Ausgabe 04/2015

Es lebe die Vielfalt

Meiningers Sommelier 04/2015

Fruchtig frische Weiß- und Grauburgunder aus deutschen Landen, mit ein paar Gramm Süße nett hergerichtet, dazu ein paar schmückende Rieslinge gleicher Machart, alles schön auf Gutsweinniveau, ohne nähere geografische Spezifikation oder gar schmeckbaren Herkunftscharakter. Soll so das Weißweinangebot in der Gastronomie aussehen? Was für ein Albtraum.

Ich liebe deutschen Wein, speziell deutschen Riesling. Und zwar solche, die Dir wahlweise ins Ohr flüstern oder entgegen schreien, woher sie stammen, auf welchem Boden sie gewachsen sind, wessen Handschrift sie tragen. Nicht gerade die Weine, die sich von selbst verkaufen. Aber zum Glück gibt es ja engagierte Sommeliers in guten Restaurants oder Weinbars, die ihre Gäste an die Hand nehmen. Wer sich von Willi Schlögl in der Cordobar, Axel Bode im Witwenball oder David Eitel in Kevin Fehlings The Table die passenden Weine servieren lässt, wird nicht nur nett aromatisierten Alkohol zu sich nehmen, sondern Wein erleben, neue Erfahrungen machen.

Willi Schlögl sagt, er arbeite gerne mit Rebsorten die Geschichten erzählen. Dazu zählt er vollkommen zurecht den Silvaner. Wenig Primärfucht, viel Eleganz, viel Herkunftscharakter. Christoph Nicklas hat sich in Franken auf die Suche gemacht, welche Winzer am besten mit der erdigen Würze der Sorte umzugehen verstehen. Und er kam nicht nur völlig begeistert von der vielfältigen und doch immer nach Herkunftscharakter strebenden Interpretation durch Winzer wie Paul Weltner, Matthias Stumpf, Philipp Luckert oder Ludwig Knoll zurück in die Redaktion. Nebenbei machte er noch zahlreiche weitere Entdeckungen, von den grandiosen Pinots von Benedikt Baltes bis zur Scheurebe von Christian Stahl.

Zum Abschluss noch ein Plädoyer. Die Weinwelt endet nicht an Mosel, Rhein und Main! Bei aller Begeisterung für deutschen Wein, schießen einige Weinbars und Restaurants für meinen Geschmack deutlich über das Ziel hinaus, indem plötzlich nur noch deutscher Wein verkauft wird. Ich möchte nicht auf spannende Chenins von der Loire, Burgunder oder Grüne Veltliner verzichten. Ich möchte auch manchmal einen österreichischen Riesling trinken. Nicht nur im Skiurlaub, auch in Deutschland. Wer nicht über den Tellerrand schaut, verpasst so manchen spannenden Wein, wie die Reportage über Österreichs Riesling-Spezialisten zeigt.

Sascha Speicher [email protected]