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Peter H. Müller

Ist es nicht so, dass die meisten von uns mit ganz anderen Weinen die Begeisterung jener Welt entdeckt und zu vertiefen begonnen haben, als den Weinen, die uns heute bewegen?

Ist es nicht so, dass wir einen Großteil der erstgenannten mittlerweile nicht mehr zwingend in unseren Gläsern brauchen, aber sie dankbar als Wegbereiter ansehen und einige noch heute feiern, während wir uns mit anderen längst auseinandergelebt haben und noch nicht mal mehr mit ihnen auf Facebook befreundet sind?

Ist es nicht so, dass es unseren Gästen prinzipiell genauso geht, nur dass diese, sich mit ihrer eigenen Berufswelt befassend, im Umkehrschluss sich in der unseren langsamer bewegen als wir?

Ist es nicht so, dass wir, wenn dem so ist, mit weniger Überheblichkeit viel mehr erreichen?

Ist es nicht so, dass die meisten dieser Gäste innerhalb einer Vertikale eines Weines des Winzers unseres Vertrauens auf den Wein aus dem warmen, vermeintlich großen Jahrgang zurückgreifen, in dem schier ein jeder passablen Wein erzeugt, während wir den spannungsgeladenen Inhalt der Flaschen ergründen wollen, in deren Entstehungszeit derselbe Winzer in seinem Handwerk so richtig gefordert wurde?

Ist es nicht so, dass das eigentlich vollkommen okay ist?

Ist es nicht so, dass wir uns die herrliche, auf Vertrauen basierende Aufgabe erarbeitet haben, dem Gast Brücken aufzuzeigen in eine Weinwelt, die er gemeinsam mit uns neugierig ins Ungewisse beschreiten kann?

Ist es nicht so, dass andererseits auch ein jeder von uns schon etwas von Gästen gelernt hat?

Ist es nicht so, dass sich Geschmack wie Meinung ändern oder festigen kann, durch das Sammeln von Erfahrungen, persönliche Weiterentwicklung und das wohlwollende Eingestehen, dass es durchaus gesund für‘s eigene Wesen ist, sich frei von Abgeklärtheit eines Besseren belehren zu lassen?

Ist es nicht so, dass es nicht nur lustig aussieht, sondern ebenso bereichernd sein kann, sich an die eigene Nase zu fassen?

Und, wie Dendemann sagt: „Ist es nicht so, dass Fortschritt leider nicht geht, wenn jeder denkt, er hätt‘ schon bess‘re Zeiten erlebt?“

01-24

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Wie schmeckt die Zukunft Frankens?

PROFILE

Bibraud - kreativ und innovativ in Ulm

PROBE

Bairrada und Dão - Portugals feinste Rote