Die Weinlese wird immer mehr zur Nervensache
Themen der Ausgabe
Als es Mitte Oktober hieß, die Ernte in Deutschland sei beendet, ging ein Aufatmen durch etliche Weingüter. Wie schon in den vergangenen Jahren war auch dieses Weinjahr ein äußerst kniffeliges. Und vor allem ein arbeitsintensives. Vorangegangen war ein Winter ohne Frost, es folgte eine frühe Blüte, begleitet von Sonnenschein und bestem Wetter. Ein trockener und heißer Juni, ein feucht-warmer Juli folgten und dann kam der Horrormonat August. Es regnete und regnete, teils sintflutartig und der Reifevorsprung der Trauben war für die Katz. Die Folgen waren Fäulnis und Pilzbefall und die Winzer waren gezwungen, jeden Tag nach den Reben zu sehen, um größeren Schaden abzuwenden. Laubarbeit war das Gebot der Stunde und so mancher löste mit der Pinzette einzelne Beeren heraus oder musste die Trauben halbieren. Der Jahrgang war an sich schon eine große Herausforderung für die Winzer, der Fäulnisdruck machte eine heftige Selektion der Trauben erforderlich und sorgte für eine schnelle Ernte.
Doch zu allem Überfluss tauchte noch ein weiterer Unruhestifter in den Weinbergen auf: die Kirschessigfliege, ein drei Millimeter langes, rotäugiges Monster, das dieses Jahr zum ersten Mal großflächig in Deutschland auftrat. Aus Asien stammt die Drosophila suzukii, die ihre 300 bis 400 Eier vor allem in rotfarbige Trauben und sonstige rote Früchte legt, aus denen dann nach einer Woche neue Fliegen werden.Binnen weniger Tage wurde die Kirschessigfliege zum Schreckgespenst aller Winzer, so mancher musste ganze Rebzeilen abernten und wegwerfen und teilweise mussten die Trauben schon vor der vollständigen Reife notgelesen werden. Ein echtes Gegenmittel fehlt bislang, das wird eine neue Herausforderung für die Forschungsanstalten.
Will sagen: Die Winzer haben inzwischen jedes Jahr mit ganz neuen Herausforderungen zu kämpfen und so manche Ernte entwickelt sich dadurch um Ritt auf der Rasierklinge.
Wir wünschen an dieser Stelle einen knackig-kalten Winter, damit sich Ungeziefer wie die Kirschessigfliege nicht im nächsten Jahr weiter verbreitet. Und natürlich dürfen Sie gespannt sein auf den neuen Jahrgang, denn wer im Weinberg intensiv und akkurat gearbeitet hat, bringt auch exzellente Weine auf die Flasche.
Ilka Lindemann [email protected]