Bacharacher Hahn; Foto: Weingut Toni Jost
Bacharacher Hahn; Foto: Weingut Toni Jost

Lagenvergleich Mittelrhein

Stahliger Schiefer-Riesling

Den Schiefer-Steillagen des engen Mittelrhein-Tals ringen die Winzer knackige Rieslinge ab. Wir stellen fünf der Top-Lagen vor.

Text: Michael Hornickel

Bei Mainz biegt der Rhein von Süden kommend plötzlich nach Westen ab, so als würde er auf seinem Weg nach Norden eine Gasse suchen. Bei Bingen ist es schließlich so weit: Hier fand der Rhein den engen Durchbruch ins Schiefergebirge, um den Weg nach Norden fortzusetzen. Fast quält er sich in das wilde Mittelrheintal mit seinen Felsen und Steilhängen. Weinbau wird hier seit 2.000 Jahren betrieben und prägt bis heute die Kulturlandschaft. Bedeutung erlangte man im Laufe der Jahrhunderte aber weniger durch Qualität, sondern eher durch den Weinhandel wie im mittelalterlichen Städtchen Bacharach, einst Hauptumschlagsplatz für Wein.

Doch der Fortschritt überholte die erhabene Landschaft. Der Steillagen-Weinbau war irgendwann nicht mehr rentabel, viele Flächen liegen brach. Der Tourismus ist zwar immer noch ein bedeutender Wirtschaftszweig, das Angebot aber nicht unbedingt zeitgemäß. Einen neuen Schub erhofften sich die Mittelrheiner von der Ernennung zum UNESCO-Weltkulturerbe im Jahr 2002, genau genommen des Oberen Mittelrheintals zwischen Bingen und Koblenz. Doch ohne Brücke auf 90 Kilometern zwischen Mainz und Koblenz steckt der Mittelrhein in einer misslichen Lage. Hier kommt niemand zufällig vorbei. Man muss schon hin wollen.

Viele Enthusiasten halten weiter das Fähnlein der kleinen Region hoch. Der Rheinsteig lockt zahlreiche Wanderer. Ein paar Dutzend motivierte Winzer und einige Gastronomen versuchen sich den modernen Zeiten anzupassen. Rund 440 Hektar, zu 85 Prozent in Steillagen, sind heute noch im Ertrag. 165 Weinbaubetriebe teilen sich die kleine Rebfläche, darunter zwei Drittel Kleinstbetriebe, meist Feierabendwinzer; 50 Betriebe wirtschaften mit angeschlossener Gastronomie (vom Gutsausschank bis zum Hotel). Nur sieben Weingüter verfügen über zehn Hektar und mehr, fünf gehören dem VDP an: Bastian, Ratzenberger und Jost in Bacharach, Lanius-Knab in Oberwesel sowie Mathias Müller in Spay.

Die knackigen, für ihre Stahligkeit bekannten Schiefer-Rieslinge sind allerdings außerhalb des Anbaugebietes selten auf Weinkarten zu finden. Wenn man klein ist, kommt man schwer auf einen hohen Bekanntheitsgrad. Und wenn man kaum bekannt ist, ist man immer zu teuer. So stehen die Preise in keinem Verhältnis zur Qualität in der Flasche. Ab sieben Euro bekommt man schon einen mineralischen Riesling aus der Tiefe des Schiefers hingestellt, mühsam dem Steilhang abgerungen und über viele Jahre unverwüstlich.

DIE STEILLAGEN

Der Posten mit dem beeindruckenden, uralten Postenturm ist seit Jahrhunderten die berühmteste Lage Bacharachs. Am Anfang des nach dem Ortsteil Steeg führenden Seitentals gelegen, ist sie der am nächsten zum Rhein gelegene Südhang. Der Rhein gilt als Wärmespeicher, der nachts warme Luft abgibt, was der Traubenreife helfen soll.

Dem steht der Hahn, ebenfalls am Anfang eines nur etwas weiter flussabwärts gelegenen Seitentals, in nichts nach, auch wenn der Schieferverwitterungsboden hier unterschiedlich ist. Die Bacharacher Wolfshöhle, ebenfalls ein reiner Süd-Steilhang im Steeger Tal, ist als westlicher Nachbar des Posten schon weiter vom wärmenden Rhein entfernt. Angesichts des Klimawandels gehen wir davon aus, dass dies kaum mehr ein Nachteil ist. Die Wolfshöhle ist die einzige der von uns verkosteten Lagen, die nicht direkt am Rhein liegt. Der Oberweseler Oelsberg und der Bopparder Hamm haben gemein, dass sie in einer Rheinbiegung liegen mit dem Süden im Fokus, wobei sich der zehnmal größere Hamm entlang der größten Rheinschleife wie ein nach Süden geöffnetes Amphitheater zwischen Boppard und Spay erstreckt. Der Feuerlay ist innerhalb des Hamm nur eine von sieben Einzellagen, liegt aber im Herzstück.

DIE VERKOSTUNG

Aus den fünf Lagen verkosteten wir 64 Weine. Natürlich interessierten wir uns für den aktuellen Jahrgang 2015. Die Weine sind noch verschlossen und brauchen Zeit, manche sind noch gar nicht gefüllt. Die Uhren ticken hier im Norden anders. Zum Glück konnten wir ein paar ältere Jahrgänge verkosten, allen voran fast ein Dutzend Gewächse aus dem Top-Jahrgang 2011, die alle überzeugten. Sie sind jetzt, und noch lange, auf dem Höhepunkt. Auf jeden Fall zeigte die Verkostung ganz deutlich, dass Mittelrhein- Rieslinge mindestens zwei oder drei Jahre Reifezeit brauchen. Erst dann öffnen sie sich und bieten ihr volles Aroma während sich gleichzeitig die Komponenten Säure, Süße, Alkohol harmonisieren. Immer bleiben die Rieslinge aber spannend, vor allem wenn ein kühler Schiefer-Kick spürbar ist.

 

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