Ausgabe 24/2015

Pleite und die Ursachen: 3.000 Mitarbeiter plötzlich ohne Job: Strukturelle Defizite und Online-Handel machen Kassiererinnen überflüssig

Weinwirtschaft Ausgabe 24/2015

Es werden vermutlich nicht allzu viele deutsche Zuschauer gewesen sein, die vor Kurzem sonntagsabends eine bemerkenswerte Diskussionsrunde im österreichischen Fernsehen verfolgt haben. Bemerkenswert, da so ziemlich alles zur Sprache kam, was es an Problemen derzeit im Handel gibt. Was falsch gelaufen ist, wo Chancen verpasst wurden und welche negativen Folgen die Entwicklung für Wirtschaft, Gesellschaft und Konsumenten hat. Die Diskussion hätte man genauso gut in Deutschland oder in anderen europäischen Ländern führen können.

Anlass der Sendung war die Pleite der ehemals zu Tengelmann bzw. deren Discounttochter Plus gehörenden Lebensmittelkette Zielpunkt. Unter der Regie des mittelständischen Lebensmittelhändlers Pfeiffer, der das Unternehmen vor drei Jahren gekauft hatte, wurden zuletzt rund 240 Märkte in Österreich betrieben. Im Zuge der Pleite dürfte ein Großteil der Standorte geschlossen werden. Rund 3.000 Mitarbeiter verlieren kurz vor Weihnachten ihren Job, und die Konsumenten haben nun noch weniger Auswahl. Sie können in Zukunft bei Billa (Rewe), Spar oder dem Aldi-Süd-Ableger Hofer einkaufen. Die drei Großen halten mehr als 85 Prozent
des Lebensmittelmarktes. Das gilt im Übrigen auch für die Weineinkäufe der privaten Haushalte, auf die inzwischen rund 50 Prozent des Absatzes mit Wein entfallen.

Die Ursachen der Zielpunkt-Pleite sind vielfältig. Schon unter Plus hatten die Märkte kein wirkliches Profil, und Managementfehler trugen das ihre bei. Zuletzt brachen schlicht die Umsätze weg, so dass der Gang zum Konkursrichter unvermeidlich wurde. Pfeiffer wird als regionaler Lebensmittelanbieter und Nahversorger auf kleiner Flamme weiter existieren. Der Traum einer großen vierten Kraft im österreichischen Handel ist vorerst ausgeträumt, wie Georg Pfeiffer bekannte, der sich nicht verkroch, sondern der Diskussion stellte.

Mit fast schon entwaffnender Naivität, vermutlich aber eher dreistem Kalkül seiner verteilungsgerechten Sichtweise, warf der in der Diskussion anwesende Vertreter der Gewerkschaften Pfeiffer vor, dass dieser die Pleite hätte vorhersehen können, sie vielleicht sogar bewusst herbeigeführt habe oder zumindest hätte verhindern können. Strafanzeige wolle er gegen Pfeiffer stellen. Was dieser mit seiner gesetzlichen Pflicht parierte, er wolle schließlich nicht gegen das Insolvenzrecht verstoßen.

Klartext, was die eigentlichen Ursachen der Misere im Handel sind, sprach dann Heinz Kammerer aus, der als Gründer und Inhaber der Fachhandels- und Weinbar-Kette Wein & Co. an der Diskussion teilnahm. Mit 22 Läden und einem Umsatz von 53 Mill. Euro ist Wein & Co. eine der wenigen erfolgreichen Neugründungen der letzten Jahrzehnte im österreichischen Handel. Der sei veraltet, überreguliert und chronisch unterkapitalisiert, klagte Kammerer.

Die Gewerkschaften und die jahrzehntelange Politik sozialistisch geführter Regierungen trugen das ihre bei. Der Mittelstand werde erdrückt von den Großen, die allein noch in der Lage seien, mit kleinsten Margen zu überleben, obwohl Österreich eines der höchsten Preisniveaus für Lebensmittel in Europa besitze. Allerdings nur auf dem Papier, da der Handel in jahrzehntelanger Indoktrination die Konsumenten zu reinen Schnäppchenjägern umerzogen hat. Rabatt ist alles, und mehr als 50 Prozent der Lebensmittel werden in Aktionen gekauft.

Jedes Jahr geben in Österreich 1.000 Händler auf, mit entsprechenden Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Der Onlinehandel kennt keinen Ladenschluss, und die Nutzung mobiler Geräte wird die Situation noch weiter verschärfen, war sich Kammerer sicher. Gewinnen werden die globalen Informationsgiganten. Immer stärker zeichne sich eine Entkoppelung des physischen Transports von Waren und den Informationsplattformen für den Einkauf ab. Die Zukunft gehöre hybriden Geschäftsmodellen, folgerte Kammerer präzise. Weder als stationärer noch als reiner Online-Händler wird die Schlacht zu gewinnen sein.

Hermann Pilz [email protected]