Ausgabe 18/2015

Goldschürfer
Ausgabe 18/2015

Bonanza war mal. Heute wird Gold statt bei den Cartwrights am Lake Tahoe im Internet vermutet

Man darf über jeden froh sein, der sich Gedanken über erfolgversprechendes Weinverkaufen macht. Neue Ideen helfen dem Weinhandel auf die Sprünge. Die stationären Geschäftsmodelle sind aller Unterschiedlichkeit zum Trotz überschaubar und klar. Sie reichen vom klassischen Weinfachhandel, über filialisierte Läden, Fachmärkte, Super- und Verbrauchermarktketten bis hin zu SB-Warenhäusern und Discountern. Erfolg und Misserfolg liegen oft eng beieinander und stecken in Details, wie jeder weiß, der sich mal ernsthaft mit Weinhandel beschäftigt hat. Ohne Fleiß, Grips und Ideen läuft nichts. Wer vom schnellen Geld mit Wein träumt, findet das wenig sexy. Phantasie liefert dafür der Online-Handel nach dem Motto: Wein muss doch auch anders gehen.

Der Investor sollte nur Gelder investieren, deren Verlust er sich leisten kann

Die Onliner eröffnen eine neue Welt des Verkaufens. 10 bis 15 national bekannte Plattformen gibt es derzeit in Deutschland, von denen wenige aus eigener Kraft existieren und noch weniger überleben werden. Dass man Wein Online anbieten und das Internet zur Information und als Orderplattform nutzen kann, beweist Hawesko als Marktführer seit Jahren. Doch das ist nicht das, von dem die Moneymaker und Internet-Jünger träumen. Die wollen das Geschäft neu erfinden und konstruieren Abonnementplattformen, Versteigerungsportale, Lieferantenpools  oder Club-Mitgliedschaften zu neuen Geschäftsmodellen um. Beflügelt wird die Gründerszene durch den verschwindend geringen Anteil von 1 bis 3 Prozent, den der Online-Handel bisher am 9 bis 10 Milliarden großen Umsatzvolumen von Wein in Deutschland hat. In anderen Branchen liegt der Anteil bei 25 bis 30 Prozent. Warum nicht auch beim Wein, kalkulieren die Initiatoren von Portalen wie Wein in Black, Geile Weine, Wir Winzer oder Vicampo, die für sich Licht am Ende des Tunnels und einen Batzen Geld vermuten. Das steuern fürs Erste die Investoren bei, die sich auf die Geschäftsmodelle einlassen. Spielgeld scheint bei Beteiligungs- und Venture-Kapital-Firmen reichlich vorhanden zu sein.

Besonders amüsant finde ich derzeit das 2013 gegründete Portal »Geile Weine«. Geil, das war früher mal anrüchig. Bei den ewig pubertierenden Jungen ist er inzwischen zu einem Ausruf der Begeisterung mutiert. Doch wie lange trägt ein solches Konzept? Was ist die Halbwertszeit der Gefühlswallung einer Generation? Geile Weine will eine Marke werden. Darauf beruht das Geschäftsmodell, das Kunden der Generation Y, die zwischen 20 und 45 Jahre alt sind, bei allen möglichen und unmöglichen Anlässen mit Wein versorgen will. Wein, so das Kalkül der Initiatoren, kaufen die urban lokalisierten Angehörigen dieser Generation der »Digital Natives« situationsbezogen aus Lust und Laune. Die lümmeln auf einer hübsch gedeckten grünen Wiese in multikultipatchwork-bunter Familienidylle, stets fröhlich und zu allem bereit, und plötzlich fällt denen ein, man könnte ein Gläschen Champagner oder sonst was Lustiges trinken. Ohne Ahnung, ohne Idee, aber aus Interesse, doch nur so aus purer Lust und Liebe? Ja, das sind alles wohlbestallte Unternehmensberater. Sie lieben das Leben und leisten sich außer schicken Klamotten auch sonst jeden erdenklichen Luxus, den sie freigiebig mit anderen teilen.

Die geile Idee ist da. Jetzt geht’s an die Umsetzung. Von 300.000 Euro im Jahr 2014, über 900.000 Euro im Jahr 2015 soll der Umsatz in nur drei Jahren auf 23 Mill. Euro emporschnellen. Finanzieren wollen sich die Initiatoren seit August 2015 über ein Crowdinvesting. Anleger sollen  Geld berappen, das in Marketingbudgets mit dem Ziel der Neukundengewinnung versenkt wird. Da man dem Online-Geschäft offenbar selbst nicht ganz traut, sollen auch stationäre Läden eröffnet werden, über die man dann wohl Schnäppchenjäger und traditionelle Käufer bedient. Aus 10.000 Euro werden bis zum Exit, je nach Szenario an das man glauben will, zwischen 20.000 und 50.000 Euro. Toll! Investoren sollten nach Lektüre des Exposés ruhig nochmal auf die erste Seite blättern und lesen was dort unter Haftungsausschluss geschrieben steht: »Jedes Investment kann einen Totalverlust der Investmentsumme zur Folge haben. Der Investor sollte daher nur Gelder investieren, deren eventuellen Verlust er sich leisten kann.« Dem ist nichts hinzuzufügen.

Hermann Pilz [email protected]