Lagenvergleich Hessische Bergstraße; Foto: Renate Weber
Lagenvergleich Hessische Bergstraße; Foto: Renate Weber

Lagenvergleich Hessische Bergstraße

Das kleinste deutsche Anbaugebiet ist die größte Unbekannte. An der Bergstraße wird so ziemlich alles gekeltert, ein klares Profil fehlt. Getrunken wird das meiste sowieso vor Ort. Wir wollten es trotzdem genauer wissen.

Text: Michael Hornickel

Die Bergstraße ist schön und lockt jährlich Millionen Besucher an. Vor allem im Frühling kommen Wintermüde an den östlichen Rand des Oberrheingrabens am Fuße des Odenwaldes, um das Erwachen der Natur zu beobachten – etwa wenn die Mandelbäume blühen. Grob zwischen Heidelberg und Darmstadt gelegen, mit den meisten Rebflächen um Heppenheim und Bensheim, ist die Hessische Bergstraße das kleinste der 13 deutschen Anbaugebiete, mit 439 Hektar im Ertrag kleiner noch als der Mittelrhein (468 Hektar) oder Sachsen (502 Hektar). Da kommen im Schnitt so um die drei Millionen Liter Wein zusammen, die zum großen Teil in der Region getrunken werden.

Trotz der kleinen Menge wird eine ebenso große Vielfalt geboten, wie in den großen Anbaugebieten. Man will den Gästen schließlich für jeden Geschmack was bieten. Fast die Hälfte der Erzeugung macht jedoch der Riesling aus, es folgen Spätburgunder und die aktuell populären weißen Burgundersorten, allen voran Grauburgunder, der hier in einer reizvollen Kombination aus Schmelz und mineralischer Frische besonders spannende Weine hervorbringen kann.

Eine Spezialität der Bergstraße (wie auch des Rheingaus und der östlichen Anbaugebiete) ist Roter Riesling, quasi der Vorläufer unseres allseits bekannten Weißen Rieslings, der ampelographisch identisch ist, außer natürlich in der unterschiedlichen Färbung der Beerenhaut. Das Geschmacksprofil beider Rieslinge ist ähnlich, analytisch lassen sich bei der roten Ausgabe allenfalls höhere Extraktwerte messen, so erscheint er oft auch stoffiger als das weiße Pendant.

Da es schwierig ist, in einem derart kleinen Anbaugebiet mit ebenso kleinen Lagen eine repräsentative Verkostung zusammenzustellen, haben wir uns diesmal für Großlagen entschieden und dann gleich für alle drei (von Nord nach Süd): Auerbacher Rott, Bensheimer Wolfsmagen und Heppenheimer Schlossberg. Zusammengefasst sind sie im Bereich Starkenburg, die auf eben diesem Schlossberg weit sichtbar über Heppenheim thront. Damit umfassen wir allerdings noch nicht die gesamte Bergstraße, denn der etwas abseits im Nordosten gelegene zweite Bereich namens Umstadt, auch Odenwälder Weininsel oder Kleine Bergstraße genannt, kennt weitere sieben Lagen, jedoch ohne Großlagenbezeichnung.

Wir haben uns auf den Bereich Starkenburg beschränkt und 67 Weine probiert, die zum Teil aus den Top-Lagen stammen, etwa dem Heppenheimer Centgericht oder dem benachbarten, ebenfalls sehr renommierten Steinkopf. In Bensheim gilt die Kalkgasse als Top-Lage und im nördlich vom Zentrum gelegenen Ortsteil Auerbach die Lagen Fürstenlager und Höllberg, sowie das Zwingenberger Steingeröll. Was für ein Weintyp kommt nun von den zwar vorwiegend lössgeprägten, dennoch vielfältigen und unterschiedlichst ausgerichteten Böden? Sie präsentieren sich knackiger und schlanker als die Gewächse des südlichen Nachbarn Baden, aber nicht von so erdig-saftiger Rasse wie die Weine der hessischen Kollegen des Rheingaus im Norden. Sie sind vielmehr fruchtbetonter und, was dabei vielleicht eine Eigenart der Bergsträßer Weine sein dürfte, zeigen eine eigentümliche, herbale, leicht krautige Würzigkeit, die immer wieder mal auftaucht.