Ausgabe 07/2014

Einig Volk von Schnäppchenjägern?

Wenn Messen das Abbild ihres Marktes sind, dann trifft das für die ProWein in besonderem Maße zu. Deutschland stellte auf der jüngsten Ausgabe der ProWein mit 850 von 4.800 weniger als ein Fünftel der Aussteller, darin eingeschlossen sind allerdings auch alle Anbieter ausländischer Weine, sofern sie ihren Firmensitz in Deutschland haben. Etwas besser sieht’s mit Blick auf die gebuchte Standfläche aus: Mit rund 18.000 Quadratmetern entfällt ein Drittel der ProWein-Fläche auf Anbieter aus Deutschland. Ist die Messepräsenz ein Fingerzeig auf die Position im eigenen Land? Sind die deutschen Weinanbieter Marktführer, aber weit von einer Führungsposition entfernt? Die Grundlage für eine Top-Position am Markt bilden in aller Regel hohe Produktqualität, klare Markenkonzepte und vom Hersteller kontrollierte Preisstrategien. Quantität und Präsenz auf Messen müssen kein Nachteil für die Produkte aus dem eigenen Land sein. Beim Wein scheinen die Zeichen etwas anderes zu zeigen: Der Konsum summiert sich laut Weinmarktbilanz in Deutschland auf 20 bis 21 Mill. Hektoliter, davon stammen rund 7,5 Mill., etwas mehr als ein Drittel, aus Deutschland. Oder anders gesagt: Nahezu zwei Drittel der in Deutschland konsumierten Weine werden aus dem Ausland importiert. Es muss also nicht erstaunen, wenn die über den Daumen kalkulierte Präsenz auf der ProWein und der von deutschen Weinen reklamierte Marktanteil so gut übereinstimmen. Aus den Zusammenhängen wird deutlich, wie wichtig internationale Anbieter und Besucher für den Erfolg der ProWein sind. Von den registrierten 48.000 Besuchern stammten immerhin 45 Prozent aus dem Ausland. Die ProWein macht ihrem Ruf als internationale Drehscheibe für Wein alle Ehre. In einem solchen Umfeld müssten deutsche Weine als Marktführer eigentlich vorneweg segeln. Doch dem ist nicht so. Deutsche Anbieter sehen sich mit einem Verlust an Marktbedeutung konfrontiert: Ihre Marktanteile sinken, im Gegenzug steigen die Preise nicht im gleichen Maße. Auf längere Sicht droht angesichts der nach unten regulierten Menge die Auslistung aus den Sortimenten. Die Probleme haben ihren Ursprung in den gesetzlich vorgegebenen Produkt- und Marketingstrategien, im beinharten Wettbewerb des Handels um Marktanteile und im Verhalten der Konsumenten, auf der Jagd nach günstigen Schnäppchen. Das belegen jüngste Beispiele wieder eindrucksvoll, vor denen auch hochpreisige Produkte und ausländische Anbieter nicht gefeit sind. Es kann nicht oft genug gesagt werden: Wer in Zeiten von Discount und Internet nicht weiß, welches Produkt, von wem, zu welchem Preis verkauft wird, ist verraten und vekauft. Für Wirbel sorgte jüngst die Metro, die, wie ein Informant wissen ließ, zum wiederholten Mal einen Riesling vom VDP-Mitglied Kloster Eberbach für 4,99 Euro zuzüglich MwSt. offerierte. Man kann über den Preis streiten, aber er ist doch um einiges davon entfernt, wo der VDP die Weine seiner Mitglieder gerne positioniert sehen würde. Immerhin trug die Flasche das Wappentier des Verbands auf der Kapsel. Einigen Anbietern im Rheingau stieß die Offerte sauer auf, denn Preise haben Signalfunktion und wirken sich aufs Image aus. VDP-Signale sandte auch Aldi Süd in den letzten Wochen aus und offerierte passend vor Ostern einen Riesling Classic aus dem Rheingau vom VDP-Weingut Hans Lang für 6,99 Euro. Der Preis ist recht zahm für Aldi und der Literpreis mit umgerechnet 9,32 Euro gar nicht so schlecht. Das passt und der neue Eigentümer des Weinguts darf sich durchaus glücklich schätzen. Apropos glücklich, das waren einige Fachhändler auf der ProWein ganz und gar nicht. Spanienspezialist Wein & Vinos, Tochtergesellschaft von Hawesko, offerierte unter der knalligen Überschrift »So sehen Sieger aus!« ein Paket mit sechs »goldprämierten« spanischen Weinen mit einem Preisvorteil von »50 Prozent«. Statt 161,50 Euro mussten die Kunden für die sechs Weine vom Kaliber eines Hipperia 2009 von Vallegarcia, die im Normalfall zwischen 14,95 und 39,90 angeboten werden, nur 79,90 Euro berappen. Das Angebot war binnen kurzer Zeit ausverkauft. Wein & Vinos lud neue Weine nach. Es stimmt also doch: Deutschland, ein einig Volk von Schnäppchenjägern.

Hermann Pilz [email protected]