50 Shades of Orange; Foto: Meininger Verlag
50 Shades of Orange; Foto: Meininger Verlag

Orange & Natural Wines

 

 

Alles außer gewöhnlich

Wer Weine zur Erweiterung des geschmacklichen Horizonts sucht, ist hier goldrichtig. Ecken und Kanten gehören allerdings dazu!

Text: Christoph Nicklas

Es war eine überfällige Verkostung: Keine Wein-Gattung wurde in den letzten Jahren mehr und kontroverser diskutiert als die der Orange Wines und Natural Wines. Das fängt bei den Begrifflichkeiten an, denn oft werden diese beiden in einen Topf geworfen oder gar als Synonyme verwendet. Die richtige Differenzierung zeigt Christoph Raffelt in seinem Artikel ausführlich (MEININGERS WEINWELT 3/19, ab Seite 26), doch auch hier noch mal das zentrale Unterscheidungsmerkmal – das sich bei der Verkostung nicht nur farblich, sondern auch geschmacklich bemerkbar machte: Orange Wines sind Weine aus Weißwein-Rebsorten, die wie Rotweine erzeugt werden, also mit einer langen Maischestandzeit beziehungsweise in den meisten Fällen einer Vergärung auf der Maische. Das Ergebnis ist eine wesentlich dunklere Farbe (in unserer Probe standen allerlei Schattierungen von Bernstein über sattes Orange und Kupfer bis zu rötlicher Färbung auf den Tischen) und spürbar mehr Gerbstoffe.

Die Eigenschaften von Natural Wines lassen sich in erster Linie durch ihre „Naturbelassenheit“ beschreiben, also einen umfassenden Verzicht auf Hilfsmittel und Technik, sowohl im Weinberg als auch im Keller. Das heißt: keine Reinzuchthefen, keine Enzyme, keine Schönung, keine Filtration, kein oder nur minimaler Schwefeleinsatz, oft verbunden mit Biodynamie in der Weinbergs- und Betriebsphilosophie. Es ist dabei nicht wichtig, ob ein Ausbau auf der Maische stattfindet. Umgekehrt betrachtet ist es bei einem Orange Wine wiederum nicht verpflichtend, dass er ungeschönt, unfiltriert oder ungeschwefelt auf die Flasche kommt. Er ist dann eben „nur“ orange und nicht natural. Auf „Natural“-Weise können natürlich auch Rot- und Schaumweine produziert werden, und wir stellen hier einige Favoriten aus dem Tasting vor.

Zwar liegen die Ursprünge für Naturweine und Orange Wines in Frankreich, Norditalien und dem slowenischen Karst-Gebiet, doch in den vergangenen Jahren widmeten sich auch in Deutschland und Österreich immer mehr Winzer dem naturnahen, ursprünglichen Weinmachen. Speziell beim österreichischen Nachbarn machen sich viele Top-Erzeuger für die Kategorien stark. Daher war es wenig überraschend, dass ein Großteil der rund 140 verkosteten Weine von deutschen oder österreichischen Erzeugern stammte. Ergänzt wurde der nicht nur farblich sehr bunte Reigen durch einige Natural- und Orange-Vorreiter aus Frankreich und Spanien.

Auch wenn es in der Praxis immer wieder Überschneidungen gibt, wenn also ein Orange Wine auch schwefelfrei, unfiltriert und ungeschönt gefüllt wird, oder Naturweine gewissen Orange-Charakter durch Maischekontakt bekommen, haben wir versucht, die am besten bewerteten Weißweine so weit wie möglich in zwei Kategorien aufzuteilen. Die oft diskutierte Gefahr der Fehlerhaftigkeit bestätigte sich im Tasting übrigens keineswegs. Bis auf ganz wenige Ausnahmen, etwa bei älteren Jahrgängen schwefelfreier Weine, die schlichtweg zu oxidiert waren, präsentierten sich alle Weine sehr stabil.

 

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