deutschen Verbraucherschutzministerium, die strikt dahingehend argumentierte, dass a) der Verbraucher ein in jeder Hinsicht unmündiges, vor gesundheitlichen Schäden zu bewahrendes Geschöpf sei, b) Fremdsprachenkenntnisse keinesfalls vorausgesetzt werden könnten und c) Gesetze und Verordnungen schließlich nicht zum Spaß sondern um ihrer Einhaltung willen erlassen würden konnte sich mit ihrem Standpunkt mehrheitlich durchsetzen. Daher wurde beschlossen, Verstöße mit empfindlichen Sanktionen und Bußgeldern zu belegen, deren Höhe und Schwere in einer separaten Unterkommission, der Enthält-Sulfite-Sanktionen-Interventions-Gruppe (ESSIG) geregelt werden soll. Kontrolle und Überwachung Um die lückenlose Einhaltung der Enthält Sulfite Aufbringungsvorgabe gewährleisten zu können, sollen die nationalen Weinkontrollorgane genutzt werden. Insbesondere die äußerst gewissenhafte Arbeit der deutschen Weinkontrolleure wurde in diesem Zusammenhang besonders gelobt und eine Aufstockung der Mitarbeiterzahl in Aussicht gestellt. Die Gelder für EU-weit maximal 300 zusätzliche Weinkontrolleure sollen aus dem Etat für die Förderung junger Forschereliten abgezweigt werden, weil, so Frau Dr. Dingold-Wanuschek, so eine weitaus sinnvollere Verwendung der eingesetzten Gelder gewährleistet sei. Überdies könne so vereinzelten Beschwerden von Weinunternehmen, die sich von ihren Weinkontrollorganen vernachlässigt und unzureichend besucht fühlten, entgegengewirkt werden. Satellitengestützte Rückverfolgung = optimierter Verbraucherschutz Dem Schutzbedürfnis des Verbrauchers wird aber auch ein aufgestocktes Kontrollwesen nur unzureichend gerecht, weil damit eine lückenlose Einhaltungsüberwachung noch nicht einmal ansatzweise gewährleistet ist. Daher wird für die Zukunft angestrebt, alle Weinetiketten obligatorisch mit integrierten Mikrochips mit Minisendern auszustatten, die mit dem europäischen Galileo Satelliten in Verbindung stehen. Der Weg der Weine vom Produzentensitz bis zu den für die Sprachwahl der Enthält Sulfite Angabe relevanten Bestimmungsländern ist so lückenlos nachverfolgbar, ein computergestützter Abgleich ohne weiteres möglich. Ein Wein, der den Warnhinweis beispielsweise auf Deutsch und Französisch enthält, kann somit in Frankreich, Belgien, Luxemburg, Österreich und Deutschland vermarktet werden, sein Speicherchipsender enthält alle dafür relevanten Informationen. Beim Weiter oder Rücktransport eines solchen Weines in ein anderssprachiges Land (z. B. von Deutschland nach Dänemark) kann ein Alarm ausgelöst, der Standort des Weines quadratmetergenau ausgemacht und der Auslöser des unzulässigen Transportes sofort strafbewehrt werden. Durch Einsatz modernster Computertechnik ist es vermutlich auch möglich, die dafür zu schaffende neue Kontrollinstitution in Brüssel mit maximal 125 Mitarbeitern auszustatten, wodurch sich die Kosten p. a. voraussichtlich auf nicht mehr als 35 Mio. Euro belaufen Kosten für die Produzenten Nach ersten Schätzungen werden sich bei Massenproduktion die Kosten für die Produktion und Integration eines solchen Mikrochipsenders bei Großkellereien auf max. 0,85 pro ausgebrachter Flasche oder Tetratüte, bei kleineren Produzenten auf höchstens 2,50 pro Flasche belaufen. Ein Liter Domkellerstolz EG Tafelwein würde sich somit von durchschnittlich 0,89 auf 1,74, eine Literflasche Riesling vom selbstmarktenden Winzer von durchschnittlich 3,50 auf 6,00 geringfügig verteuern (noch geringer wären die Folgen bei einem Produkt wie Dom Perignon, dessen Preis sich im Schnitt von 98. auf 98,85 erhöhen würde). Dies wird jedoch in der Kommission als nicht gravierend eingestuft und sollte nach ersten Schätzungen einen Rückgang des EG-weiten Weinkonsums von nicht mehr als 30-35% zur Folge haben. Profiteure der Entwicklung wären zudem die Produzenten von Bag in Box-Gebinden, da diese sich anteilig ebenfalls weitaus weniger verteuern. Zudem wird den Produzenten für die Umrüstung aller Etikettier- und Produktionsanlagen auf sender- und mikrochipfähige Etikettenverarbeitung eine großzügige Übergangsfrist von3 Monaten eingeräumt. Wilde Kofferraumimporte Schutz des Verbrauchers vor sich selbst durch kontrollierte Explosionen Auf ein großes Problem wies der litauische Kommissionsvorsitzende Valdas Karanauskas hin: Was passiert eigentlich, wenn ein EG Bürger in einem Land einige Flaschen Wein erwirbt und diese eigeninitiativ in ein anderssprachiges Land verbringt, dessen Bewohner somit auf diesen Flaschen keinen Enthält Sulfite Warnhinweis in ihrem heimischen Idiom vorfinden? Wie sieht es z.B. in der Lausitz in den Gebieten der sorbischen Minderheit oder den ladinischsprachigen Teilen Südtirols aus aus? Kurz: Wie werden in diesen Fällen die arglosen Menschen vor Gefahr für Leib und Leben durch mangelnde Bezeichnungsklarheit bewahrt? Hierauf gab es im ersten Moment keine schlüssige Antwort. Eine mögliche Lösungsmöglichkeit zeichnete sich jedoch durch das luxemburgische Kommissionsmitgliedes Jean-Jaques Kloden ab. Dieser regte an, in den Minisender im Etikett eine für Menschen unschädliche- Kleinst-Sprengladung zu integrieren, die im Falle eines wilden Kofferraumimportes in ein anderssprachiges Land durch einen Funkimpuls aus dem Satelliten eine Selbstzerstörung der betroffenen Gebinde auslösen kann. Frau Dr. Dingold-Wanuschek zeigte sich begeistert und sprach von einem Königsweg für den Verbraucherschutz. Erste Machbarkeitsstudien sollen in Kürze aufzeigen, welche technischen Voraussetzungen und finanziellen Konsequenzen die Integration eines solchen Sprengsatzes in jedes Weinetikett mit sich bringen würde. Kommissions-mehrheitlich herrscht jedoch kein Zweifel, dass dies Procedere für die fernere Zukunft den gangbarsten und realistischsten Weg zur Optimierung des Konsumentenschutzes darstellt. Erste Prognosen legen zudem den Schluss nahe, dass ein guter Teil der EU-weiten Weinbranche den durch diesen Maßnahmenkatalog initiierten strukturellen Wandel überleben würde und im Idealfall rund die Hälfte der Arbeitsplätze langfristig gesichert werden könnten. Das lässt hoffen und gibt Mut für die Zukunft.

Gerd Rindchen lebt als Vollzeit-Weinimporteur und Gelegenheitskolumnist in Hamburg

Ausgabe 8/2024

Themen der Ausgabe

Württemberg

Die Bewirtschaftung zu teuer, die Bestockung sehr rot – die Weingärten im Ländle stehen vor Veränderungen.

Christof Queisser

Der Vorsitzende der Geschäftsführung von Rotkäppchen-Mumm im Interview.

Sommerwein

Wenn die Sonne scheint, muss es nicht immer weiß sein – wann Rotwein auch im Sommer passt.