Ausgabe 09/2015

Marke und Markt - Gemeinschaftsmarken sind komplizierte Gebilde und erfordern rechtlich aufwändige Regeln. Es gibt Alternativen.

WEINWIRTSCHAFT Ausgabe 09/2015

Offizialbezeichnungen sollen, so Hoffnung und Wunsch der meist politisch beseelten Ideengeber, den Charakter einer Marke annehmen. Das stößt in der Praxis, wenn sich solche Bezeichnungen vor dem Handeln ökonomisch und auf Eigennutz bedachter Menschen bewähren müssen, auf große Schwierigkeiten. Von einer wirklichen Marke und der Erfüllung der Anforderungen, die Ökonomen aus Wissenschaft und Lehre daran stellen, sind gemeinschaftlich nutzbare Weinbezeichnungen in der Regel meilenweit entfernt. Eigentlich fällt mir in der Welt der Weine nur eine einzige Gemeinschaftsmarke ein, die wenigstens ein bisschen in die Nähe einer Marke kommt, hinter der auf internationalem Parkett mehr als ein Fingerhut voll Wein steckt: die heißt Champagne.

Aber selbst die tut sich schwer, als klare Marke der reinen Lehre zu erscheinen. Belege gefällig? Wer sich in französischen Supermärkten mit offenen Augen umsieht, erkennt rasch den Knackpunkt der Geschichte. Wie? Was? Die Franzosen killen selbst eines ihrer nationalen Heiligtümer, werden sie fragen. Ja, immer mehr und immer öfter. Exakte Zahlen gibt es keine, aber so gut wie alle großen Handelsunternehmen, von Auchan, über Casino, Carrefour, Cora, Intermarché, Leclerc bis zu Super U und den Filialen der deutschen Discounttöchter von Lidl und Aldi bieten Champagner in Form von Eigenmarken an. Die heißen dann Charles Vallier, für den bei Aldi France (nördlicher Abschnitt) 14,99 Euro berappt werden muss, oder Bissinger & Co. bei Lidl-France, von dem es aktuell einen Champagne Rosé Brut für 16,99 Euro gibt. Billiger können die Franzosen im Übrigen in Deutschland einkaufen. Hier kostet der Champagner von Lidl wie bei allen Discountern einheitlich 12,99 Euro. Doch zurück zu dem, was die Franzosen verhökern. Carrefour bietet momentan seine Eigenmarke Charles de Courance in verschiedenen Varianten für 16,52 Euro und noch billiger einen gewissen Charles Vincent für 13,49 Euro an. Wie dem auch sei, neben all den Eigenmarken offeriert Carrefour für Prestigetrinker auch jede Menge Markenchampagner, die bis in Preisbereiche von 40 oder 50 Euro reichen. Doch die Wahrheit ist, wie jeder selbst erfahren kann, der sich zu Hochzeiten des Champagner-Absatzes in französischen Supermärken tummelt, dass mehr als ein Drittel vielleicht sogar die Hälfte des Champagners in Frankreich in Form von Eigenmarken der großen Handelsketten über die Ladentheken der Supermärkte rollt. Wie sieht es mit der Qualität aus, werden Sie fragen? Gegenfrage: Was würden sie als Produzent tun, wenn sie angesichts der Lockvogelangebote unter permanenten Preisdruck genommen werden?

Die Krux an der Entwicklung ist der schleichende Qualitätsverlust, der mit einer solchen Entwicklung einhergeht. Nein ich will nicht zu kritisch sein. Viele Eigenmarken-Champagner erweisen sich als ordentliche Produkte: ein bisschen Sauerkraut, ein bisschen Milchsäure, mal mehr, mal weniger Hefe-, Frucht- oder Nussnoten; es gibt Schlimmeres, mit dem man sich den Magen verrenken könnte. Doch reicht Mittelmaß, um als Marke bestehen zu können? Ökonomen wissen nur zu gut: Eine Marke hat nur Bestand, wenn sie auch die Qualitätsführerschaft für sich reklamieren kann. Der entscheidende Knackpunkt aller Gemeinschafts- und noch mehr aller Offizialmarken ist das Außenseiterproblem. Irgendeiner findet sich immer, der das gemeinsame Bestreben, die Qualität hoch zu halten, für einen billigen Vorteil unterläuft. Da mögen sich noch so viele in die Augen schauen und der ewigen Treue versichern. Kaum ist die Bande auseinandergelaufen, beginnen die Ersten die Verabredungen zu torpedieren. Der Wert einer Marke ist durch nichts zu ersetzen. Nur sie sichert dem Inhaber Handlungsspielraum zu. Mit komplizierten gesetzlichen Regeln werden Gemeinschaftsmarken geschaffen. Viel besser wäre es, Länder, Regionen oder Landschaften zu bewerben. Das könnte der Einzelne aufgreifen und zum Nutzen aller verwenden. »Made in Germany« wurde nie definiert und doch hat es sich als Marke durchgesetzt. Alle die es verwendeten, fühlten sich einer Idee verpflichtet. Das zählt mehr als alle Verordnungen.

Hermann Pilz [email protected]