Foto: Renate Weber
Foto: Renate Weber

Vergleichsprobe Forster Pechstein & Kirchenstück

Forst ist eines der beschaulichsten und schnuckeligsten Weindörfer der Pfalz. Auffallend sind die vielen herrschaftlichen Anwesen, großen Innenhöfe und selbst die eher landwirtschaftlich geprägten Gebäude vermitteln den Eindruck, dass es den Leuten hier schon sehr lange gut geht. Forst ist schließlich seit Jahrhunderten für seinen Wein bekannt. 

Kirchenstück vs. Pechstein „feminin“ oder „maskulin“

Die berühmtesten Forster Lagen liegen westlich des länglichen, Nord-Süd ausgerichteten Dorfes in Richtung Pfälzerwald. Direkt an die Dorfbebauung anschließend folgen nacheinander (von Süd nach Nord) die Lagen Freundstück, Kirchenstück und Jesuitengarten. Unmittelbar daran schließt sich nördlich der Pechstein an, der sich vom Kirchenstück schon dadurch unterscheidet, dass er außerhalb des Dorfes liegt, vier mal so groß ist und sich diese Ausdehnung Richtung Wald bis zum Musenhang hochzieht, der in einem schmalen Streifen die übrigen Lagen vom Wald trennt.

Pechstein – der Basaltbrocken

Der Pechstein ist eine mit geringer Hangneigung nach Südosten ausgerichtete, 15 Hektar große Lage. Sein Name leitet sich vom hohen Basalt-Anteil des Bodens ab. Dieses schwarze Gestein verteilte vor Urzeiten ein Vulkan, der Pechsteinkopf, der oberhalb des heutigen Dorfes Forst lag. Der Basalt findet sich nicht nur in zahlreichen Adern im Unterboden, sondern ist auch auf der Bodenoberfläche zu sehen. Des Weiteren bestehen die Böden aus Buntsandsteinverwitterungen und sandigem Lehm, teilweise durchsetzt von Sandsteingeröll und Ton, was für eine gute Wasserspeicherung sorgt. Den Weinen des Pechstein spricht man gerne eine eigene Mineralität zu (Feuerstein vom Basalt), sie fielen zitrusfruchtig aus, seien charaktervoll mit Ecken und Kanten, dabei finessenreich, filigran, schlank und lang. Ihr Tiefgang sorge für enorme Lagerfähigkeit.

Kirchenstück – die Diva

Das Kirchenstück ist die renommierteste Lage der Pfalz. Schon 1828 wurde bei einer Landaufnahme des Königsreichs Bayern, zu dem die Pfalz damals gehörte, dem Kirchenstück die höchste Punktzahl zugesprochen. Keine andere Pfälzer Lage kam in diese höchste Bodenbonitätsklasse, sozusagen eine frühe Große Lage. Ihre Besonderheit ist die Ortsrandlage direkt hinter der Forster Kirche und der Einschluss durch wärmende Sandsteinmauern, was kleinklimatische Einflüsse in Form von nächtlichen warmen, trocknenden Windströmen auslöst. Obwohl die Lage sehr klein ist (3,67 Hektar), weist sie eine vielfältige Bodenbeschaffenheit auf: Buntsandstein-Geröll, Kalkstein-Geröll, sandiger Lehm, Basalt ... Dieser pedologische Mix soll für die Vielschichtigkeit und aromatische Vielfalt der langlebigen Weine verantwortlich sein. Sie werden als dicht, sehr saftig, mineralisch, elegant und lang beschrieben.

Die Verkostung: kein Heimspiel

Wir verkosteten zehn Kirchenstück und 20 Pechstein verschiedener Jahrgänge fast aller Winzer. Natürlich stand der aktuell verfügbare 2013er im Fokus, aber auch ältere Jahrgänge waren gefragt, um Erfahrungen zum Entwicklungspotenzial zu sammeln. Immerhin neun Betriebe besitzen Rebflächen in beiden Lagen, teilen sich also auch das kleine Kirchenstück. Unter diesen mochten nur Bürklin-Wolf (Wachenheim), Werlé Erben (Forst) und die Forster Winzer (die örtliche Genossenschaft) ihre 2013er Weine nicht präsentieren. Von den übrigen Betrieben mit Besitz im Kirchenstück und im Pechstein haben drei ihren Sitz nicht in Forst, sondern in Deidesheim, die Niederberger-Güter-Trilogie Bassermann-Jordan, Buhl und von Winning. Die drei restlichen Ansteller sind echte Forster Winzer, die drei alt eingesessenen Betriebe Acham-Magin, Heinrich Spindler und Eugen Müller. Acht weitere Weingüter verfügen über Flächen im größeren Pechstein, nicht aber im Kirchenstück. Sechs unter diesen sind Forster Weingüter, eines sitzt in Wachenheim (J. L. Wolf) und eines in Bad-Dürkheim (Karl Schaefer). Von den Forster Pechstein-Erzeugern fehlten nur die soliden Weine von Nikolaus Werlé und die eigenwillig-urigen Tropfen von Werlé Erben.

Lagenunterschiede: kräftige Eleganz versus elegante Kraft

Das reizvolle an einer derartigen Vergleichsprobe ist, eventuelle Lagentypizitäten herauszuschmecken. Das ist ein heikles Unterfangen und drängt sich nicht wirklich auf. Der „expressive Lagencharakter“, den der VDP für seine Großen Gewächse fordert, ist also schwer auszumachen. Dennoch kamen wir zu einem Ergebnis. Um es auf einen Nenner zu bringen: Das Kirchenstück wirkt zarter, subtiler, „femininer“, mit mehr Frucht (helle bis gelbe Früchte), da von kalkhaltigerem Boden.Pechstein erscheint strukturierter, kräftiger, „maskuliner“, vielleicht mit mehr kräutriger Würze, Rauch, Speck ...

In der Aromaausprägung lassen sich keine klaren Unterschiede definieren. Dafür spielen Gesundheitszustand der Trauben, Erntezeitpunkt und die komplexen Arbeitsschritte im Keller eine zu große Rolle. Denn eines ist ganz klar: Der Hausstil dominiert das Terroir. Das wird beim 2013er, der die Winzer vor große Herausforderungen stellte, sehr deutlich. Die Weine zeigen sich nicht wie in großen Jahren mit lässiger Selbstverständlichkeit, sondern ein bisschen bemüht. Frisch aufgemacht sind die besten unter ihnen ansprechend fruchtig-frisch, doch wenn die erste Fruchtigkeit verfliegt, merkt man die unreifen Säuren, die bisweilen für ein bitteres Finale sorgen. Aus diesem Grunde schaffte in 2013 auch keiner den „Weltklasse“-Rang (ab 95 Punkte aufwärts). Das vom VDP für Große Gewächse geforderte „besondere Reifepotenzial“ bringen sie dennoch mit, wenn auch nicht so wie in den Vorjahren. Preislich liegen beide Lagen weit auseinander. Das Kirchenstück ist rar und teuer, teurer als alle anderen Lagen der Pfalz. Diese Hochpreisigkeit kommt von einer historisch gewachsenen Begehrlichkeit. Die Kirchenstück-Weine bieten höchstens mehr Exklusivität aber nicht mehr Genuss als der Pechstein. Falls nicht angegeben, handelt es sich bei den VDP-Betrieben nach deren Definition immer um trockene Qualitätsweine ohne Prädikat.

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