Ausgabe 03/2016

Vorsicht Ente - Der deutsche Weinmarkt schrumpft und rutscht ins Minus. Gefährlich, wer daran seine Investitionen festmacht

Weinwirtschaft Ausgabe 03/2016

Minus 3,7% bei Wein und Sekt in D. 23,3 statt 24,4 Liter pro Kopf – Trinkweinbilanz DWV. Die Auslandsweine trifft es härter«, so twitterte SWR1-Weinmann Werner Eckert, und sein öffentlichrechtlicher Radiosender wiederholte zu jeder vollen Stunde die miese Nachricht. Zig andere Blätter und Nachrichtendienste übernahmen die Meldung, die der Deutsche Weinbauverband mit Datum vom 22. Januar 2016 als Trinkweinbilanz für das Wirtschaftsjahr 2014/2015 unters Volk gestreut hatte. Selbst in Österreich vermeldeten die Medien den deutlich geschrumpften deutschen Weinmarkt. Eine ganze Argumentationskette legten sich die Interpreten der Daten zurecht, die vom Rückgang der Käuferhaushalte, dem Schwinden der Attraktivität von Wein bis hin zur Überalterung der Gesellschaft reichten. Einziger Lichtblick schienen deutsche Weine zu bieten, die wie etwa das GfK-Haushaltspanel ergänzend zeigte, wenigstens wertmäßig eine Steigerung aufwiesen. Deutsche Weine würden in höhere Preisgefilde abwandern, und darauf komme es doch schließlich an, rangen sich die Zahlenakrobaten ab. Man glaubt, was man glauben will, statt kritisch zu hinterfragen, wie denn die Trinkweinbilanz zustande kommt. Das ist bequem, im besten Fall einfallslos, wird seriösem Journalismus jedoch in keiner Weise gerecht.

Die Trinkweinbilanz setzt sich aus den Anfangs- und Endbeständen zusammen, die jeweils zum 31. Juli eines Jahres an das Statistische Bundesamt gemeldet werden. Zum Anfangsbestand werden die Weineinfuhren und die deutsche Weinernte addiert und davon die Weinausfuhren sowie die für andere Zwecke verwendeten Weine abgezogen. Zu guter Letzt wird der Endbestand des Folgejahres subtrahiert, woraus sich die »vermarktete Menge« ergibt, in diesem Fall für den Zeitraum von August 2014 bis Juli 2015. Der Rechnung zufolge lag das Volumen um rund 700.000 Hektoliter unter dem des Vorjahres, woraus der oben genannte Rückgang von 3,7 Prozent resultiert und natürlich auch der Pro-Kopf-Verbrauch sinkt, wie die Nachrichtendienste mit penetranter Hartnäckigkeit verbreiteten. Jedem hätte jedoch bei genauem Hinsehen ins Auge springen müssen, dass der Weinbestand zum Stichtag 2015 unverhältnismäßig stark angestiegen war. Über dessen Entwicklung gibt das Statistische Bundesamt in der Fachserie 3, Reihe 3.2.3 Auskunft und listet dort brav die Bestände nach Bundesländern auf. Schon auf den ersten Blick erkennt man ein kleines Wunder: Statt der sonst zu diesem Zeitpunkt üblichen 400.000 bis 500.000 Hektoliter, die in bayerischen Kellern bei Erzeugern und Handel lagern, weist das Land auf einmal Weinbestände von fast 1,1 Mill. Hektolitern aus. Jene rund 600.000 Hektoliter mehr, die dem Weinmarktvolumen gegenüber dem Vorjahr fehlen. Das muss man sich mal vorstellen: Da hat jemand in Bayern einen Topf mit 60 Mill. Litern aufgestellt und mit 2.400 Lastzügen à 25.000 Litern gefüllt. Doch weder die fränkischen Erzeuger, noch die Handelskellereien und auch nicht der in Bayern ansässige Lebensmittelhandel können sich solche Volumen erklären. Im Gegenteil, man fahre in dieser Zeit die Bestände bewusst nach unten.

Ein Statistikfehler. Da hat jemand eine Kommastelle falsch gesetzt und die unbedarften Kommentatoren machen daraus gleich eine veritable Falschmeldung mit allem was an kruden Argumenten hilfreich erscheint. »Der deutsche Weinmarkt rutscht erstmals seit Jahren unter die Marke von 19 Mill. Hektolitern«, kommentierte ein Kollege. Wenn das nicht naiv ist. Die Wahrheit ist eine andere: Berücksichtigt man, dass die Weineinfuhren in Höhe der ausgewiesenen 15,4 Mill. Hektolitern sich aus prozentual auf den Berichtszeitraum umgerechneten Daten handeln und die wirklichen Importe, wie die endgültigen Zahlen für den Weinimport 2014 belegen, bei rund 15,9 Mill. Hektolitern lagen, dann weist der deutsche Weinmarkt kein Minus sondern einen leicht Zuwachs auf. Hätte mich auch gewundert, wenn es anders gewesen wäre. Jetzt dürfen alle Zahlenverdreher ordentlich zurückrudern und getrost zur Kenntnis nehmen: Trau keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast.

Hermann Pilz [email protected]