Ist der Platz noch frei?

In Zeiten, in denen man mehrmalig Schriftverkehr tätigen muss, um Essen zu gehen, um jenes, was man bereits detailgetreu niedergeschrieben hatte, erneut, sowohl telefonisch bei Rückruf, als auch bei Ankunft mündlich zu bestätigen, kommt in mir unweigerlich eine Frage auf. Eine Frage, die gleichzeitig die Antwort darauf ist, weshalb viele Menschen der gehobenen Gastronomie den Rücken zukehren. Warum ist das eigentlich alles so unnötig verkompliziert worden? 
 
Kommt man in so manches Restaurant, das die Wörter „Gourmet“ oder „Fine Dining“ im Titel trägt, oder lediglich gebügelte Tischdecken aufweist, mit der Frage, ob man auch nur etwas trinken könne, spielen sich epische Dramen in den Köpfen der konfrontierten Service-Mitarbeiter ab. Der Chef ist gerade nicht zur Hand. Es sind bereits drei von den 14 vorhandenen Tischen besetzt und zwei weitere Reservierungen stehen mit ihrem Eintreffen noch aus. Was tun?! Kognitive Panik bricht aus. Tisch. Stühle. Gäste. Allein die Tatsache, dass überhaupt inne gehalten und nachgedacht wird, ob man die Gäste zu Tisch führt oder sie wieder weg schickt, löst in mir völliges, den Kopf zerberstendes, Unverständnis aus. 
 
Zugegeben, in einigen Fällen geht das vielleicht so aus, dass in zwei Stunden insgesamt vier Bier getrunken werden, man serviert Nüsse dazu, und das war‘s. Was ist nun aber besser: ein leerer Tisch oder einer an dem zwei Menschen sitzen, die sich etwas zu erzählen haben und gemeinsam Bier trinken? 
 
In einem anderen Fall geht es los mit einer Flasche Le Mont Benoit. Dazu bringt man Nüsse und einen klitzekleinen Gruß aus der Küche. Der Samen ist gepflanzt… 
 
Dann: vielleicht doch ein Blick in die Karte... Dann: „Ach, wo wir schon mal da sind“ nehmen die Gäste das Menü; ja komplett; und ein ausführlicher Blick in die Weinkarte, bitte. 
 
In beiden Fällen, wenn wir unsere Sache gut machen, egal ob die zwei, die zum Bier trinken und quatschen da waren, oder die beiden, die sich kurzum entschlossen haben das Kettenkarussell auf Wellenfahrt zu schalten, geht es einzig und allein darum, dass sie aus dem Laden spazieren oder torkeln, die bestmögliche Zeit hatten und das sowohl ihren Freunden erzählen als auch wiederholen wollen.
 
Ein Gasthaus ohne Gäste ist nur ein Haus. Das mag vielleicht schön aussehen, doch ist es nicht mit Leben erfüllt.

01-24

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Wie schmeckt die Zukunft Frankens?

PROFILE

Bibraud - kreativ und innovativ in Ulm

PROBE

Bairrada und Dão - Portugals feinste Rote