Ausgabe 25/2019

Wunschlos glücklich?

WW 25/19

Zu Weihnachten darf man sich was wünschen. Ginge es nach dem Willen der zuständigen Ministerin des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, und ihrer Mitarbeiter, dann dürfte vermutlich ein neues Weingesetz unterm festlich geschmückten Tannenbaum liegen. Geschmiedet aus Paragrafen, die  das Wohl der Allgemeinheit und sämtlicher Lobbyisten finden. Das Unterfangen gleicht der Quadratur eines Kreises und wird wahrscheinlich nicht der einzige Wunsch der Ministerin in Zeiten des Klimawandels sein.
Vorbei die Ära als die Landwirtschaft einer sakrosankten Spielwiese grün berockter Brauchtumspfleger glich, die in jeder Hinsicht Ausnahmen für sich in Anspruch nahmen. Ein neues Weinrecht dürfte verglichen mit den übrigen Problemen allerdings eher zu den Petitessen zählen. Aber  warum muss das nationale Weinrecht überhaupt renoviert werden? Die Zeit seit Reform der gemeinsamen Agrarpolitik 2008 hat Deutschland tatenlos verstreichen lassen. Eine Anpassung an die neuen Regeln innerhalb des EU-Systems zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen wurde schlicht verschlafen. Die letzte Dekade diente lediglich dem Erhalt des Status quo. Aus Sicht des Marktes ist die Reform aber dringend notwendig, um der Branche eine Chance zu geben, den größeren Rahmen des EU-Weinrechts für die Organisation des Weinsektors und neue Rahmenbedingungen für Produktion und Vermarktung zu nutzen. Erst vor kurzem wurden Schutzgemeinschaften gegründet, allerdings in Form zahnloser Tiger. Franken ist die einzige Region, die das Konstrukt eines Branchenverbandes nutzen will und das Schicksal in die eigenen Hände nimmt. Die vertane Zeit haben andere mit Erfolg genutzt. Der VDP als Interessengruppe gibt inzwischen die Regeln vor. Die Hierarchie aus Guts-, Orts- und Lagenweinen wurde ungefragt und selbst interpretiert von vielen übernommen. Vermutlich zum Leidwesen des VDP, dessen System durch jeden neuen Interpreten mehr als verwässert wird.
Alte Wunden, wie das Problem der verbrauchertäuschenden Großlagen oder die Sinnentleerung traditioneller Begriffe, wurden dagegen nicht geheilt. Ganz zu schweigen von der Schaffung eines Systems, das dem Verbraucher eine Qualitätsorientierung zwischen hochwertigen Gutsweinen einzelner Erzeuger an der Spitze, regionaltypischen Weinen in der Mitte und simplen Massenweinen an der Basis vermittelt.
Ob mit der jetzt anstehenden Reform die Probleme beseitigt werden, darf man bezweifeln. Der Deutsche Weinbauverband macht sich das VDP-Motto: »je kleiner die Herkunft, desto höher die Qualität« zu eigen, packt das grundsätzliche Problem einer Qualitätsdifferenzierung allerdings nicht an. Die Feinziselierung an der Spitze der Pyramide erreicht die Masse der Verbraucher nicht. Der neueste Vorschlag, der Schaffung einer g.U. Rhein (geschützter Ursprung Rhein) in die dann ein Gutteil der Weine in Rheinland-Pfalz fließen könnte, ersetzt nur, was als billiger Qualitätswein unter der Bezeichnung »Rheinhessen/Pfalz« längst am Markt vorhanden ist.
Notwendig wäre die Ausweisung und Aufwertung wirklicher Tafelweine sowie der Land- oder Regionalweine, wie immer man diese Kategorien auch nennen will. Die Landweine sind derzeit in der deutschen EU-Zone noch auf das Niveau von 11,5 Prozentvolumen Alkohol begrenzt, sofern die Weine angereichert werden. Sie sind damit keine wirkliche Option für den Markt, der sich weiter als undifferenzierter Einheitsbrei präsentiert.
Belassen wir es nicht dabei und gönnen uns ein wenig mehr Mut zu wirklichen Reformen im nächsten Jahr. Dann rentiert es sich auch, dass wir unterm Weihnachtsbaum die Tassen erheben und uns und Ihnen allen eine gute Zukunft und ein paar geruhsame Tage über Weihnachten und Neujahr wünschen. In diesem Sinne grüßen Sie die Redaktion und meine Wenigkeit.
Hermann Pilz
Chefredakteur Weinwirtschaft
[email protected]