Foto: Ralf Ziegler/AdLumina
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Stefan Nink im Saxofonfieber

Ach, die Toskana! Sehnsuchtslandschaft! Postkartenschönheit! Europa wie früher! Ist es im Land, in dem die Zitronen blühen, irgendwo bezaubernder als in den sanft gewellten Hügeln zwischen Lucca, Florenz und Siena? Und den Geist befreit sie auch, die Toskana, und die Sinne öffnet sie, anders lässt sich ja gar nicht erklären, dass hier derart viele Kurse ihr Publikum finden.

Man kann Töpfern in der Toskana und das Aktzeichnen ausprobieren, kann die italienische Sprache erlernen und wahrscheinlich auch, wie man seinen Namen in die Wiese tanzt. Ich aber hatte mich für ein Instrument entschieden. Und für den „Saxofon-Schnupperkurs für Anfänger“. In einem historischen Landhaus bei Volterra. Zusammen mit 13 anderen Anfängern.

Unser Lehrer hatte gleich am ersten Abend etliche Fragen beim Beschnuppern seiner Schnupperkurs-Teilnehmer: Hat jemand schon mal ein Saxofon in der Hand gehabt? Kann jemand mehr als „Alle meine Entchen“ auf der Blockflöte? Oder Notenlesen? Aha. „Deswegen ist es ja ein Kurs für absolute Anfänger“, meinte unser Lehrer. Der Hausherr kam und brachte mehr toskanischen Wein. Er lächelte weise. Als wisse er schon alles. Als habe er das alles schon öfter gehört. Am nächsten Morgen marschierten wir hinaus in den Garten. Nicht mit den Saxofonen, bloß mit den abgeschraubten Mundstücken.

Wenn wir mit denen saubere Töne produzieren könnten, hatte unser Lehrer gesagt, sei der Rest quasi ein Kinderspiel. Zuerst hörte man nichts als Prusten. Dann kamen tatsächlich die ersten Töne. Irgendwann klang es wie in einem niedersächsischen Schweinezuchtbetrieb, dort, wo sie die Ferkel halten. Zum Glück lag unser Landhaus in menschenleerer Landschaft: Am Horizont die Silhouette von Volterra, sonst nur Felder und Hügel.

Man will sich gar nicht vorstellen, was passiert, wenn solche Kurse in einem historischen Ortszentrum abgehalten werden. Wobei: Bei uns ging es prächtig voran. Am Abend spielen wir tatsächlich unsere ersten Tonleitern, to-tötü-ta-te-tä-tääää! Und schon ein, zwei Tage später war damit Schluss und es ging ans Eingemachte – beziehungsweise: an richtige Lieder. Over the Rainbow, Harlem Nocturne und Tequila kakophonierten durch den Garten, alle wild durcheinander. Mein Lieblingsstück war Danny Boy. Das kannte ich in der Version von Sinéad O’Connor, die haucht wie eine irische Fee und nur von einer sanften Flöte begleitet wird. Mein Danny Boy dagegen klang, als blase Cromwells Kavallerie zum Angriff auf wehrlose irische Kartoffelbauern.

Und dann war die Woche auch schon vorbei, und alles, was noch fehlte, war: das Abschlusskonzert. Ganz souverän swingte sich die Band mit ein paar beliebten Evergreens warm, und das gemeinsame Tequila hätte selbst in Guadalajara für Begeisterung gesorgt, von einer gewissen irischen Ballade ganz zu schweigen. Der Hausherr und seine Familie klatschten euphorisch.

Vielleicht waren sie aber auch bloß froh, dass alles vorbei war. Dann stiegen wir in unsere Autos und fuhren davon. Natürlich versicherten wir uns zuvor gegenseitig, im nächsten Jahr wieder zu kommen, dann zum „Saxofon-Kurs Anfänger I“. Und natürlich wussten wir, dass wir uns nie wieder sehen werden. Es sei denn, die anderen melden sich auch alle zum Töpferkurs an wie ich.

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Ausgabe 03/2024

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