Auf der Suche

Peter H. MüllerWas ich liebe: Auf Weinkarten versteckte Perlen zu Freude bereitenden Preisen zu finden, die jene belohnen, die die Karte aufmerksam und mit Verstand lesen. Es bereichert alle Beteiligten, sich eingehend mit Regionen und Kleinstappellationen abseits der ausgetretenen Pfade zu beschäftigen. Erstens trifft man oft auf autochthone Sorten, die spannende Geschichten erzählen können, zweitens stehen diese häufig in einem großartigen Preis-Genuss-Verhältnis und drittens können wir dem Gast nur spannende Entdeckungen bieten, indem wir selbstständig auf der nie endenden Suche sind. Was ich hasse: Kollegen, die nicht mehr auf der Suche sind.

Die Mundwinkel senken sich nur gelangweilt, wenn nach dem Aufschlagen der Weinkarte unmittelbar klar ist, mit welchen drei Händlern gearbeitet wird. Fade, schade. Wir wollen doch mit gespannt erweiterten Pupillen durch die Karte streifen, wie mit der Machete durch den Urwald, und uns fragen, wie der Kollege an dies und das gekommen ist, wo man jenen Wein in dem Jahrgang beziehen kann und was das da überhaupt Cooles ist. Der umzusetzende Ansporn muss doch sein, den, aus eigener Sicht, besten Kollegen mit dem Elan des eigenen Tuns begeistern und aus der Reserve locken zu können.

Wo wir gerade dabei sind: die selbe lähmende Fadheit gilt für einmalig aufgebaute Weinkarten. Einfach nur Folgejahrgänge zu kaufen, ist nicht gleichbedeutend mit dem Aufbau spannender Vertikalen.

Und noch etwas: ausschließlich europäische Weine anzubieten ist nicht zwingend ein Konzept, sondern oftmals der einfachste und schnellste Weg sich weniger Arbeit zu machen, indem man einen Großteil der weltweiten Rebfläche schlichtweg ignoriert. Zudem sind pauschalisierende Aussagen über Rebsorten, Regionen oder Länder für einen Sommelier unangemessen. Wir wissen es alle besser. Es gibt in jeder Weinbauregion dieser Welt unglaublich viel Schrott und glücklicherweise auch in jeder einzelnen viel Gutes im Verborgenen zu entdecken.

Nur einer noch: die Punkte und Bewertungen all der Weinjournalisten dieser Welt sind Anhaltspunkte für Endverbraucher, nicht für Sommeliers. Es gehört zu unserem wunderschönen Beruf zu verkosten und uns eine Meinung zu bilden, anstatt Vorgekautes nachzureden nach dem Motto „ich kaufe nichts unter 95 Punkten“. (Anm. d. Red.: Bewertungen in meiningers sommelier sind als Einkaufsorientierung absolut akzeptabel ...)

In diesem Sinne: Ich wünsche Euch allen weiter viel Freude bei der fleißigen, akribischen Suche nach den Schätzen zwischen dem Schund und freue mich auf spannende Begegnungen.

01-24

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Wie schmeckt die Zukunft Frankens?

PROFILE

Bibraud - kreativ und innovativ in Ulm

PROBE

Bairrada und Dão - Portugals feinste Rote