Ausgabe 05/2016

Im Raubtiergehege
WEINWIRTSCHAFT Ausgabe 05/2016

Jedes Gewerbe hat seine Kniffe. Der Online-Handel steht im Rampenlicht und bietet jede Menge Angriffsfläche.

Die meisten Unternehmen scheitern nicht an ihren Ideen sondern an ihrer Ausführung. Diese Erfahrung machen im Moment viele der in den letzten Jahren gegründeten Internet-Shops. Derzeit tummeln sich auf dem deutschen Markt geschätzte 1.500 bis 2.500 Online-Shops allein im Weinbereich. Die Dunkelziffer existierender aber nicht aktiver Shops ist groß. Viele werden die nächsten Jahre nicht überleben. Dennoch dürfte die Zahl inzwischen an die der stationären Läden heranreichen, sieht man einmal vom Lebensmittelhandel ab. Den Kern der Onlinegeschäfte bilden die mehr oder weniger professionell gestalteten Shop-Programme. Sie erlauben die Präsentation der einzelnen Artikel des Sortiments und bieten dem Kunden im Idealfall die bequeme Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen der gewünschten Weine. Dass sich so was organisieren und mit Unterstützung leistungsfähiger EDV-Systeme in die Realität umsetzen lässt, macht Branchenführer Amazon klar, der geschätzte 1,8 Millionen Artikel über sein System verwaltet und offeriert. Wer will, kann einen solchen Shop in abgespeckter Form für 15.000 bis 20.000 Euro maßgeschneidert erwerben. Immerhin verfügt der Online-Shop dann über ein einigermaßen professionelles System und der Betreiber kann sich den anderen Fallstricken zuwenden, die der boomende Onlinehandel bereithält. Dazu zählt die thematische Ausrichtung des Shops und die Auswahl der Lieferanten und der einzelnen Weine. Damit ist man dann mittendrin im Konkurrenzkampf mit anderen und den Grundproblemen des Handels mit Wein: Der ist entweder als anonymer Tropfen billig oder mit bekanntem Namen entsprechend teuer. Zwischen beiden Polen liegen unendlich viele Schattierungen, die mal mehr und mal weniger Investitionen ins Marketing verlangen. Aus dem Dilemma der unmittelbaren Preisvergleichbarkeit kommen die Onliner, ob mit Eigenmarken, limitierten Verkäufen oder dem Winzerdirekteinkauf nicht heraus.
Die Folgen sind in der ganzen Weinbranche spürbar: Die Margen für den Handel sinken und die Kunden kaufen dann, wenn es scheinbar ein Schnäppchen zu erwerben gibt. Üppig Geld auf bequeme Weise wird man also nicht verdienen, weshalb über kurz oder lang viele die Lust verlieren dürften und sich nicht mehr intensiv mit ihren Shops befassen. Das wäre aber dringend geboten, denn nichts veraltet so schnell als Informationen und angebotene Waren im Internet. Auch das wäre noch zu ertragen, würde der Onlinehandel nicht seinem ureigensten Prinzip der Öffentlichkeit ins Messer laufen. Schneller als der Betreiber sich versieht, veraltet sein Shop. Die Fallstricke liegen im Kleingedruckten und so ist Insidern zufolge bereits jeder vierte Online-Shop Opfer einer Abmahnung oder juristischen Auseinandersetzung geworden. Das Spiel hat System und der Gegner ist mit allen Wassern gewaschen und zudem hungrig. Er reißt tiefe Wunden und weidet seine Gegner nach allen Regeln der Kunst aus. Der Berufstand der Juristen hat sich in den letzten zwanzig Jahren auf über 165.000 zugelassenen Anwaltskanzleien vermehrt wie die sprichwörtlichen Karnickel. Im Vergleich zu 1990 hat sich der Berufsstand glatt verdreifacht und alle wollen schließlich satt werden. Haben Juristen keine Beschäftigung, dann schaffen sie sich selbst eine. An Ideen mangelt es nicht.
Das 2004 reformierte Wettbewerbsrecht liefert ein hervorragendes Betätigungsfeld. Im Verein mit – natürlich von Juristen gegründeten Verbraucherschutzvereinen oder sonst im mildtätigen Gewerbe arbeitenden Organisationen – werden geniale Geldmaschinen konstruiert. Die finanzielle Basis schafft die Gebührenordnung und die ans Absurde grenzenden Streitwerte in Zivilprozessen. Aus Lappalien, wie ein paar Weinen, bei denen die Grundpreisangabe, die Allergenkennzeichnung oder sonst ein Bio-Firlefanz nicht erfolgte, können im Handumdrehen existenzbedrohende Streitfälle mit einem Risiko von mehreren Zehntausend Euro entstehen. Auch die Großen sind nicht davor gefeit. So musste die Rewe Insidern zufolge auch schon mal 250.000 Euro in einem Streitfall an einen Verein bezahlen. Und der trug weder das Rewe-Logo noch spielte er Fußball.
Hermann Pilz [email protected]