Ausgabe 06/2017

Den Wandel vollzogen

WEINWIRTSCHAFT Ausgabe 06/2017

Ob die ProWein ein Erfolg war, kommt auf die Perspektive jedes Einzelnen an. Die Ansichten werden so unterschiedlich sein, wie es eine Vielzahl an Ausstellern und Besuchern gibt. Unübersehbar ist der vollzogene Wandel der ProWein: Sie ist zur wichtigsten internationalen Drehscheibe für Wein, Sekt und Spirituosen geworden. Hier treffen Einkäufer und Fachbesucher aus über 130 Ländern der Erde auf das weltweite Angebot von Winzern, Weingütern und Kellereien aus 60 weinbautreibenden Ländern. Hier ist so gut wie alles vertreten, was in der Welt der Weine Rang und Namen hat. Auf der ProWein treffen Einkäufer aus den USA, Kanada, Skandinavien, Lateinamerika, Afrika, Asien und ganz Europa ihre Lieferanten aus den wichtigsten Weinbauländern. Ein großer Erfolg für die ProWein und die Messe Düsseldorf, die wie immer mit ihrer Vielzahl an Pluspunkten, einer optimalen Messeinfrastruktur, einer professionellen Organisation und dem, im Verhältnis zu anderen Messen, noch immer bezahlbaren Aufwand punkten kann. Da wo es klemmt, bessert die Messe rasch nach und so werden die überlasteten Kommunikationsnetze im nächsten Jahr keinen Grund mehr zur Klage liefern, wie Michael Degen, Bereichsleiter und Prokurist Inlandsmessen, versicherte. Die Messe werde einen Millionenbetrag in den Netzausbau investieren.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der deutsche Markt, vertreten durch 15 Prozent der Aussteller, die ein Viertel der Fläche belegten, und wahrscheinlich nur mehr die Hälfte der Besucher, nicht mehr im Zentrum der Messe steht. Auch wenn an manchen Tagen die von deutschen Ausstellern besetzten Hallen am besten frequentiert schienen. Das ist ohne Frage der Attraktivität guter deutscher Winzerweine geschuldet und sichtbarer Ausdruck, dass sich die Weine bei ihrer Klientel aus Handel, Gastronomie und Weinenthusiasten großer Beliebtheit erfreuen. Ganz im Gegensatz zur Entwicklung im Export. Noch nie war der deutsche Weinbau in so labiler Lage,  denn als Absatzmarkt spielt nur noch der Inlandsmarkt eine Rolle. Als Ventil selbst bei kleinsten Überhängen ist man gnadenlos auf LEH und Discounthandel angewiesen. Das kann böse ins Auge gehen, wie der Pfälzer Winzer Christoph Hammel in der spannenden Diskussion und Verkostung von Liebfraumlich-Weinen am Stand des MEININGER VERLAG als bedrohliches Menetekel an die Wand malte.

Unüberhörbar waren auf der Messe die positiven Stimmen der Aussteller, die eine große Zahl internationaler Kunden an ihren Ständen begrüßen konnten und internationale Märkte im Visier haben. Wer dagegen allein auf den deutschen Markt zielte, stimmte eher leise Töne an. Der Eindruck, dass weniger deutsche Fachhändler und Gastronomen der ProWein einen Besuch abstatteten, dafür aber mehr Besucher aus dem Ausland kamen, hatten viele unserer Gesprächspartner geäußert. Deswegen stellt kaum ein Aussteller die Messe als wichtigste Plattform für den Handel mit Wein in Frage, doch der Eindruck bleibt, dass sich der Charakter der Messe gründlich gewandelt hat. Damit ist die ProWein ein unverstelltes Spiegelbild der Weinmarktsituation in Deutschland. Deutsche Weine spielen auf internationalem Feld kaum eine Rolle mehr. Mit orangenen Papphüten und Jubel über den deutschen Export in die Niederlande sind die Verluste im Exportgeschäft nicht wett zu machen. Rund 76 Mill Liter Wein flossen im vergangenen Jahr nach Holland, doch davon waren knapp 60 Mill. Liter reexportierte Auslandsweine. Deutschen Weinen kommt da wohl eher die Rolle des schmückenden Beiwerks zu.

Für eine verhaltene Stimmung auf dem deutschen Parkett sorgte der schwache Verlauf der ersten Monate 2017. Die Erklärung, warum die Umsätze bei vielen in den ersten Monaten teilweise zweistellig im Minus lagen, lieferte ein Blick auf den Kalender. Die Feiertage zu Weihnachten fielen ungünstig. Die Deutschen haben gearbeitet, statt zu feiern. Der Handel hatte sich jedoch bevorratet und schob deshalb eine Bugwelle vor sich her, die Anfang des Jahres abverkauft werden musste. Aktuell scheint das Geschäft wieder besser zu laufen. Bleiben wir optimistisch.

Hermann Pilz
Chefredakteur WEINWIRTSCHAFT
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