Ausgabe 13/2017

Lockruf des Goldes

Titel WW13/17

Der Online-Handel verspricht mit wenig Aufwand schnellen Reichtum und weckt daher die Fantasie einer Vielzahl von Glücksrittern und Hasardeuren. Wichtigster Vorteil: Potenzielle Käufer erreicht man mit geringstem Aufwand. Streuverluste spielen scheinbar keine Rolle. Es braucht nur etwas Fantasie und Kenntnisse wie man eine Homepage mit allem Drum und Dran gestaltet, und schon kann der scheinbar problemlose Verkauf losgehen. Wenn es nur so einfach wäre. Tausende Startups mit schier endlosen Geschäftsmodellen sind am Markt und zeigen, dass die Aussicht leichtes Geld zu verdienen, eine Menge Menschen beflügelt und wenige das Ziel erreichen. Noch mehr wird die Fantasie beflügelt, wenn tatsächlich mal ein Startup gelingt, die Gründer den richtigen Zeitpunkt zum Ausstieg erwischen und kräftig Kasse machen. Das sind dann die Glücksmeldungen, als hätte jemand die Bank im Casino gesprengt, worauf sich wieder Unzählige an den Roulette-Tischen versuchen.
Die Wahrheit ist eine andere. Ganz egal welches Geschäftsmodell und welches Shopkonzept bisher betrieben wurde, ob Vor- oder Rückwärtsversteigerung, limitierte Mengen, Windhundverfahren, Clubmitgliedschaft, Zielgruppenansprache, Partnermodell oder Schnäppchenmarkt, bis auf wenige Ausnahmen scheitern die meisten an der dem Internet innewohnenden Preisvergleichbarkeit. Der Kunde, und in besonderer Weise der deutsche Kunde, kauft, wo es am billigsten ist. Über kurz oder lang führt dies zu einer Verringerung der Handelsmargen, die auf einem denkbar niedrigen Niveau landen. Darunter leiden dann alle: Die klassischen, stationären Läden genauso wie die virtuellen Online-Shops. Im Weinbereich fahren bis auf wenige Ausnahmen so gut wie alle Plattformen Verluste ein: Entweder wird Geld von Investoren verbrannt, oder es häufen sich die Schulden und meistens beides.
Negative Nachrichten dringen mal wieder von der aus Mainz betriebenen Plattform »Geile Weine« an die Öffentlichkeit, die mit einer schlechten Bonitätsauskunft leben muss. Die Weinkellerei Peter Mertes KG der Familie Willkomm hat vergangenes Jahr Anteile an Geile Weine gekauft und nimmt die Entwicklung gelassen, wie Michael Willkomm versichert. Alle Startups stünden auf wackeligen Beinen, argumentiert Willkomm. Die Anteile seien billig gewesen. Die Firma sei klein, überschaubar, und auf diese Weise lasse sich Erfahrung im Online-Handel sammeln, in dem sich inzwischen auch alle Großkunden von Deutschlands größter Weinkellerei tummeln und mit wenig sichtbarem Erfolg versuchen, im Online-Handel ein Bein auf den Boden zu bringen.
Trotz ihrer Größe fürchten sie einen ganz anderen Gegner: Amazon. Der ist zwar auch mit Päckchen packen von Büchern und CDs groß geworden, doch eigentlich ist der Internethandel inzwischen fast Nebensache, wenn man die wirklich lukrativen Quellen Amazons unter die Lupe nimmt. Das Unternehmen vermietet überschüssige Server-Kapazitäten ausgerechnet an all die Deppen, die im Online-Handel ein neues El Dorado wähnen. Das Geschäftsmodell entstand wohl eher zufällig, als Jeff Bezos die Idee hatte, an den behäbig dicken Schlachtrössern vom Schlage Microsoft, IBM und Siemens vorbei ein einfaches Geschäftsmodell für die Vermietung von Rechner-Leistungen aufzubauen. Im Online-Handel 2 und im Cloud-Computing 20 Prozent Rendite, das ist auch bei Amazon die Wahrheit. Mit dem Kauf der US-Supermarktkette Whole Foods steigt Amazon in den stationären Lebensmittelhandel ein und zeigt damit, wohin die Reise geht. Seit 2015 weist Amazon im Gegensatz zu früher Gewinne aus. Die Aktie kletterte binnen zweieinhalb Jahren um über 300 Prozent. Was für eine Blase tut sich da auf, die mit der nächsten technologischen Innovation noch leistungsfähigerer Rechner vermutlich wie eine Seifenblase zerplatzt. Und die, die sich inzwischen in ihren Startups die Köpfe über die geilen Wünsche ihrer noch geileren Kunden zerbrachen, grübeln dann, wie sie die Schulden bezahlen, die sie bis dahin aufgehäuft haben oder erklären den Investoren, wieso das Geld verbrannt ist. Eines ist sicher: Irgendwann kommt der Wirt mit der Zeche. Hermann Pilz