Ausgabe 13/2015

Esoteriker vortreten - Gegensätze: Sektierer und okkulte Praktiken auf der einen, der Kampf ums Überleben auf der anderen Seite

WEINWIRTSCHAFT Ausgabe 13/2015

Schön, wenn man ab und an herzlich lachen darf. Ich gestehe freimütig, Esoterik und spirituellen Erfahrungen bin ich nicht besonders zugänglich. Was zählt sind exakte Wissenschaften, die sich überprüfen lassen. Deshalb kann ich vergleichsweise wenig mit Mixturen und Praktiken anfangen, die im biodynamischen Weinbau fröhliche Anwendung finden. Wenn jemand allen Ernstes erklärt, dass er Hornkiesel und Hornmist mit einem Reisigbesen in hölzernen Gebinden in lauwarmem Wasser erst eine Minute in die eine und dann exakt die gleiche Zeit in die andere schlagen muss, damit sich das Wasser, das anschließendauf die Reben gesprüht wird, dynamisiert, dann sind für mich die Grenzen zur Scharlatanerie und Geisterbeschwörung, zum Glauben an okkulte Kräfte, Magie und Zauberei, überschritten. Wahrscheinlich gelingt der eine oder andere Wein nur deshalb, da in solchen Betrieben dem Pflanzenwachstum und der Ökologie mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird und vielen biologischen Prozessen von der Traube bis zur Gärung eine hohe Stabilität innewohnt. Oft genug dürfte es aber purer Zufall sein. Biodynamik hat für mich nichts mit biologischem Weinbau zu tun.

Die Erzeugung von Biowein ist die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse auf den Weinbau, das Begreifen von Kreisläufen und biologischen Vorgängen, und die beruhen auf chemisch-physikalischen Prinzipien. Mit der Biodynamik überschreiten die Glaubensanhänger eine Grenze. Für mich ist es nicht nachvollziehbar, warum immer mehr renommierte Weingüter auf der Suche nach dem letzten Kick im Marketing diesen Weg gehen. Glaube versetzt Berge, gilt auch hier. Noch erstaunlicher als das biodynamische Sektierertum finde ich die Bandbreite, über die sich der Weinbau mittlerweile erstreckt, und das hat in erschreckender Weise mit den Ungleichgewichten in der Gesellschaft zu tun. Biodynamik wäre nicht möglich, wenn es nicht Konsumenten gäbe, die bares Geld dafür berappen würden. Das sind Zeitgenossen, die nach spiritueller Erleuchtung streben und in aller Regel über ausreichend finanzielle Mittel verfügen – und das nicht immer nur selbst verdient. Man muss sich solche Eskapaden leisten können. Die, die darauf setzen, tun es ganz bewusst und wissen, was dort zu holen ist. Die Preise einschlägiger Weine beginnen im zweistelligen Bereich und erreichen mitunter »astrologische« Höhen.

Biodynamische Weine markieren die eine Seite des Weinmarktes. Am anderen Ende dümpeln die Billigweine im niedrigen Cent-Bereich. Das sind die Kellerkinder. Auch dort scheint es inzwischen mehr um Esoterik denn um reale Märkte zu gehen. Die Winzer brauchen Glaube und Hoffnung, um weiterzumachen. Im vergangenen Jahr kostete ein Kilogramm Trauben im Süden Europas 18 bis 20 Cent. Daraus resultierten ab Kelter Mostpreise von 25 Cent pro Liter Most. Fertig ausgebaute Weine müssten 35 bis 40 Cent pro Liter Wein kosten. Tun sie aber nicht. Derzeit dümpeln die Preise auf den Fassweinmärkten im Süden Europas bei 25 bis 28 Cent pro Liter.
Die klamme Finanzlage vieler Kellereien und Genossenschaften – und das ist ganz und gar nicht mehr esoterisch – zwingt sie, Wein um fast jeden Preis zu verkaufen, und sei es mit Verlust. Die Erzeuger klagen zu Recht, dass sie in den Klauen einiger Vermarkter gefangen seien. Wohl wahr! Bedenklich erscheint, dass eine derart prekäre Marktsituation auch noch durch illegal produzierte Kunstweine verschärft wird, wie es der Fall der in der Emilia Romagna aufgeflogenen Weinkellerei offenbarte. Allein bei ihr wurden über 30 Mill. Liter Wein oder was es sonst gewesen ist, beschlagnahmt. Bis heute ist auch noch nicht aufgeklärt, wohin die 300 Mill. Liter Wein aus Spanien gewandert sind, die als Branntwein verwertet den Stillweinmarkt entlasten sollten. Man muss nicht rätseln über niedrige Preise, wenn das Wunder zu Kanaan munter zelebriert wird. Für den Herbst verheißt das nichts Gutes. Im Süden wird die Ernte nach heutigem Stand groß. Weshalb die Branche schon jetzt mit Preisen von 12 bis 15 Cent pro Kilo rechnet. Gut, wer einen Glauben hat.