Ausgabe 15/2015

Fifty shades ... - In der Weinwelt gibt es kein Schwarz und kein Weiß. Jeder muss die Schattierung wählen, die ihm beliebt.

Weinwirtschaft Ausgabe 15/2015

Geschmackssache. Im eigentlichen und im übertragenen Wortsinn. Darauf lässt sich jede der gefühlt eine Million Streitfragen unserer Weinwelt reduzieren. Gott sei Dank. Nur deshalb existiert eine facettenreiche Weinfachhandelsszene neben vielen anderen Vertriebswegen, finden hochpreisige Kleinstproduzenten genauso ihren Markt wie industrielle Großkellereien. Absolute Wahrheiten, den einen richtigen Weg gibt es nicht. Genausowenig wie den besten Wein. Die aktuelle Diskussion um den biodynamischen Weinbau ist ein hervorragendes Beispiel hierfür. Jürgen Mathäß und WEINWIRTSCHAFT-Chefredakteur Dr. Hermann Pilz liefern sich in dieser Ausgabe einen wunderbaren Schlagabtausch. Jeder mit guten Argumenten auf seiner Seite. Schmerzfrei-konventioneller versus nachhaltig-umweltschonender versus biologisch-organischer versus biologisch-dynamischer Weinbau. Und in jeder Gruppe wieder unterschiedliche Fraktionen, man denke nur an den Streit zwischen Demeter und der ebenfalls nach biodynamischen Methoden arbeitenden Winzervereinigung »Respekt«. Da bleibt nur jedem einzelnen Winzer, Händler oder Verbraucher, seine persönliche Komfortzone zu finden, in der er sich behaglich fühlt. Geschmack und Gewissen, Kopf und Herz in Balance. Meine persönliche rote Linie ist scheinbar klar: Wo Moos unter dem Stock wächst, ist jede Terroir-Diskussion überflüssig. Wer Round-up oder sonstige Glyphosat-haltige Herbizide spritzt, dem kaufe ich keine Flasche Wein ab, sofern ich davon weiß. Das Problem dabei ist nur: Ich wage kaum, einige meiner Lieblingswinzer danach zu fragen, vor allem, wenn sie extreme Steillagen bewirtschaften. Dann könnte meine schöne Balance aus Geschmack und Gewissen schnell dahin sein. Zugegeben: Keine wirklich klare Linie, eher hedonistisch. Geschmack und Qualität, beziehungsweise das, was ich dafür halte, über alles!

Ein anderes, ebenso schönes Streitthema ist der Weingutsbegriff beziehungsweise das Thema Zukauf. Auch da gilt: Kein Schwarz, kein Weiß. Klar ist: Wo Weingut drauf steht, dürfen nur eigene Trauben drin sein. Das gilt auch für die Rubrik Gutswein in der Preisliste. Das ist logisch. Doch dann wird’s kompliziert. Nehmen wir als hypothetisches Beispiel einen der zahlreichen renommierten Betriebe in Deidesheim. Welcher Wein erfüllt nun eher die Erwartungen des Kunden, der im Proberaum mit Blick auf die Weinberge sitzt und zwei Weine probiert: Wein Nr. 1, hergestellt aus zugekauften Trauben aus einer Lage wie dem Deidesheimer Herrgottsacker oder Paradiesgarten, oder Wein Nr. 2, von eigenen Betriebsflächen, die jedoch am östlichen Rand der für Weinbau zugelassenen Gemarkungen von Niederkirchen oder Meckenheim in der Ackerwüste der Rheinebene liegen? Für mich persönlich ist die Antwort einfach. Und in dem Fall würde ich darauf wetten, dass Sensorik und gesunder Menschenverstand mir die gleiche Antwort geben. Die Qualität muss den Ausschlag geben. Es wird nur in Ausnahmefällen gelingen, aus zugekauften Trauben einen besseren Wein zu erzeugen als von den besten eigenen, ganzjährig liebevoll gepflegten Parzellen in einer Top-Lage. Aber wenn der unwahrscheinliche Fall eintritt: Warum sollte dieser Wein dann weniger wertvoll sein? Warum sollte dann nicht der Name des Produzenten auf dem Etikett stehen, der den Wein gepresst, vergoren, ausgebaut und abgefüllt hat? Auf dem vermutlich höchst beliebigen Wein vom sandigen Acker darf er ja auch stehen. Absurd. Warum nicht einfach deklarieren, was Sache ist, so wie häufig in Burgund zu sehen? Der Firmenname als Absender, entweder mit dem Zusatz Domaine oder eben Weingut, wenn es sich um Eigenflächen handelt, ansonsten mit den erklärenden Begriffen »recolté, vinifié, élevé et mis en bouteille«, je nachdem was zutreffend ist. Bei einem zugekauften Wein steht dann eben nur »mis en bouteille «, also »abgefüllt«. Wo ist das Problem? Weil der »gut klingende Name« für Zukauf genutzt wird? Hat der Name einen guten Klang, weil dieser Betrieb erstklassige Weine macht und vermarktet, oder weil er Mitglied im Verband der Großgrundbesitzer ist?

Sascha Speicher [email protected]