Ausgabe 01/2014

Marke zählt

Die Weinbranche prosperiert und erschließt sich weltweit neue Märkte. Wein wird in immer mehr Ländern der Erde konsumiert und hat sich zu einem internationalen Handelsgut erster Güte gemausert. Angesichts eines Branchenumsatzes von weit über 100 Milliarden Euro braucht sie den Vergleich mit wichtigen Rohstoffmärkten oder selbst Industriezweigen wie der Chemie- oder Elektronikbranche nicht zu scheuen. Nicht minder erfreulich: Wein ist weniger denn je skandalisiert. Der Konsum hält sich in moderaten Grenzen, die Qualitäten sind besser als jemals zuvor. Wer sich berauschen oder aus dem Alltag kicken will, dem bieten sich – immer häufiger legal – viele andere Möglichkeiten. Die Konsumniveaus der alten Agrarstaaten mit Pro-Kopf-Verbräuchen von über hundert Liter Wein dürften für alle Zeiten passé sein. Damals waren die Volkswirtschaften Frankreichs, Italiens oder Spaniens noch durch die Subsistenzwirtschaft von Millionen von Kleinbauern geprägt, deren Mahlzeiten vornehmlich aus Schafskäse, Brot, Oliven und Wein bestanden. So romantisch und verlockend manchem die Vorstellungen vorindustrieller Ernährungsweisen heute auch erscheinen mögen, die Zeiten kommen nicht wieder. Der Wandel in Gesellschaft, Konsum und Handel hat natürlich großen Einfluss auf Etikettierung, Darbietung und Produkterscheinung von Wein genommen. Modernes Marketing gehört mehr denn je zu einer erfolgreichen Geschäftstätigkeit im Weinsektor. Wein ist nicht länger landwirtschaftliches Produkt, was mancherorts offenbar noch nicht zur Kenntnis genommen wurde. Dreh- und Angelpunkt für Erfolg am Markt ist der Aufbau einer Marke, und zwar auf jeder Ebene, ob im Bereich der Erzeugung oder der Dienstleistung im Handel. Eine Marke allein garantiert Erfolg und Bestand in der Branche. Der Aufbau einer Marke ist jedoch ein schwieriges Unterfangen und von vielen Unwägbarkeiten begleitet. Die neuere Wahrnehmungs- und Hirnforschung liefert eine Menge Erkenntnisse, wie die Empfänger Marken erfassen und neuronal verarbeiten. Man kann vieles richtig und schnell etwas falsch machen, wofür es auch im Weinbereich unzählige Beispiele gibt. Wer erinnert sich noch an die Markenausweitung von Blanchet, die Maß nahm an der Marketingstrategie des Beiersdorf-Konzerns und seiner Markenrange Nivea. Ausweitung des Produktportfolios um jeden Preis schien die Devise. Beide scheiterten kläglich. Blanchet ist heute wieder das, was es immer war, ein Wein in neun verschiedenen Varianten vom Weiß- bis zum Roséwein, aber immer mit klarer Herkunft Frankreich. Marken sind Träger von Bedeutungen und werden auf komplexe Weise und auf verschiedenen Ebenen vom Konsumenten wahrgenommen, heißt heute einer der Lehrsätze modernen Marketings. Entscheidend ist, dass die Markenmacher und die Konsumenten der Marke dieselbe Bedeutung zuschreiben, formulierte es vor Kurzem der Markenforscher Klaus W. Bielefeld in der FAZ. Wer erfolgreich ist, hat diese Lektionen gelernt, auch wenn die Entwicklung von Marken oftmals eher intuitiv denn diskursiv erfolgen dürfte. »Wir setzen uns mal hin, lassen die Gedanken fließen und entwickeln eine Marke«, ist eher Wunschtraum als Wirklichkeit. Ein Paradebeispiel für die Schaffung einer erfolgreichen Marke ist der »Fabelhaft« von Dirk Niepoort. Der »Fabelhaft « hat sich erneut nach 2009 und 2011 in unserem Wettbewerb »Die 100 Weine des Jahres« als Sieger in der Kategorie »Bester Rotwein« durchgesetzt. Die Qualität der Reserva aus dem Dourotal ist erstklassig. Absatzvolumen, Etikett, Aufmachung, Vertrieb und Preisstellung sind vorbildlich und ergeben ein Markenkonzept, das vom Konsumenten offenbar verstanden und akzeptiert wird. Beim »Fabelhaft « funktioniert die Marke als Träger von Bedeutungen, die die angesprochenen Konsumenten erreichen. Es ist wie ein Resonanzboden, der auf gleicher Wellenlänge wie der Tongeber schwingt. Der Wettbewerb »Die 100 Weine des Jahres 2013« hat sich zu einem der wichtigsten Tests in der Weinbranche gemausert und branchenweit höchste Anerkennung gefunden. Mehr als 800 Weine und Schaumweine wurden eingereicht und anhand des Kriterienkatalogs verkostet und bewertet. Wer sich unter den ersten hundert Weinen findet, hat gute Zukunftsaussichten.

Hermann Pilz [email protected]