Ausgabe 08/2015

Wunschkonzert - Deutscher Wein verliert Marktanteile im In- und im Ausland. Die Ursachen sind hausgemacht.

Weinwirtschaft Ausgabe 08/2015

Deutscher Wein verliert Marktanteile im In- und im Ausland. Die Ursachen sind hausgemacht. Edelsteine sehen schön aus, sind selten, schwer zu finden und daher teuer. Der Gedanke besticht und gerne überträgt man die Erkenntnis auf andere Produkte. Also warum nicht: Man macht Wein rar und selten und schon steigt sein Preis. Was auf den ersten Blick logisch und wie ein kausaler Zusammenhang erscheint, erweist sich bei näherem Hinsehen als Denkfehler. Der Wunsch ist der Vater des Gedankens, aber dann wären auch alle Lotto-Millionäre.

Beim Wein funktioniert die Gleichung nicht, besser kann nicht funktionieren, da ein weltweites Angebot fehlende Mengen unmittelbar ersetzt. Dazu ist Wein in den Augen der Konsumenten zu wenig spezifisch. Edelsteine, Gold und Kunstwerke sind rare Produkte, bei denen Seltenheit und Einzigartigkeit ein integraler Bestandteil der Produkteigenschaften ist. Bei Wein stellt sich dagegen eine sprichwörtlich »teuflische « Abwärtsspirale ein: Wer aus Gründen der Marktbeeinflussung statt aus qualitativen Erwägungen weniger produziert, verliert Listungen und Absatz und gewinnt um keinen Deut höhere Preise für die verbliebene Menge. Die fehlenden Weine werden durch andere Herkünfte ersetzt. Wer das nicht glauben oder zur Kenntnis nehmen will, läuft auf dem abwärts gerichteten Pfad weiter, der irgendwann einer Grube gleich auf der Sohle endet. Man schafft sich gewissermaßen selbst ab.

Das kümmert die Unbelehrbaren nicht. Weinbau hat etwas Beständiges, ist der Scholle verbunden, man bleibt sich treu, auch in Denkfehlern. Also auf ein Neues: Man reduziert die Menge weiter. Wäre doch gelacht, wenn nicht irgendwann der Punkt erreicht ist und man endlich für das Wenige, was auf den Markt kommt, höhere Preise erzielt. Die Kunden müssen doch erkennen, dass der Wein mehr wert ist.

Müssen die Kunden nicht. Die sind frei in ihrer Einkaufsentscheidung. Ihr Anspruch an ein Glas Wein ist aufgrund ihrer beschränkten Bereitschaft, sich mit dem sehr individuellen Thema Wein zu beschäftigen, eher bescheiden. Selbst die, die viel trinken, haben nur begrenzte Ahnung von der Materie Wein. Man mag es sich anders wünschen, aber bisher hat noch keine seriöse Marktforschung für Wein etwas anderes zutage gefördert. Das ist auch der Grund warum sich die Discounter und der Lebensmittelhandel mit überwiegend durchschnittlicher Ware ein ordentliches Stück vom Kuchen abschneiden konnten. Dort spielt deutscher Wein immer weniger eine Rolle, mittlerweile liegt der Anteil an den Listungen bei rund 25 Prozent. Und die Marktanteile gehen mit rückläufiger Produktion kontinuierlich zurück, wie aus der Statistik unschwer zu erkennen ist. Wer dort aber Listungen verliert, was noch viel stärker für den Absatz auf den Exportmärkten zutrifft, sitzt wie ein Fisch auf dem Trockenen. Das freie Wasser erreicht man nicht mehr. Die Folgen sind tödlich. Man braucht sich über die rückläufige Entwicklung der Preise für deutsche Fassweine nicht wundern, trotz der beschränkten Mengen die heute verfügbar sind.

Es hilft nichts, man muss der Wahrheit ins Auge blicken. Mit Gesetzen und Restriktionen kann man keinen Markt regulieren, geschweige denn erobern und schon gar nicht eine Flasche Wein verkaufen. Man verheddert sich vielmehr in überbordender Bürokratie und ungerechten Lösungen. Es braucht etwas ganz anderes. Den Willen und den Mut freier Unternehmer, die in jeder Sekunde ihres Daseins eine Chance sehen, die mit geschickter Anpassung die Gleichung aus menschlichen Bedürfnissen, die daraus entstehende Nachfrage, durch ein entsprechendes Angebot befriedigen. Nicht Grabesruhe, sondern das virtuose Spiel auf den Instrumenten des Marketing sind gefragt. Das Leben ist und bleibt kein Wunschkonzert und schon gar nicht der Weinmarkt auf einem für alle Anbieter offenen Markt.

Hermann Pilz [email protected]