Die Expertenrunde v.l.n.r.: Richard Dührkohp, Timon Kaufmann, Thomas Blankenberg, Uwe Albershardt und Oliver Wesseloh. (Foto: Alexander Pihuliak)
Die Expertenrunde v.l.n.r.: Richard Dührkohp, Timon Kaufmann, Thomas Blankenberg, Uwe Albershardt und Oliver Wesseloh. (Foto: Alexander Pihuliak)

Internorga: Getränketrends 2019

Die Internorga gilt als Leitmesse für den gesamten Außer-Haus-Markt. Vom 15. bis 19. März treffen in diesem Jahr wieder Branchenkenner und Entscheider aus Industrie, Gastronomie und Handel auf dem Hamburger Messegelände aufeinander, um die neuesten Trends und Kreationen aus Food und Beverages zu entdecken, zu kosten, zu diskutieren.

Mit ihrem umfassenden Angebot an Ausstellern und Produkten aus dem Getränkebereich bietet die Internorga Gastronomen, Barchefs und Handelsvertretern eine große Plattform für Getränke-Innovationen. Um die neuesten Innovationen und Trends bereits vorab ausloten zu können, haben wir uns im Vorfeld der Messe Branchenkenner aus den verschiedensten Bereichen der Getränkewelt nach Hamburg an einen Tisch geholt und mit ihnen darüber gesprochen, wo die Branche mit ihren vielfältigen Getränkesegmenten derzeit steht und in welche Richtung sie sich entwickeln wird.

Die aktuelle Situation

Uwe Albershardt, Vorstandsmitglied der Distributions-, Einkaufs, Vermarktungs- und Dienstleistungsplattform Team Beverage, erläutert zu Beginn der Gesprächsrunde, dass die Produktvielfalt innerhalb der Getränkebranche seit Jahren immer größer wird: „Wir bekommen im Quartal durchschnittlich 300 neue Produkte zugeschickt, die im Handel oder in der Gastronomie gelistet werden möchten. Nur wenige dieser Artikel schaffen es tatsächlich, sich am Markt durchzusetzen.“ Trotz vieler Neuheiten steige die absolute Zahl der Produkte auf dem Markt jedoch nicht an, da für jedes neue Produkt auch wieder ein anderes wegfalle. Bei Bier sieht Albershardt großes Potenzial für Themen wie Regionalität, das würden auch die Zahlen bestätigen: Rund 850 Craftbiere seien bei Team Beverage gelistet.

Oliver Wesseloh, Gründer und Inhaber der Kehrwieder Kreativbrauerei mit Sitz in Hamburg, ist beim Thema Regionalität noch geteilter Meinung. „Die Brauindustrie hat in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass der Verbraucher dem Produkt Bier gleichgültig gegenübersteht. Früher hat man noch einen bestimmten Bierstil, eine bestimmte Marke bestellt. Heute wird einfach nur noch ‚ein Bier‘ bestellt, da sich der Verbraucher meist nicht mehr mit dem Produkt auseinandersetzt. Dank vieler kleinen, kreativen Brauereien kommt die Vielfalt nach Deutschland zurück, endlich wird wieder differenziert über Bier gesprochen.“ Um das Thema Regionalität richtig spielen zu können, müssen die Verbraucher wieder sensibilisiert werden. „In der Gastronomie funktioniert das immer dann ziemlich gut, wenn es Gastronomen gibt, die sich in der Küche bereits mit Regionalität auseinandersetzen. Regionale Kreativbiere sind da nur die logische Konsequenz. Die Gäste nehmen das dankbar an und Verkostungen oder Beer Dinner sind immer ausverkauft“, so Wesseloh. Dennoch, das größere Volumen drehe sich im Handel und hier müsse noch einiges getan werden.

Trotzdem bleibt Wesseloh optimistisch: „Es gibt viele Gemeinschaftsprojekte, die das Thema Kreativbier vorantreiben. Es herrscht keine klassische Konkurrenzsituation zwischen den einzelnen Brauern.“ Craftbier habe maximal ein Prozent Marktanteil, daher sei noch sehr viel Luft nach oben, ist sich der Hamburger sicher. Um zu wachsen, ist eine Craft Beer Arena, wie es sie seit 2015 auf der Internorga gibt, vor allem für kleinere Brauereien immens wichtig, da diese oft kein großes Marketingbudget haben. „Die Craft Beer Arena gibt kleineren Brauereien eine Plattform sich zu präsentieren und sich bei Gastronomen und Händlern auf breiter Front bekannt zu machen“, so Wesseloh. Wichtig sei es, Bier wieder wertvoller und wichtiger zu machen. Denn: „Mit Bier kann man Leute begeistern“, das ist Oliver Wesseloh eine Herzensangelegenheit.

Stichwort Qualität

Wie sieht es im Segment Kaffee aus? Es gab zunächst ein Loch im Kaffeekonsum und dann plötzlich die Explosion im Kaffeemarkt durch kleine Röster und Handwerk. Wo stehen wir heute? „Die meisten Deutschen sind Wirkungstrinker. Sie trinken nicht des Geschmacks wegen, sondern wegen der Wirkung des Koffeins. Kaffee wurde seit dem 20. Jahrhundert immer viel getrunken, egal ob er gut oder schlecht war“, leitet Timon Kaufmann, Brewing Bartender und damit Spezialist für Kaffee, Cocktails und Gastronomie, in das Thema ein. Mittlerweile hat sich das Blatt jedoch ein wenig gewendet. Kaffee werde immer stärker als Qualitätsprodukt wahrgenommen und auch eine gewisse Zahlungsbereitschaft sei vorhanden. Kaufmann: „Ab 2010 blieben die Absätze bei Kaffee konstant, die Umsätze gingen aber nach oben. Die Leute geben also mehr Geld für die gleiche Menge Kaffee aus.“ Diese Entwicklung ist sehr positiv, auch wenn es starke Unterschiede gibt, wenn man Personen aus der Stadt und auf dem Land vergleicht. „In der Stadt sind die Leute eher bereit, mehr Geld für Kaffee auszugeben“, so der Experte.

Die Vielfalt im Getränkemarkt steigt also. Der Craftbier-Markt wächst, Kaffee wird als Genussmittel von guter Qualität wahrgenommen und kommt mittlerweile auch als „Cold Brew“ in den verschiedensten Cocktail-Kreationen zum Einsatz. Wie sieht dagegen die Lage im Saftsegment aus? Um diese Frage zu klären, haben wir Thomas Blankenberg, Vertriebsdirektor Handel und Gastronomie bei Rauch Deutschland, zu unserer Gesprächsrunde eingeladen. „Die Vielfalt im Saftmarkt steigt erheblich. Dabei spielt Transparenz, also die Herkunft der Rohstoffe, eine große Rolle“, so der Experte. Mittlerweile müsse man auch außergewöhnliche Zutaten und vor allem Bio-Produkte anbieten, um den Verbraucher abzuholen. Dabei werden die Herausforderungen an den Einkauf immer größer. „Wenn man Bio einkauft, muss gewährleistet werden, dass man so viel kaufen kann, dass der Kunde auch mindestens ein Jahr lang mit dem Endprodukt beliefert werden kann“, erklärt Blankenberg.

Welchen Wert hat die Marke?

Bei Saft spiele zudem die Marke eine wichtige Rolle. „Die Marke gibt sowohl den Verbrauchern als auch den Gastronomen Sicherheit“, sagt der Rauch-Mann. Dazu Richard Dührkohp, Bar Manager im Tortue Hamburg, in dem das Expertentreffen stattfand: „Heutzutage geben wir als Gastronomen dem Gast das Qualitätsversprechen, nicht mehr die Marke.“ Die Gäste lassen sich beraten und legen Wert darauf, etwas zu bekommen, was sie sonst nicht bekommen, ergänzt Dührkohp. Damit meint er unter anderem spezielle Zutaten oder die besondere Zubereitungsart eines Getränks. Beim Thema Saft sei es im Hotelwesen und der Gastronomie in der Regel so, dass die Gäste frisch gepresste Säfte präferieren.

Uwe Albershardt ist ebenfalls der Meinung, dass die Gastronomie Marken macht: „Der Gastronom entscheidet, was der Gast trinkt und was nicht, indem er mit der Zusammensetzung seiner Karte bereits eine Vorentscheidung trifft.“ Außen vor sei jedoch der Spirituosenmarkt, dieser ist nach Albershardts Auffassung wiederum sehr Marken-getrieben. Wichtig ist: „Eine Marke muss differenzieren. Wenn alles gleich ist, kann sich der Gastronom selbst mit tollen Konzepten nicht mehr von seinem Umfeld abheben. Eine auf den Gast zielgerichtete Getränkekarte wird dabei immer wichtiger.“

Die Branchentrends 2019

Wie sehen sie nun aus, die Branchentrends für dieses Jahr? Wonach müssen die Besucher der diesjährigen Internorga Ausschau halten, wenn sie das umfassende Aussteller- und Produktangebot im Getränkebereich betrachten? „Im Segment Kaffee führt der Trend ganz klar hin in Richtung bessere Qualität und damit auch zum Thema Genuss“, erläutert Timon Kaufmann. Auch bei Saft sei Qualität das oberste Credo, so Blankenberg, der hinzufügt, dass der Gast Saft lieber in einer 0,2 l-Portionsflasche serviert bekommt, die bereits Qualität vermittelt, als ein Glas vom offenen Ausschank. Und das gelte für alle alkoholfreie Getränke. Für den Bar-Bereich steht für Richard Dührkohp weiterhin das Thema Gin im Fokus, dessen Hype zunächst nicht gebrochen werde. „Der Trend geht aber auch hin zu leichteren Getränken mit Wermut oder Portwein“, sagt Dührkohp. Für Uwe Albershardt stehen Qualität und Regionalität an der Trend-Spitze, bei den Spirituosen auch ganz klar Gin. Interessant seien zudem die Bittergetränke, die sogenannten Filler, dahinter.

Für die kommenden Jahre sieht Oliver Wesseloh neben Qualität auch die Themen Geschmacksvielfalt, Individualität und Kreativität als entscheidende Faktoren im Getränkemarkt. Dührkohp dagegen geht davon aus, dass sich der Verbraucher auf Dauer auf das Natürliche zurückbesinnt, da er mit all den Geschmacksrichtungen auf dem Markt langfristig überfordert sein wird. Blankenberg betont, dass das Segment der alkoholfreien Getränke weiter wachsen wird, da es „uns den ganzen Tag begleitet, egal wo wir sind“. Zum Abschluss appelliert Uwe Albershardt, dass die Gastronomen mehr auf die Qualität ihrer Getränkehändler achten sollten, und nicht nur den Günstigsten wählen sollten. Nur so könne auch der Verbraucher optimal zufrieden gestellt werden.

Es sind also zahlreiche Themen, die die Getränkebranche derzeit umtreibt und auch in Zukunft weiter beschäftigen werden. Die Internorga bietet daher eine optimale Plattform, einen Begegnungsplatz für die Branche, auf der sich die Fachbesucher über handgefertigte Biere, Spirituosen und alkoholfreie Getränke, aber natürlich auch über die Trends von morgen austauschen können – alles unter einem Dach. Unsere Experten sind sich einig: Solche Messen werden wichtiger denn je!

GZ 09/24

Themen der Ausgabe

Titelthema: Gleisanschluss

Industrie und Getränkefachgroßhandel nehmen die Schiene ins Visier. Dekarbonisierung und Personalmangel drängen zum Umdenken. 56 Organisationen haben zu Beginn des Jahres die „Charta für die Schiene“ unterschrieben. Die Zeit drängt, denn der Gesetzgeber verlangt bis 2030 eine CO2-Reduktion von 40 Prozent gegenüber 2018. Die Crux: eine marode Bahn.

Aktuelles Interview: Maximilian Huesch

Maximilian Huesch ist Logistikexperte, Beirat und geschäftsführender Partner bei Huesch & Partner. Im Interview mit der GZ macht der Profi deutlich, vor welchen Herausforderungen die Branche steht, den Verkehr aufzugleisen.

Gastkommentar: Marcus Vollmers

Marcus Vollmers ist Geschäftsführer der Get N GmbH & Co. KG in Langenhagen, einem bundesweiten Zusammenschluss regional marktführender Getränke-Fachgroßhandelsunternehmen. Im Gastkommentar erklärt der Geschäftsführer, welche Vorteile eine stärkere Nutzung des Schienenverkehrs in Bezug auf Nachhaltigkeit und Bewältigung des Fachkräftemangels bieten.