Ausgabe 08/2017

Ein wundersames Land

WEINWIRTSCHAFT Ausgabe 08/2017

Italien ist Weinland, vielleicht mehr als jedes andere auf der Welt. Weinbau gibt es in allen zwanzig italienischen Regionen. Geographie, Klima und Böden geben es her. Logisch, dass die Bevölkerung seit jeher eine engere Bindung zum Wein hat als anderswo. Die italienische Küche ist ohne italienische Weine nicht denkbar und umgekehrt. Nirgends wird diese Symbiose von Land, Menschen und Wein deutlicher als auf der Vinitaly, der wichtigsten italienischen Weinmesse, die jährlich im April in Verona stattfindet.

Sie ist ein kunterbuntes Festival rund um Weine und italienische Speisen, das, so die Intention der Veranstalter, ganz unterschiedliche Erwartungen erfüllen muss. Einige von denen widersprechen sich allerdings kräftig. Die Vinitaly soll Besuchermagnet für Weinliebhaber und solche, die sich dafür halten, aus ganz Italien sein. So will es die Stadt Verona und ihre Provinz und so wollen es ihre Geschäftsleute und Hoteliers, die sich sprudelnde Umsätze rund um die Messe erhoffen. Die Erwartungen sind nicht von der Hand zu weisen und das Geld, das Besucher aus ganz Italien, insbesondere aus den wirtschaftlich wohlhabenden Nordregionen in Verona lassen, dürfte sich auf einen zweistelligen Millionenbetrag summieren. Besucher kommen in der Tat in Scharen und dass sie auf der Vinitaly willkommen sind, beweist allein schon die Tatsache fliegender Händler vor den Toren der Messe, die mit vorab gedruckten Eintrittstickets zum Preis von 40 Euro wedeln. Irgendjemand muss die schließlich vorher in Umlauf bringen.

Die Vinitaly soll jedoch auch Fachmesse sein. Sie soll das Interesse des nationalen wie internationalen Fachpublikums und genauso aller namhafter Weinproduzenten als Aussteller wecken. Das führt zu teils grotesken Situationen und an den Ständen zu einem Spagat sonders gleichen: Manche Firmen setzten auf burgähnliche Messe­bauten mit strikter Einlasskontrolle. Andere bevorzugen eine Zwei- oder gar Dreiteilung ihres Messestands in einen Konsumentenbereich, mit einer Imbisstheke für den Drink im Vorbeigehen, einen Bereich für alles, was sich auf der Messe an Gastronomen tummelt, und einen dritten Bereich, oft im Obergeschoss, der für Händler und Importeure sowie den vielköpfigen Tross der Honoratioren reserviert ist. Die Interessenlage ist so unterschiedlich, wie die italienische Weinbranche reich an Weinen und Produzenten ist. Dennoch scheinen sich irgendwie alle zu arrangieren und selbst Firmen, die sich ganz auf den Export italienischer Weine verlegt haben, bekunden Verständnis für das volksfestartige Getümmel.

Genau das macht den Reiz von Italiens Weinbranche aus: Es zählt das Ergebnis, das verwertbare Resultat, das was am Ende Messbares herauskommt. Und so sind auch die Themen besetzt, die handgestrickt, scheinbar ohne Systematik und am Ende doch erfolgreich diskutiert werden und Trends setzen. Dazu zählt alles was prickelt. Nicht weil sich deutsche Firmen bei Mionetto und Ruggeri engagiert haben und damit dokumentieren, wie wichtig und trendy italienischer Schaumwein und insbesondere Prosecco ist, sondern weil der Schaumweinkonsum weltweit boomt und italienische Weine Trends setzen. Der neue »Asti secco« ist so gut wie beschlossene Sache und nur noch eine Frage der Zeit, bis erste Produkte auf den Markt kommen. Als ein ebenso wichtiges Thema erweist sich der gesamte Appassimentokomplex.

Kaum ein international orientierter Anbieter der nicht einen Appassito, Appxximento oder sonst wie bezeichneter Wein dieser Art präsentierte. Im Valpolicella will man sich der Konkurrenz stellen und denkt über einen obligatorsichen Verschnitt von 15 Prozent Amarone in den Ripasso nach. Das soll dann die mitunter höheren Alkoholgehalte der Ripasso erklären. Man denkt halt pragmatisch in Italien, weshalb auch das Thema der Abfüllung im Anbaugebiet wie beispielsweise beim Soave die Branche weiter beschäftigt. Der wirtschaftliche Erfolg gibt Italien und seinen Produzenten Recht. Und wenn man in Deutschland erst beginnt, über die auf dem Kopf stehende Qualitätspyramide nachzudenken, haben die Italiener ihre Felder längst neu bestellt. Daran könnte man doch mal ganz pragmatisch Maß nehmen.

Hermann Pilz
Chefredakteur WEINWIRTSCHAFT
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