Ausgabe 23/2020

Kollateralschäden

WEINWIRTSCHAFT 23/2020

Der Fall Trump hat ausgetrumpt und das nicht, weil er sich vier Jahre lang wie ein Geisteskranker gebärdete und dem Begriff »fremdschämen« mit jedem seiner Auftritte eine Steigerung hinzufügte, sondern weil er die Corona-Krise falsch eingeschätzt hat. Er wäre spielend wieder gewählt worden, sind sich Kommentatoren sicher, was nicht unbedingt für den Verstand seiner Wähler spricht, wenn, ja wenn er die Corona-Pandemie von Anfang an ernst genommen und den Menschen in seinem Land sinnvolle Lösungen angeboten hätte.

Aber so ist seine Karriere als Präsident glücklicherweise zu Ende und ob er zum Schluss durch die Hintertür verschwindet oder mit einem Fußtritt vorne rausfliegt, ist nur eine Frage der Zeit. Apropos Zeit, würde er 2024 wieder antreten, hätte er das Alter des neu gewählten Präsidenten. Kaum vorstellbar, dass sich da nicht ein jüngerer Aspirant findet und die Amerikaner zweimal nacheinander einen fast Achtzigjährigen auf den Schild heben. 

Trump hinterlässt in vielerlei Hinsicht einen Scherbenhaufen, der seinen jetzigen und kommenden Nachfolger noch lange beschäftigen wird. Auf allzu viel Änderungen braucht man angesichts der absehbaren politischen Konstellationen in den USA allerdings nicht hoffen. Aber es bestehen wenigstens die Chancen wieder mit Sachargumenten und auf dem Verhandlungswege Lösungen zu finden, statt sich erpresserischen Forderungen stellen zu müssen.

Deshalb hat Gerhard Brauer, Vorsitzender der Verbandes Deutscher Weinexporteure, auch vollkommen recht, wenn er im Handelsstreit zwischen EU und USA nicht auf noch mehr Strafzölle setzt, sondern beide Seiten auffordert, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und die handelshemmenden Strafzölle unverzüglich aufzuheben. 

Die Hoffnung, dass ein Impfstoff rasch Verbesserungen bringt, wenn er denn Ende des Jahres oder Anfang 2021 kommt, darf man mittelfristig, aber nicht kurzfristig hegen. Es wird bis weit ins nächste, vielleicht sogar ins übernächste Jahr dauern, bis eine wirksame Immunität in der Bevölkerung aufgebaut ist. So lange wird die Wirtschaft weiter mit Verzerrungen leben müssen, und das heißt für die Weinwirtschaft, dass Einzel- und Onlinehandel, Direktvertrieb ab Hof und Zustellservice boomen und der Absatz über die Gastronomie und Veranstaltungen aller Art daniederliegt.

Angesichts einer durchschnittlichen Weltweinernte von 260 Mill. Hektolitern 2020, wiegen die Überhänge aus den Vorjahren und die aufgelaufenen Lagerbestände schwer. Angelo Gaja hat mit seinem Brandbrief vollkommen recht, den er im September unters Volk streute: Wenn Ende des Jahres Bilanz gezogen wird, werden die Weinbestände besorgniserregend hoch sein und die im Export erzielten Erlöse werden zweistellige Einbußen aufweisen. In Italien, Frankreich und Spanien wird neben dem Export ein Großteil des Weines über die Gastronomie vermarktet. Die Gastronomie liegt brach und findet keinen adäquaten Ausgleich durch mehr Absatz im Einzelhandel. Eine gefährliche Melange, die vor allem eines zur Folge haben wird: sinkende Preise. 

Wer keine Rücklagen hat und verkaufen muss, wird Verluste einfahren. Einmal mehr werden Hasardeure und Schnäppchenjäger zu Gewinnern. Und Corona hat Folgen an ganz ungewohnten Stellen. Wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautete, soll die Lufthansa auf einem mehr als 50 Mill. Liter großen Weinsee schwimmen. Wein, der wie im Luftfahrtgeschäft üblich zwei Jahre im Voraus geordert wurde und für den sich mangels Passagieren derzeit keine Verwendung findet.

In den Weinsee dürften dann auch ein paar hundert Millionen der rund 10 Mrd. Euro Steuergelder fließen, die der Bund dem Kranich zur Verfügung gestellt hat. Da bestreite noch einer, Wein verleihe keine Flügel. Schwingen wir uns mit Lufthansa-Berater Markus del Monego auf. Ich erkläre mich freiwillig zum Restetrinken bereit, um dem trüben Novemberblues zu entfliehen. Vielleicht finden sich ja noch ein paar Mitstreiter.