Ausgabe 24/2014

Hilf Dir selbst - Wenn Anleger die Bank ersetzen

Hilfe meine Bank lässt mich im Stich. Das denken heute viele Menschen, egal ob sie Sparer oder Schuldner sind. Zwischen Dienstleistungen rund um den Zahlungsverkehr und dem Vertrieb komplexer Anlagen spannt sich ein schillernder Bogen unterschiedlichster Produkte, die Banken ihren Kunden bieten. Während die Abwicklung des Zahlungsverkehrs oder die Bargeldversorgung zu den eher lästigen Pflichten zählen, widmen sich die Banken mit viel mehr Elan risikoreichen Anlagen aller Art. Die reichen von der Projektentwicklung im Immobilienbereich bis zum Verkauf spekulativer Anlagen, bei denen es sich oft genug um schräge Wetten handelt, von denen weder die Kunden noch die Berater unter den Bankern eine Ahnung haben, wie sie tatsächlich funktionieren. Ihrer eigentlichen Aufgabe, die Privatkunden und die Wirtschaft mit Geld und Krediten zu günstigen Preisen zu versorgen und ordentlich in die reale Wirtschaft zu investieren, kommen sie mit weit weniger Lust nach. Ausnahmen bestätigen die Regel, doch die immer öfter zu hörende Klage kleiner und mittelständischer Unternehmen über eine ungenügende Kreditversorgung ist nicht aus der Luft gegriffen. Mir kommt da immer ein Gespräch in den Sinn, das ich vor Jahren mit dem Gründer des Weinhaus Stratmann, Gerhard Stratmann, führen durfte. Als junger Mann hatte er in Süddeutschland Wein kennen und schätzen gelernt. In den Aufbaujahren der Bundesrepublik fasste er die irgendwie spleenige Idee, eine Weinhandlung auf dem platten Land zwischen Hamburg und Bremen zu eröffnen. Auch wenn seine Landsleute alle Bier und Korn tranken, wollte er es mit Wein versuchen. Geld hatte er keines, aber einen guten Leumund, und so war es kein Problem, auf die örtliche Bank zu gehen und um einen Geschäftskredit über damals stolze 20.000 DM zu fragen. Vermutlich würde man ihn heute vor die Tür setzen. Er bekam jedoch das Geld und kaufte als erstes eine Ladeneinrichtung, Regale und eine Verkaufstheke. In vierzig Jahren baute er ein stattliches Unternehmen auf, das noch heute das Fundament des Weinhandelsunternehmens Ludwig von Kapff bildet. Doch solche Zeiten sind passé. Eine Geschichte, wie sie Stratmann erzählen konnte, dürfte heute kaum mehr stattfinden.

Wer kein Kapital mitbringt, bekommt auch keines. Nur verständlich, dass inzwischen auch andere Formen der Finanzierung in Mode kommen. Es mag ein Zeichen der Zeit sein, dass eine neue Generation anders an die Sache herangeht und die Scheu vor Neuem ablegt. Viele Projekte der Online- oder der Umwelt-Branche wären ohne Crowdfunding oder auf Deutsch Schwarmfinanzierung nicht in Gang gekommen. Auch in der Weinbranche tut sich was: Jetzt haben zwei Winzer, Sebastian Schiller und sein Cousin Dennis Keifer, aus dem Stuttgarter Stadtteil Rohracker ein Projekt gestartet, mit dem sie Kapital für den Aufbau eines Weinguts sammeln wollen. Die Trauben haben ihre Väter bisher an die örtliche Genossenschaft abgeliefert, doch jetzt wollen sie in die Selbstvermarktung einsteigen. Man darf gespannt sein, wie sich ihre KSK Vintage Winery entwickeln wird. Sie entdecken eine neue Lust ihrer Generation aufs Land und ehrliche Projekte. Sie wollen ihre Weine in der Region, in Bäckereien oder auf ochenmärkten vertreiben.

Apropos Schwarmfinanzierung: Da darf man an jemanden erinnern, der zum Prinzip des Weininvestments und der Genussscheine in flüssiger Form schon vor zwanzig Jahren die Idee hatte. 1994 übernahm Sybille Kuntz von ihrem Vater ein kleines Weingut in Lieser an der Mosel. Auch sie ging vergeblich auf die Bank und bat um Geld. Um dennoch in die Zukunft ihres Weinguts zu investieren, gab sie Genussscheine aus und bietet seither den Anlegern ihre Dividende in flüssiger Form. Das Prinzip hat sich bewährt, und in diesem Jahr hat sie neue Genussscheine aufgelegt. Die Verzinsung der Anlagen in der Höhe von 2.500 bis 10.000 Euro liegt bei 6 bis 7 Prozent. Das bekommt man nirgends, und die Weine sind ihr Geld wert. In den letzten zwanzig Jahren konnte sie ihr Weingut von 2,5 auf 13 Hektar vergrößern. Ein Beispiel das Schule machen sollte, vielleicht auch im Weinhandel.