Ein Hauch von Minze & Monroe

Mit der stürmischen Entwicklung in der Craftbier-Branche vollzieht sich auch in deutschen Hopfenanbaugebieten ein rasanter Strukturwandel. In der Hallertau werden immer mehr neue Aromasorten für eine weltweite Kreativszene gekreuzt und angebaut.

Hopfenbauer Josef Wittmann ist ein Pionier beim Anbau von Trendgewächsen / Credits: Pocorny

Wenn auf den Feldern zwischen Wolznach, Mainburg und Pfaffenhofen die ersten grünen Hopfentriebe aus dem Winterschlaf erwachen, beginnt für Josef Wittmann die schönste Zeit des Jahres. Was den umtriebigen Hopfenbauer fasziniert, sind auch die vielen Veränderungen in seiner Anbauregion. Neue Aromahopfen wie Polaris, Fantasia, Huell Melon oder Relax verströmen jetzt Düfte von Minze, Maracuja, Honigmelone und Papaya. Der ehemalige Präsident des Verbandes der Deutschen Hopfenpflanzer zählt selbst zu den Pionieren beim Anbau von Trendgewächsen wie Comet und Cascade. Inzwischen ist er hierzulande bislang auch der einzige Pflanzer, der in der Hallertau die aus amerikanischen Wildhopfen gezüchtete Hopfensorte Monroe anbaut, die er auf einer seiner Reisen in den USA entdeckte. „Ich habe mir gedacht, was die Amerikaner können, schaffen wir mit unserer jahrhundertelangen Hopfentradition bei uns schon lange“, sagt Wittmann.

Die ersten Monroe-Dolden gingen an Thomas „Hopfenstopfer“ Wachno aus Bad Rappenau, der daraus ein Imperial Pale Ale mit einem Aromenmix aus Himbeere, Kumquat, Kirsche und Aprikose zauberte. Die Lieferung an einen der kreativsten deutschen Jung-Brauer ist ein Zeichen dafür, dass die Hopfenbauern in der Hallertau schon vor Jahren den Trend zu aromatischen Craftbieren erkannt haben. Dabei gilt als wichtigste Herausforderung, nicht nur die deutsche Szene, sondern vor allem die USA als weltweit größten Genussmarkt mit neuen Aromasorten zu bedienen. Amerikanische Hopfenbauern werden dabei zu immer stärkeren Konkurrenten der deutschen Anbieter. Was diese besorgt: die Anbauflächen in Washington State, Oregon und Idaho explodieren geradezu – dank gesteigerter Nachfrage. Während dort noch 2011 weniger als 4000 Hektar mit Aromahopfen bepflanzt wurden, konnten die Produzenten im vergangenen Jahr schon auf rund 10.000 Hektar ernten.

In der Hallertau wird immer mehr auf Aroma-Hopfen gesetzt. / Credits: Mareike Hasenbeck

In der Hallertau, dem größten Anbaugebiet Deutschlands, stampfen die Bauern jetzt auf geeigneten Flächen vermehrt Standardhopfen ein und bauen lieber Flavor-Gewächse an. Aromasorten gelten schließlich als attraktiver und bringen durch wachsende Nachfrage und Raritätenstatus auch mehr Geld in die Kassen. Laut deutschem Hopfenpflanzer-Verband erweiterte sich allein in der Hallertau der Anteil von Aromahopfen mit heute rund 8200 Hektar auf 57 Prozent. Dabei dominieren jedoch nach wie vor traditionelle Sorten wie Perle, Hallertauer Mittelfrüh und Tradition.

Dies ändert sich derzeit aber bei wachsendem Interesse der Craftbier-Branche. Eine der wichtigsten Anlaufstellen für neue Kreationen ist das Hopfenforschungszentrum im bayerischen Hüll, inmitten der Hallertau. Hier experimentieren Wissenschaftler seit 2006 mit speziellen Kreuzungen teils unbekannter Aromasorten, die zunehmend Kreativbrauer in allen Teilen der Welt begeistern. In mühevoller Kleinstarbeit bestäuben sie dafür weibliche Dolden mit dem Samen männlicher Hopfen. Pro Jahr werden allein in Hüll 100 Kreuzungen durchgeführt und deren Wachstum über viele Jahre verfolgt. Übrig bleiben aber meist nur wenige Zuchtstämme, die bis zu zwölf Jahre brauchen, um eine mögliche Sortenanmeldung zu bekommen.

Die Nachfrage bestimmt hier die Marktdynamik: Seit 2012 kamen bereits zehn neue Sorten in Umlauf. Im Braujahr 2013 schafften davon allein vier Special-Flavor-Sorten den Durchbruch:

• „Mandarina Bavaria“ mit speziellen Orangen-, Aprikosen-, Limonen- und Mandarinenaromen
• „Huell Melon“ mit dem Geschmack von Honigmelone, Aprikose und Erdbeere
• „Hallertauer Blanc“ mit Weißweinnuancen und Noten von Mango, Stachelbeere und Grapefruit
• „Polaris“ mit Aromen von Minze und Gletschereisbonbons

Zu den meistgefragten Sorten gehört inzwischen „Mandarina Bavaria“, sagt Mark Zunkel von der Barth-Haas-Gruppe, dem weltweit größten Hopfenvertrieb: „Wir registrieren hier ein wachsendes Interesse bei amerikanischen Craft-Brauern“. Mandarina Bavaria wurde innerhalb kurzer Zeit zum Rohstoff für einige echte Kultbiere. So verbraute sogar Matt Brynildson von der kalifornischen Szene-Brewery „Firestone Walker“ in seiner neusten Kreation, dem „Easy Jack IPA“, neben bayerischem Huell Melon vor allem den Mandarinenhopfen. Auch Nick Floyd, Gründer der Innovationsschmiede „Three Floyds Brewing“ in Indiana und sein Chefbrauer Chris Boggess sind vom Hallertauer Hopfenwunder begeistert. In ihrer jüngsten Bier-Serie befinden sich drei der vier neuen Flavor-Hopfen aus bayerischer Züchtung.

2013 erfolgreich auf dem Markt angekommen: die Flavorsorte Huell Melon. / Credits: Mareike Hasenbeck

Während sich diese Sorten in kürzester Zeit etablieren konnten, steht der nächste Innovationsschub gerade an. Neue deutsche Hopfensorten, um die sich die Craft-Brauer bereits hinter den Kulissen reißen, wurden auf seltene Produktnamen wie Relax, Fantasia, Equinox und TNT getauft.

Relax war ursprünglich nicht einmal für das Bierbrauen gedacht, sondern für neue Teekreationen. Doch wegen seines hohen Ölgehalts fand diese Sorte schnell das Interesse bei innovativen Craftern. Die Aromen reichen von Kornblumen über Almwiesen-Heu bis hin zu Zitronengras und Hibiskus, nebst Noten von Honigmelonen.

TNT hingegen könnte sich zu einem echten Knaller der Craftbier-Szene erweisen. Angeblich soll die neue Entwicklung laut Sortenblatt von Anbieter Barth-Haas eine echte Maracuja-Geschmacksexplosion im Mund hervorrufen.

Auch Fantasia dürfte mit seinen Aromen von reifer Aprikose und Karamell zu spannenden Craft-Drinks führen. Ebenso der Equinox-Hopfen, der mit außergewöhnlichen Düften von Guave, Papaya und grüner Paprika aufwartet. Oliver Wesseloh, der bekannte Hamburger Brau-Champion von der Kehrwieder Kreativbrauerei, konnte mit einem ersten Equinox-Sud seine Fangemeinde bereits überraschen. Echte „Hop-Heads“, die Afficionados der Brauszene, stehen jedoch auch auf Neuzüchtungen, die noch nicht einmal einen Namen tragen. Eine der Attraktionen auf der diesjährigen Braukunst Live in München im März waren Versuchssude mit zwei neuen Hopfenzüchtungen der Craftwerk Brewing, einem kreativen Ableger der Bitburger Gruppe. Die nur durch Nummern wie etwa "2010/08/33" gekennzeichneten Neuhopfen weisen intensive Fruchtnoten von Aprikose und Maracuja, aber auch von Waldfrüchten wie Himbeere sowie Brombeere auf. Der zweite Teststamm „2010/72/20“ geht eher in Richtung Schwarze Johannisbeere, Pfirsich, Birne und tropische Früchte. Craftwerk-Brauer Stefan Hanke ist von den Züchtungen begeistert: „Wir können nur hoffen, dass sich die neuen Sorten auch tatsächlich einmal auf dem Markt durchsetzen werden.“

Eric Toft, Braumeister im oberbayerischen Schönram und Kultfigur der deutschen Craftbier-Szene, experimentiert selbst immer wieder mit neuen Hopfenkreationen. Als Berater des Hopfenpflanzer-Verbandes und ständiger Gast in der Hallertau kennt sich der gebürtige US-Amerikaner wie kaum ein anderer mit Neuzüchtungen von Humulus Lupulus aus und lässt sich von der aktuellen Dynamik hierzulande gern inspirieren: „Angesichts derzeitiger Innovationsfreude und Kreativität in den Anbaugebieten dürfen wir Brauer weiterhin auf die Zukunft des Hopfenanbaus in Deutschland gespannt sein.“