Ausgabe 05/2018

Alternative Wahrheiten

Titel WW5/18

Das Timing passt. Vermutlich sollen die Einkäufer der Handelsketten wenige Tage vor der ProWein nochmal so richtig eingenordet werden: »Kauft ja nicht zu teuer ein. Billig ist Trumpf«, lautet die Botschaft, die auf Basis von Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) wenige Tage vor der Eröffnung der ProWein den Einkäufern auf den Weg gegeben wurde.
Nur beim Ab-Hof-Verkauf und beim Vertrieb durch Fach- und Online-Handel würden die Verbraucher etwas mehr berappen. Aber die spielten kaum eine Rolle. 79 Prozent der Weine, will die GfK Glauben machen, würden im Lebensmittelhandel eingekauft. Den dominieren mit 50 Prozent Marktanteil die Discounter. Weitere 18 Prozent aller hierzulande käuflich erworbenen Weine sollen sich die Verbraucher bei den klassischen Supermärkten besorgen, will heißen bei Rewe und Edeka um die Ecke und ganze 11 Prozent bei den großen SB-Warenhäusern auf der grünen Wiese.
Absender der Botschaft, die jede noch so kleine Hoffnung auf Besserung des preisgetriebenen deutschen Weinmarktes im Keim erstickt, ist das Deutsche Weininstitut (DWI), seines Zeichens amtlich bestellter Werber für Wein in Deutschland. Für die Bestandsaufnahme bemüht das DWI die Marktforscher der GfK, und die erledigen ihr blutiges Handwerk, den Markt zu richten, mit stoischer Gelassenheit. Der deutsche Markt ist, wie er ist, mies, Basta.
Aber rechnen wir doch mal nach, was so ein Einkäufer für Wein ausgeben darf, wenn’s stimmt, was die GfK vor der wichtigsten internationalen Weinmesse der Welt zum Besten gibt. 2,92 Euro pro Liter soll der Durchschnittspreis für Wein betragen, behauptet die GfK. Ergibt einen Flaschenpreis für die übliche 0,75-Literflasche von 2,19 Euro. Davon zwackt sich Vater Staat erst mal 19 Prozent Märchensteuer ab, bleiben also 1,84 netto in der Kasse des Handels hängen. Umsonst füllt der Handel seine Regale nicht und will, was sicher nicht zu viel ist, eine Bruttomarge von, sagen wir mal, 30 bis 40 Prozent. Unterm Strich bleibt also für die abgemagerte Pulle ein Einkaufspreis von rund 1,30 Euro übrig. Die Kosten für Material, Abfüllung, Logistik, den Vertrieb, das bisschen Marketing und Werbung und was sonst noch an Ausgaben hinzukommen, liegen bei wenigstens 70 bis 80 Cent pro Flasche, will die Kellerei auch morgen noch am Markt agieren und nicht wie kürzlich eine Kellerei in Bingen als Abmelkkuh den Gang zum Schlachter antreten. Bleiben für den Wein in der Flasche realistisch 0,50 bis 0,60 Euro oder, je Liter, nicht mehr als 60 bis 80 Cent übrig. Da macht der Weinbau doch so richtig Spaß. Das hat Zukunft, werden sich viele Jungwinzer sagen. Bleibt ein Rätsel wie angesichts dieser Zahlen sich so viele Weinanbieter auf der ProWein tummeln. Die müssen anderes als den deutschen Markt im Visier haben.
Oder sind die GfK-Zahlen nur alternative Fakten? Wie viel Zutrauen zu der GfK-Weinmarktanalyse man haben darf, oder dem was bislang davon bekannt wurde, lässt sich an den verkündeten Marktanteilen der wichtigsten ausländischen Anbieter ablesen. Die liegen laut GfK für Italien, Frankreich und Spanien bei 16, 12 und 8 Prozent für Umsatz wie für Absatz. Kann das richtig sein? Die Marktforscher hätten sich mal die amtliche Importstatistik zu Gemüte führen sollen. Französische Weine kosten mit Einfuhrpreisen von über 3 Euro durchschnittlich doppelt so viel wie Italienische und dreimal so viel wie Spanische. Das Verhältnis von höherpreisigen Herkunfts- zu billigen Grundweinen liegt bei allen drei Ländern bei ungefähr 20 zu 80. Also müssten französische Weine aufgrund des dreimal höheren Preises einen prozentual deutlich höheren Umsatzanteil besitzen. Haben Sie aber nicht laut GfK. Also ist es wie immer: Jeder glaubt, was er mag und seien es alternative Wahrheiten. Da muss man sich dann auch nicht über die trotzig gestimmte Titelzeile der Pressemitteilung wundern: »Deutsche Weine behaupten sich in schwierigem Marktumfeld«. Na dann.

Hermann Pilz
Chefredakteur Weinwirtschaft
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