Weil er Bock hat

Gebraut wird in der Bamberger Wunderburg seit 1670. Mahrs-Biere gibt es vom Fass, in der Flasche und bald auch in der Dose. Das Interieur des Wirtshauses ist seit 100 Jahren unverandert. Die Stammgaste haben ihren eigenen Krug. 115 Sude wurden bei Mahrs bis Mitte Juni gebraut. (Fotos: Peter Dörfel)

Man könnte ihn für unnahbar halten. Für hochmütig. Dabei weiß er einfach, was er will. Was er tut. Und wer er ist. Stephan Michel hängt die Messlatte hoch. Er ist jemand, der fordert, der verlangt. So Sachen wie Leistung, Zuverlässigkeit und Hingabe. Nichts, wofür er nicht selbst einsteht. Was er nicht selber geben würde. Das ist nach den ersten 30 Minuten des Gesprächs mit ihm klar. Da hat er vor allem geredet und sein Gegenüber taxiert. Da hat er kaum gelächelt. Aber jedes Wort, das er sagte, genauso gemeint.

In der Brauerei steht er, weil die Erwartungen seines Vaters irgendwann auch sein Wille waren. Dass er selber Bock aufs Brauen hat, so richtig Bock, darüber musste er sich erst einmal klar werden. Und später dann um die Position ganz vorne ringen. Als 18-Jähriger aber, nach der Lehre im Familienbetrieb, ist er weg. Abgehauen nach Südfrankreich zum Wellenreiten. Abtauchen, Abstand kriegen. Er hat sich irgendwie durchgeschlagen, hat in Bars gearbeitet, Konzerte aufgebaut. In den USA schließlich erlebte er die Anfänge der Craftbier-Bewegung. „Die Biere waren furchtbar“, sagt Michel und lacht. Er erzählt davon, wie er damals Kontakte knüpfte, die bis heute halten. „Wenn ich gereist bin, habe ich meine Saat ausgebracht. Heute ernte ich ein großes, starkes Netzwerk von Freunden.“ Als Geschäftsmann bisweilen gnadenlos, ist er in Sachen Freundschaft treu und sozial. Sagt er über sich selbst. Zu seinen Freunden gehört etwa der US-Brauer Greg Koch, CEO von Stone Brewing, der in Berlin- Mariendorf immer noch an seinem Mega- Projekt werkelt, von dem aus er den europäischen Markt mit seinen Bieren aus der Dose bedienen will. Wenn der Craftbrauer denn endlich auch sein Restaurant mit 400 Sitzplätzen eröffnet, hat er Mahrs Bräu fest am Hahn.

Stephan Michel (Foto: Peter Dörfel)

Keinen Draht, kein Bier

Wer seine Biere verkauft, das schaut sich Michel genau an. Er sagt auch mal Nein. Ihm geht es um Beziehung, auch beim Geschäftemachen. Kein Gespür, keinen Draht, kein Bier. So einfach ist das. Michel weiß, dass seine Biere gut sind. Richtig gut. Deshalb dürfen sie auch was kosten. 1,50 Euro hat er dieses Jahr auf die Kiste draufgeschlagen. Ohne mit der Wimper zu zucken. Und? Das Bier wird gekauft. Michel sagt, er könne kaum den Markt bedienen. Dass sein Platz in der Wunderburg ist, dort wo in Bamberg schon seit ein paar Jahrhunderten gebraut wird, das wurde ihm richtig klar, als er zurück in der Heimat seinen Zivildienst leistete. „Da hab ich überlegt, wie es für mich weitergehen soll.“ Bei Doemens hat er seinen Braumeister gemacht und zunächst eine eigene Firma innerhalb des Familienunternehmens gegründet, hat Biere von Mahrs Bräu exportiert und auch von anderen Brauereien.
Seit 2009 ist Stephan Michel Geschäftsführer von Mahrs Bräu. Seinen Platz hat er sich erkämpft. Irgendwann hat dieser dem Jüngeren gehört, dem Stärkeren. Ihm, der weiß, was er will. Der sich durchsetzt. Der sich traditionell gibt und wertebewusst. Und manchmal sogar ein bisschen altmodisch wirkt. Wer durch den Biergarten mit den weißen Tischen das Wirtshaus betritt, hat vorher noch die Stehgammler passiert. Ältere Herren, die schon vormittags vor der Türe tratschen, die ihren eigenen Krug im Schrank stehen haben und die den Braumeister als kleinen Buben in der Lederhose über die Sandkerwa, die Bamberger Kirmes, flitzen sahen. Im Wirtshaus selbst scheint die Zeit stehen geblieben. Die Decken niedrig, dunkle Lamperie ringsum, ein grüner Kachelofen. An den Wänden alte Fotos, die Gardinen kariert. Der Tresen klein, das Bier vom Fass oder aus der Flasche. Die Tische besetzt, das Publikum gemischt. Nadine Albay, die junge Bedienung im schwarzen Dirndl, wirbelt. Biertreberschnitzel, Bierhaxe, Schweineschäuferla. Helles, Radler und das legendäre „aU“. „Hier kehrt alles ein“, sagt Michel, „Vom Straßenfeger bis zum Staatsanwalt.“

„Ohne meine Jungs bin ich nichts“

Verdreifacht hat er den Ausstoß in der Gastronomie in den letzten drei Jahren. Selbst auf Bierfesten in den USA werden die Mahrs-Biere ausgeschenkt. Überhaupt ist der US-Markt interessant, der in Italien noch viel mehr, sagt Michel, der als Geschäftsführer die Hektoliter seiner Brauerei von 10.500 im Jahr 2009 auf aktuell gut 20.000 verdoppeln konnte. Ein richtiges Projekt in diesem Jahr: der Collaboration Brew mit Sierra Nevada, einem der bekanntesten US-Brauer aus North Carolina. Nach einem alten Rezept der Bamberger Brauerei wurden mit Rohstoffen aus beiden Ländern 60.000 hl eines hellen Festbiers eingebraut. Ein „Oktoberfestbier“ nach dem Reinheitsgebot. Ein Projekt für die Zukunft: ein Bier zusammen mit Jeff Maisel, Inhaber der Brauerei Gebr. Maisel brauen. Arbeitstitel „M & M“. Das alkoholfreie Weißbier des Kollegen aus Bayreuth hat er in seinem Wirtshaus auf der Karte. Warum auch nicht.

Stephan Michel (v.l.) mit Braumeister André Kerling und Brauer Tim Heim. (Foto: Peter Dörfel)

Für Mahrs Bräu geht es steil nach oben. Und genauso soll es weitergehen. Ab Juli stellt Michel komplett auf Euro-Flaschen um, plant einen Relaunch der Etiketten, will das Wirtshaus erweitern, einen Shop eröffnen und die Mitarbeiter neu ausstaffieren – „die Handschrift wird einheitlich und deutlich erkennbar sein.“ Ab Februar 2017 soll das Sudhaus automatisch laufen und bald sollen die Mahrs-Biere auch in der Dose abgefüllt werden. In den Markt gehen will er zunächst mit Dosenbier für die dänische Metal-Band Volbeat. Michel hat nicht nur ein Gespür dafür, was bleiben kann wie es ist, weil es gut ist, weil es funktioniert. Er hat eine ungeheure Kraft für Dinge, die es zu verändern gilt. Ihm ist klar, dass er das nicht alleine schafft. Er sagt: „Ohne meine Jungs bin ich nichts.“ Vier Brauer hat er an seiner Seite, 30 Mitarbeiter insgesamt. Er empfindet es als Luxus, Dinge tun zu können, auf die er Lust hat. Reist er etwa zum Brauen in die USA, weiß er, dass sein Laden trotzdem läuft. Auf seine Leute kann er sich eben verlassen.

„Wir wollen der Region, in der wir aufgewachsen sind, etwas zurückgeben.“ Noch so ein Michel-Satz. Klingt nach Pathos. Ist aber ernst gemeint und heißt: Die Stadt, die Menschen, sollen etwas haben von dem was wir tun. Rohstoffe und Zutaten kommen aus dem fränkischen Jura, also von den Landwirten ringsum. Die Wege sind kurz, der Respekt vor Natur und Umwelt ist selbstverständlich. Moderne Technik in der Brauerei steht für nachhaltigen und schonenden Umgang mit Ressourcen. Klar.

Der Slogan, der in der Brauerei allgegenwärtig ist, den Michel auch so gerne ausspricht, „Das Mahrs aller Dinge“, ist schon eine ziemlich kühne Behauptung. Man könnte meinen, es stecke Unnahbarkeit darin, Hochmut. Dabei ist es ein Versprechen. Wer „A“ sagt, muss nämlich auch „U“ sagen.