Chardonnay aus Kalifornien

>Reset und Neustart: Chardonnay aus Kalifornien hat eine neue Chance verdient. Die stilistische Vielfalt ist enorm.

>Wein Nummer 28 in der Verkostungsreihenfolge sorgte für ungläubiges Staunen. Ein Pirat aus Burgund? Vielleicht sogar ein Coche-Dury, so beißend zeigte sich die Säure, so schneidend die Mineralität. Ein Wein der extrem polarisierte. Als später die Weine aufgedeckt wurden, war klar: Es war kein Pirat. Es handelte sich um Rita‘s Crown von Sandhi aus den Santa Rita Hills im Santa Barbara County. Genau auf diesen Effekt hatten wir gehofft, als wir uns entschieden, kalifornische Chardonnays zu verkosten. Der Wein beweist: Kalifornien hat sich in den letzten Jahren zum Teil regelrecht neu erfunden. Ein kleiner Rückblick: Vor 30 Jahren begann der Aufstieg Kaliforniens, Chardonnay & Co. surften auf einer Welle des Erfolgs, auch in Deutschland. Ende der 90er-Jahre war der Zenit erreicht. Die Weine, speziell die Chardonnays waren im Laufe der Jahre immer fetter geworden. Zuviel Mainstream hatte die Kunden satt gemacht. Man musste schon sehr exakt verkosten, um die fetten, aber komplexen und strukturierten Weine von den ebenfalls fetten, aber vordergründigen, grell geschminkten Industrieweinen zu unterscheiden. ABC, „Anything but Chardonnay“ wurde kurz nach der Jahrtausendwende zum Schlagwort und machte Kalifornien auf einmal extrem unsexy.

>Heute, zehn Jahre später, ist die Neugier wieder da. Die generelle Barrique-Phobie beim Weißwein scheint überwunden. Burgundersorten, inklusive Chardonnay, gehören einfach ins Holzfass, soll ein wirklich spannender Wein daraus entstehen. Von wenigen Schiefer-Weißburgundern einmal abgesehen. Umgekehrt: Was bitte schön soll ein Chardonnay aus dem Stahltank sein? Aufdringlich fruchtig, meist mit süßlichem Schmelz und wenig griffigen Konturen. Der Wein muss ja nicht gleich in 100 Prozent stark getoasteten Barriques erwürgt werden. Gebrauchte Barrique-Fässer, Tonneaux, Fuderfässer, dem Winzer bieten sich vielfältige Möglichkeiten, aus Weißburgunder, Chardonnay und Co. einen reizvollen, komplexen Wein zu machen, ohne sich das vernichtende Urteil „overoaked“ einzufangen.

>Doch zurück zu Chardonnay aus Kalifornien. „In pursuit of balance“ nennt sich eine 2011 gegründete Winzervereinigung von aktuell 33 Betrieben, die es sich zum Ziel gesetzt hat, in Kalifornien balancierte Pinot Noirs und Chardonnays zu produzieren. Initiiert von Rajat Parr, Star-Sommelier und Partner der Domaine de la Côte und Sandhi, sowie von Jasmine Hirsch von Hirsch Vineyards. Ihr Ziel: Ein Richtungswechsel, sowohl in der Weinbergsbearbeitung wie in der Kellerwirtschaft. Das „Abschütteln der überschüssigen Pfunde“, wie es im Manifest auf der Website der Gruppe so schön formuliert ist. Um dieses Ziel zu erreichen, fordern sie, mit dem Chardonnay auf kargere Böden und in kühlere Mikroklimata auszuweichen, bestimmte Klone zu forcieren, bei der Gärung auf natürliche Hefen zu setzen und Holz in moderatem Maße zu verwenden, bis hin zu 100 Prozent Stahl. Letztgenannter Option schließt sich die Redaktion von meiningers sommelier ausdrücklich nicht an. Ein entscheidender Punkt sei auch die Ernte bei niedrigeren Zuckergraden.

>Der bereits erwähnte Rita‘s Crown 2012 von Sandhi setzte mit 12,6 %vol. Alkohol auch in dieser Hinsicht Zeichen. Der etwas weniger radikale Santa Barbara County 2012 liegt bei 13,1 %vol. Alkohol. Das 2011 gegründete Weingut im Santa Barbara County konzentriert sich voll auf Chardonnay und Pinot Noir. Es handelt sich um ein Joint Venture von Rajat Parr, dem Wein-Direktor der Michael Mina Restaurants, Charles Banks, Ex-Eigentümer von Screaming Eagle, und dem Winemaker Sashi Moorman.

>Wuchtiger, aber kaum minder überzeugend, präsentiert sich der 2012er Chardonnay von Peay Vineyards. Auch hier sind drei Akteure am Werk: Nick und Andy Peay und Weinmacherin Vanessa Wong. Doch auch Klassiker beherrschen den elegant-frischen Stil: Ein perfektes Beispiel hierfür liefert Chateau Montelena mit seinem Chardonnay 2012.

>Dabei muss es nicht unbedingt in die schlankere Richtung gehen. Auch der „klassische“ California-Style kann durchaus faszinieren, wenn genügend Struktur, Frische und Mineralität vorhanden sind, um Frucht und Opulenz in Form zu halten. Von den 14 bestbewerteten Chardonnays des Tastings waren sechs mit 13,5 %vol. und weniger deklariert. Allerdings auch sechs mit 14 bis 15 %vol.,Weine wie der Red Shoulder Ranch 2012 von Shafer oder der Ridge Chardonnay aus der legendären Cabernet-Spitzenlage Montebello Vineyard. Die stilistische Bandbreite Kaliforniens ist riesig, ebenso die Vielfalt an Terroirs. In 49 der 58 Counties in Kalifornien werden Weintrauben angebaut, unterschieden werden 134 sogenannte AVAs, American Viticultural Areas. Ein solches Angebot lässt sich einfach nicht ignorieren.