Ausgabe 18/2019

Ökoterror

WW 18/19

Der Satz trifft exakt unser limbisches Zentrum. Dort wo Emotionen verarbeitet werden, sind wir am verwundbarsten. »Rettet die Bienen«, bekommt von mir eine Eins mit Stern für eine gelungene PR-Kampagne. Wer würde da nicht zustimmen, wenn er im Angesicht der Kulleraugen von Biene Maja um eine Unterschrift gebeten wird. Egal, was da gefordert wird, Biene Maja muss leben genauso wie Free Willy oder die putzigen Pandabären im Berliner Zoo. Walt Disney hat vorgemacht, wie man mit sprechenden Tieren und kindlichen Gesichtern selbst Erwachsene um Geld und Verstand bringt. In dieser bösen Welt haben das Gute und die Gutmenschen Narrenfreiheit. Immer mehr Öko- und Umweltverbände sprießen aus dem Boden. Wer wollte sich versagen, wenn jemand zum »Artensterbenstoppen« oder »Rettet das Klima« aufruft. Die Erfolge bleiben nicht aus: 1,8 Mill. Menschen haben sich am Volksbegehren für mehr Artenvielfalt in Bayern beteiligt, das einen kompromisslosen Wandel der bisherigen Landwirtschaft in eine wie auch immer geartete biologische Wirtschaftsweise fordert: Artenvielfalt erhalten, Zerstörung der natürlichen Lebensräume verhindern und den Bürgern und Bürgerinnen einen Wandel im Umgang mit ihrer Lebensgrundlage vermitteln, sind die hehren Ziele. Das riecht nach Umerziehung, die auch auf europäischer Ebene stattfinden soll. Europa, ein Paradiesgarten? Vielleicht werden wir demnächst wie in China fürs umweltgerechte Wohlverhalten Punkte bekommen, ganz nach dem Motto: »Wer falsch trennt, hat Kehrwoche«. Ich freue mich schon drauf, wenn die Stuttgarter Bevölkerung mit dem Rad ausschwärmt und den Acker auf dem Stuttgarter Flughafen wieder in das verwandelt, was er einstmals war, ein Krautfeld.
Ab 24. September können die Baden-Württemberger ihre Stimme für das Volksbegehren Artenschutz – »Rettet die Bienen« abgeben. Die Initiatoren verlangen ebenfalls viel. Heftig könnten sich die Verbote im Weinbau auswirken. Vor allem dort, wo dieser in Schutzgebieten steht, wie etwa am Kaiserstuhl oder am Bodensee. Es droht das Aus für viele Betriebe, befürchten die einschlägigen Verbände: Die Erntemengen würden sinken, das Aufkommen an Bioweinen zwangsweise steigen, dafür deren Preise sinken. Weinbau am Kaiserstuhl und anderswo würde über kurz oder lang unwirtschaftlich. Wein käme dann aus dem Ausland.
Fassen wir mal zusammen: Etliche Forderungen sind sicher berechtigt, auch wenn nicht alles wissenschaftlich belegt ist. Im Gegenzug werden sich die Folgen nicht ganz so einstellen, wie befürchtet. 
Alles in allem darf man um etwas mehr Verstand und weniger Emotionen bitten. Die Monokulturen und das Festhalten an abgegrenzten Weinbergsflächen sollten genauso wie die Produktion uniformer Massenweine der Vergangenheit angehören. Biodiversität sieht anders aus. Genauso verkehrt ist die Verengung der Fruchtfolgen in der Landwirtschaft, die viel zum Artensterben beiträgt. Die Landwirte machen mit, weil’s Geld für nachwachsende Rohstoffe gibt, wofür die Bevölkerung zahlt. Welch’ eine grüne Idiotie? Wer heute noch auf Glyphosat setzt, hat nichts verstanden. Ökoweinbau vor dem Hintergrund der Kupferspritzungen und der Akkumulation im Boden ist keine Alternative und ganz grundsätzlich wird es demnächst viel mehr ums Überleben gehen. 10 Milliarden Menschen sind kein Pappenstiel. Für Wunschträume ist nur begrenzter Platz. Und noch was Grundsätzliches: Die Natur kennt kein Gut und kein Böse. Arten kommen und gehen in der Erdgeschichte, auch der Mensch. Entscheidend ist der Erhalt natürlicher Kreisläufe. Der fast unbegrenzte Einsatz künstlich geschaffener organischer Stoffe und der massive CO₂-Eintrag aus fossilen Energieträgern schaffen unabsehbare Risiken und ein gewaltiges Ungleichgewicht in der Natur. Dem wird man aber nicht mit Phantastereien begegnen können.
Hermann Pilz
Chefredakteur Weinwirtschaft
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