Heimlieferdienste wie die Flaschenpost sind der große Gewinner der Coronakrise in einem seit Jahren stagnierenden Konsumgütermarkt. (Foto: Flaschenpost)
Heimlieferdienste wie die Flaschenpost sind der große Gewinner der Coronakrise in einem seit Jahren stagnierenden Konsumgütermarkt. (Foto: Flaschenpost)

++Update++Oetker-Konzern greift nach Flaschenpost++Update++

Paukenschlag am Montagmorgen: Was sich ankündigte, hat sich nun bestätigt: Dr. Oetker beabsichtigt die Akquisition des Online-Getränkelieferdienstes Flaschenpost mit Sitz in Münster. Entsprechende Verträge seien am 30. Oktober 2020 unterzeichnet worden. Die Transaktion stehe unter Vorbehalt der Genehmigung durch die Kartellbehörden, heißt es.

Durstexpress steht zur Disposition

Der Kauf birgt eine gewisse Brisanz in sich, da Dr. Oetker mit seinem eigenen Heimlieferdienst "Durstexpress" offensichtlich nicht in der Lage gewesen ist, dem Platzhirsch in dem Segment Paroli zu bieten. Nun kauft der Herausforder das Original. Durch die geplante Akquisition der Flaschenpost ergänze Dr. Oetker das Angebot ihres zur Radeberger Gruppe gehörenden Berliner Online-Getränkelieferdienstes Durstexpress. Während Durstexpress seine Aktivitäten vorrangig aus Berlin und den östlichen Bundesländern entwickelt hat, tat dies Flaschenpost aus Nordrhein-Westfalen heraus. Geleitet werden soll das erweiterte Unternehmen von einem Vorstand, der sich aus Mitgliedern des Vorstands der Flaschenpost sowie der Geschäftsführung von Durstexpress zusammensetze. Der Vorstand soll an einen neu aufgestellten Aufsichtsrat berichten, der sich in den kommenden Wochen formieren werde.

Der Online-Getränkelieferdienst soll zukünftig aus zwei zentralen Verwaltungen in Berlin und Münster gelenkt und weiterentwickelt werden. Über den Kaufpreis hätten beide Parteien Stillschweigen vereinbart. Im Raum steht aber eine kolportierte Kaufsumme von 1 Milliarde Euro.

Jährliches Wachstum von 200 Prozent

Branchenkennern zufolge ist die Flaschenpost, gepämpert duch millionenfaches Fremdkapital, ein äußerst potent wachsender Getränkelieferant, der mittlerweile bundesweit in 23 Städten seine Standpunkte installiert hat. "Das jährliche Wachstum von 200 Prozent, die Deckungsbeitragsmarge von 50 Prozent und der Erfolg der Eigenmarken erklären den Akquisitionspreis,“ kommentiert ein VC-Experte nach Angaben des Internetportals Deutsche Startups. Flaschenpost soll alleine im Oktober 27 Millionen Euro Umsatz gemacht haben. Auf 12 Monate hochgerechnet sind das über 320 Millionen Euro. Die Oetker-Gruppe zahlt daher cirka dreimal Umsatz bzw. ungefähr sechsmal den hochgerechneten Innenumsatz von 160 Millionen Euro.

Corona als Wachstumsbeschleuniger

Experten zufolge passe der Mega-Deal ganz gut in die Zeit, da sich der stationäre Lebensmitteleinzelhandel (LEH) mit seinen Mitbewerbern Edeka, Rewe, Aldi, Lidl & Co. schon eine zeitlang in einer Konsolidierungsphase befinde. Die Marge liegt bei knapp 1 Prozent, sagte ein Edeka-Kaufmann gegenüber der GETRÄNKE ZEITUNG. Darunter leiden auch Konsumgüterhersteller wie die Oetker-Gruppe. Getränke sind neben Nahrungsmitteln der relevanteste Geschäftsbereich der Oetker-Gruppe (Henkell Freixenet, Radeberger Gruppe), die laut Brancheninsidern im Jahr 2017 3,7 Milliarden Euro durch den Verkauf ihrer Reederei Hamburg Süd eingenommen hatte. Die Coronakrise hat den Trend in Richtung Heimlierdienste zusätzlich begünstigt. 

Hersteller investieren verstärkt in Online-Kanäle

Auch Spirituosenherster wie Bacardi investieren am stationären Handel vorbei in digitale Vertriebskanäle, wie Geschäftsführer Nicoals Rampf im GZ-Gespräch bestätigt: "Der Kundenkanal ist für uns ziemlich spannend, weil wir dort das Gummiregal haben, über das wir alle schon seit Ewigkeiten geredet haben. Wir als Hersteller können auf dieser Basis viel schneller auch einmal auf Kundenbedürfnisse reagieren." Der digitale Weg, ob über Amazon oder über einen eigenen Kanal, sei für Getränkehersteller somit eine große Möglichkeit, über Pre-Launch, After-Sales sowie über Dialogmöglichkeiten den Konsumenten nachhaltig zu begleiten. //pip

GZ 09/24

Themen der Ausgabe

Titelthema: Gleisanschluss

Industrie und Getränkefachgroßhandel nehmen die Schiene ins Visier. Dekarbonisierung und Personalmangel drängen zum Umdenken. 56 Organisationen haben zu Beginn des Jahres die „Charta für die Schiene“ unterschrieben. Die Zeit drängt, denn der Gesetzgeber verlangt bis 2030 eine CO2-Reduktion von 40 Prozent gegenüber 2018. Die Crux: eine marode Bahn.

Aktuelles Interview: Maximilian Huesch

Maximilian Huesch ist Logistikexperte, Beirat und geschäftsführender Partner bei Huesch & Partner. Im Interview mit der GZ macht der Profi deutlich, vor welchen Herausforderungen die Branche steht, den Verkehr aufzugleisen.

Gastkommentar: Marcus Vollmers

Marcus Vollmers ist Geschäftsführer der Get N GmbH & Co. KG in Langenhagen, einem bundesweiten Zusammenschluss regional marktführender Getränke-Fachgroßhandelsunternehmen. Im Gastkommentar erklärt der Geschäftsführer, welche Vorteile eine stärkere Nutzung des Schienenverkehrs in Bezug auf Nachhaltigkeit und Bewältigung des Fachkräftemangels bieten.