Primärfrucht Adé

Sauvignon Blanc, weniger als 5 Gramm Restzucker, mit Herkunftscharakter und/oder Handschrift. So lauteten die Vorgaben von Seiten der Sommelier- Redaktion. 36 Winzer fühlten sich berufen und schickten uns insgesamt 53 verschiedene Sauvignon Blancs. Die meisten aus den Sauvignon-Hochburgen Pfalz (23), Württemberg (11) und Baden (10), aber auch Rheinhessen, der Mittelrhein und Franken waren vertreten. Qualitativ begegneten sich die deutschen Anbaugebiete auf Augenhöhe; Prozentual wurden etwa gleich viele Sauvignons aus der Pfalz, Württemberg, Baden und Rheinhessen mit 90 Punkten oder mehr bewertet. 92 Punkte, die höchste Punktzahl dieser Verkostung, erreichten Philipp Kuhn aus der Pfalz und Rainer Schnaitmann aus Württemberg. Für Philipp Kuhn ist die Rebsorte zwar mengenmäßig nicht so bedeutend wie Burgunder oder Riesling, allerdings steckt viel Herzblut in seinen Sauvignons. Er war Anfang der 90er- Jahre einer der Ersten, der die Sorte in der Pfalz anbaute. Was damals im Dirmsteiner Mandelpfad als Versuchsanbau begann, ist heute eine der ältesten Sauvignon-Anlagen in Deutschland. Auch Rainer Schnaitmann ist Sauvignon-Pionier. Zwar wurde die Sorte im Remstal traditionell schon früher kultiviert, die Weingüter Schnaitmann und Aldinger gehörten aber zu diejenigen, die ihr in der Region zu neuem Ansehen verhalfen. Heute profitieren Philipp Kuhn und Rainer Schnaitmann von ihren vergleichsweise „alten“ Reben. Sie vergären ihre Sauvignons spontan, setzen auf ein langes Hefelager und den Ausbau im Holz. Vier Eckpfeiler, die viele unserer Favoriten gemeinsam haben.

Die Kombination Holz und Sauvignon haben in Deutschland vor einigen Jahren die Weingüter von Winning und Oliver Zeter etabliert. Ihre Sauvignons gehörten zu den ersten bekannten Vertretern dieser Stilistik. Auch bei unserer Verkostung kamen fast alle Sauvignons, die Top-Bewertungen erhielten, aus neuen bzw. gebrauchten Barriques, Tonneaux oder größeren Holzfässern. Bei fast allen Weinen war das Holz gut integriert, nur selten wirkte ein Wein überladen. Ein Sauvignon ohne Holzkontakt, der sich dennoch im 90-Punkte-Bereich platzieren konnte, war der Sauvignon Blanc „Ei“ vom rheinhessischen Weingut Hofmann. Jürgen Hofmann berichtet: „Ich habe vor zwei Jahren im Trentino Sauvignon Blancs aus Betoneiern probiert. Das hat mich neugierig gemacht, wie sich unser Sauvignon darin entwickeln würde.“ Jürgen Hofmann hat den Sauvignon Blanc „Ei“ während einer dreitägigen Maischestandzeit mit Trockeneis gekühlt, gekeltert und anschließend mit etwa 10 Prozent Trauben im Betonei spontanvergoren. Der kleine „Sponti-Stinker“, den viele der Weine hatten, steht der Rebsorte Sauvignon besonders gut. Spontangärung ist allerdings kein Muss, es tummeln sich auch einige reinzuchtvergorene Weine unter unseren Favoriten. 

Bei der Verkostung waren Sauvignons der unterschiedlichsten Bodentypen vertreten, von Muschelkalk über Löss-Lehm, Buntsandstein, Granitverwitterung ... Generell schienen die Weine aber eher von ihrer Machart als vom Terroir geprägt zu sein. Oliver Zeter, der in Südafrika sein „Sauvignon-Blanc-Schlüsselerlebnis“ hatte und die Sorte seit seiner Rückkehr in der Pfalz anbaut, erklärt: „Sauvignon ist nicht allzu lagenabhängig. Durch entsprechende Maßnahmen im Weinberg und im Keller kann auf einen bestimmten Weinstil hingearbeitet werden.“

Während es sich bei fruchtig-frischen Sauvignons (die wir bei dieser Verkostung ja ausklammern wollten) empfiehlt, diese möglichst schnell nach dem Füllen zu trinken, hatten wir den Eindruck, dass es bei vielen der von uns verkosteten Weine in den nächsten Jahren nochmal richtig spannend wird. Markus Drautz vom württembergischen Weingut Drautz-Able gehört zu den deutschen Sauvignon- Spezialisten. Er bewirtschaftet die älteste Sauvignon-Anlage im Weinbaugebiet Württemberg aus dem Pflanzjahr 1987. Den Reifeverlauf seines Sauvignon Blanc „Hades“ beschreibt er folgendermaßen: „Nach der Füllung verschließt sich der Wein meist für etwa ein Jahr, danach rückt die Frucht in den Vordergrund. Erst nach drei bis fünf Jahren wird das Holz immer besser eingebunden und ein großer Wein entsteht. Leider erleben die meisten Flaschen diesen Moment gar nicht.“

Dass das Entwicklungspotenzial der Weine sehr unterschiedlich ausfällt, lässt sich schon einige Stunden nach dem Öffnen der Flaschen erahnen: Während einige Sauvignons über Nacht regelrecht zerfielen legten andere nochmal richtig zu. Thomas Pfaffmann vom Weingut Wageck bestätigt: „Ältere Jahrgänge unserer Réserve brauchen immer viel Luft um sich zu entfalten. Eine zu schnelle Bewertung wird dem Wein nicht unbedingt gerecht. Spannend ist, die Flasche bis zu vier Wochen nach dem Anbrechen immer wieder nachzuverkosten"

92
2015 Iflinger Sauvignon Blanc trocken VDP.Gutswein, Württemberg, Weingut Rainer Schnaitmann; 18,50 Euro
Wilde Spontiwürze, Anisbrot, leicht hefige Noten, sehr gut eingesetztes Holz, dicht, stoffig, mit hefig-toniger Textur, malziges Finale
 
92
2015 Dirmsteiner Sauvignon Blanc trocken „Réserve“ VDP.Ortswein, Pfalz Weingut Philipp Kuhn; 19,20 Euro
Johannisbeere, Ananas, Cocos, Zitronengras und Dill. Rauchige Noten, Feuerstein. Nicht parfümiert, angenehm unaufdringlich. Holz wunderbar eingebunden, schöne Frische, Mineralität und Grip am Gaumen. Viel Druck
 
91
2013 Baer Sauvignon Blanc, Pfalz Oliver Zeter; 48 Euro
Komplexe Nase mit viel Johannisbeere, Holunder, Stachelbeere, Zitrus und Dill. Sehr rauchig. Am Gaumen harmonisch, mineralisch-komplex, kompakt und ausdrucksstark mit perfekt eingebundenem Holz. Bleibt ewig
 
91
2015 Sauvignon Blanc Freinsheim trocken, Pfalz, Weingut Mussler 10,20 Euro
Stachelbeere, Maracuja, viel Dill, etwas Gurke. sehr gute Struktur mit viel Spiel, Holz perfekt integriert, hat Druck. Mineralischsalzig am Gaumen. Wirkt sehr harmonisch und ausbalanciert
 
91
2015 Fumé 500 Réserve Sauvignon Blanc Goldberg trocken Pfalz, Weingut Wageck Pfaffmann 19,90 Euro
Würzig-pfeffrige Nase die neugierig macht. Im Geschmack kühl und nicht wuchtig trotz hohem Alkohol. Fein und filigran. Wacholder, Vanille und Kaffee. Holz sehr gut integriert, hat Druck und Spannung, sehr lang
 
91
2014 Hades Sauvignon Blanc trocken, Württemberg Weingut Drautz-Able; 21 Euro
Deutlicher Holzeinsatz, Dill, Senfgurke, Himbeerblätter; sehr salzig und mit griffig-schmirgeliger Textur, kompakt, eng, Holz sehr gut eingebunden 
 
90
2015 Sauvignon Blanc „R“ trocken, Baden Weingut Seeger; 29,50 Euro Deutlich vom Holz geprägt, dazu gegrillte Ananas, leicht ätherische Nadelholzöle, Himbeerblätter, Weihrauch; dichtig und griffig, leicht salzig, kräftiger Körper, milde Säure
 
90
2014 Sauvignon Blanc trocken, Baden, Weingut Kilian Hunn; 9,30 Euro Feiner, kühler, rauchiger Typ, viel Kräuterwürze, Cassisblätter, ganz leichte Reduktion; intensiv fruchtig und zugleich mit rauchiger Mineralität, saftiger Säurebiss, komplex
 
90
2014 Sauvignon Blanc 500 trocken, Pfalz Weingut von Winning; 38 Euro Holunder und reife Stachelbeere, nussig-röstige Aromen mit etwas Minze in der Nase. Am Gaumen cremig-schmelzig und doch präzise und mit guter Struktur. Nicht überladen. Kalkige Mineralität, viel Spiel und runder Abgang
 
90
2014 Stettener Pulvermächer Sauvignon Blanc VDP.Erste Lage Württemberg Weingut Beurer; 11,50 Euro
Richtig wild und richtig rauchig, Lakritz, Schießpulver, Johannisbeerholz; salziger Druck, rassige Säure im Finale, Geschmacksrodeo
 
90
2015 Sauvignon Blanc Fumé “S“ trocken, Pfalz, Weingut Bassermann- Jordan; 24,50 Euro
Tropische Aromatik von Mango und Maracuja, Stachelbeer. Feines Holz, etwas Vanille, Cassis und Anis. Komplex und harmonisch mit viel Grip und frischer Säure. Saftig-schmelzig, langanhaltend
 
90
2015 Laurenzikapelle Sauvignon Blanc trocken, Rheinhessen, Weingut Hofmann; 18 Euro
Weihrauch, Mango, Sandelholz, Patchouli, viel Orangeat; schwerer, üppiger Wein, reif, aber doch mit innerer Spannung, entwickelt mineralischen Grip und saftigen Zug, wird immer enger; faszinierend
 
90
2014 Fumé Blanc trocken Baden, Weingut Kilian Hunn 16,50 Euro
Leicht speckig, rauchig, wild, Ananas, Essiggurke; extrem salzig und mit kalkigem Grip, faszinierend widersprüchlich
 
90
2015 Sauvignon Blanc trocken Tradition VDP.Gutswein, Pfalz Weingut Philipp Kuhn 10,90 Euro
Kiwi, Stachelbeere und Maracuja. Frisch und animierend mit Leichtigkeit und Eleganz. Frische Kräuter und Feuerstein. Hat Struktur und Mineralität, macht Spaß ohne banal zu sein

01-24

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Wie schmeckt die Zukunft Frankens?

PROFILE

Bibraud - kreativ und innovativ in Ulm

PROBE

Bairrada und Dão - Portugals feinste Rote