Wenn Hagel die halbe Ernte vernichtet ...

Was zunächst ganz harmlos als watteweiches Cumulonimbus-Schäfchen daher kommt, kann sich in kürzester Zeit in einen schwarzblauen Wolkenturm verwandeln, der seine Unheil bringende Fracht krachend gen Erde schickt und innerhalb von Minuten Weinberge und Obstgärten vernichtet.

Kein Zweifel: Hagel und sommerlicher Starkregen haben in den vergangenen Jahren vor allem in den deutschen Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern deutlich zugenommen. Aber auch Mosel und Pfalz, die Schweiz, die Steiermark und das niederösterreichische Kamptal mussten verheerende Hagelschläge hinnehmen. Das Thema Hagelversicherung und Hagelschutz wird deshalb auch auf der INTERVITIS INTERFRUCTA 2013 vom 24. - 27. April in der Messe Stuttgart eine wichtige Rolle spielen.

Dass die Gefahren extremer Witterung im Zeichen des Klimawandels zugenommen haben, bestätigt Hans-Ulrich Eppler von der Vereinigten Hagelversicherung ohne Umschweife: "Alleine in Baden-Württemberg mussten wir seit 2008 drei Überschadenjahre verkraften, die wir nur aufgrund unserer geografischen Risikostreuung von Litauen und Polen über die Niederlande und ganz Italien bis hinunter nach Sizilien kompensieren konnten."

Fast identisch zog am 26. Mai 2009 und am 13. Juli 2011 zum Beispiel ein katastrophaler Hagelzug von Südfrankreich über die Schweiz zum Bodensee und von dort aus weiter über Oberschwaben und Bayern hinweg bis nach Tschechien. 2009 war diese Hagelfront nahezu 1.000 Kilometer lang und bis zu 40 Kilometer breit. Verheerende Schäden für den deutschen Weinbau gab es allein im vergangenen Jahr am 26. August an der Mittelmosel, in Veldenz und Brauneberg, am 24. August im badischen Durbach und in Oppenheim am Rhein, am 12. Juli im württembergischen Beilstein und am 5. Juni im Wonnegau und in der Nordpfalz.

Was tun dagegen? - Steigender Beliebtheit erfreuen sich seit Jahren Hagelschutznetze, die es in unterschiedlichen Ausführungen gibt und die - als angenehmer Nebeneffekt - auch Fraßschäden durch Vögel, Wespen und Wild reduzieren. Allerdings liegen die Investitionskosten je nach gewähltem System und Hersteller zwischen 7.000 und 14.000 Euro pro Hektar. Und: die Netze lassen natürlich weniger Sonnenlicht durch, was sich bei mehreren Untersuchungen in ein bis zwei Grad Oechsle weniger Mostgewicht nieder geschlagen hat.

Weltweit setzen dabei einige Weinregionen auf die direkte Bekämpfung der Gefahr durch den Hagelflieger. Im Großraum Stuttgart sind die Flugzeuge bereits seit 1980 im Einsatz. Koordiniert durch den stark gefährdeten Rems-Murr-Kreis sitzen hier Land, Kommunen, Firmen sowie Obst- und Weinbauverbände in einem Boot und teilen sich die Kosten. Das Prinzip der Hagelflieger erklärt Dr. Dietmar Rupp von der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau (LVWO) in Weinsberg so: "Um die Gewitterwolken frühzeitig zum Abregnen zu bringen, werden sie vom Flugzeug aus mit einem Gemisch aus Aceton und Silberjodid beimpft. Übrig bleiben feinst verteilte Kondensationskerne, die Regen auslösen oder zumindest die Entstehung großer Hagelkörner verhindern."

Ganz ähnlich arbeitet seit mehr als drei Jahrzehnten östlich von Graz die Steirische Hagelabwehrgenossenschaft für den Wein- und Obstbau, für die Winzer im niederösterreichischen Langenlois ist der Hagelflieger seit gut 20 Jahren im Einsatz. Der Hagelabwehrverband Ostschweiz schützt in den Kantonen Thurgau und St. Gallen südlich des Bodensees die Wein- und Obstlagen mit Silberjodid-haltigen Hagelraketen, die von 250 eigens dafür ausgebildeten Winzern und Obstbauern bis zu 1.500 Meter hoch in die Wolken geschossen werden - allerdings erst nach vorheriger Anmeldung bei der Flugsicherung Skyguide…Über den Erfolg all dieser Maßnahmen wird immer wieder gestritten.

Fakt ist aber: in der Steiermark haben wissenschaftliche Begleituntersuchungen immerhin eine Abnahme der Hageltage und der großen Hagelkörner mit mehr als zwei Zentimetern Durchmesser belegt.

Hagelabwehrmaßnahmen mit Silberjodid

Das Thema Hagelschutz wird angesichts der jüngsten Häufung von Schadensfällen auf der INTERVITIS INTERFRUCTA 2013 mit Sicherheit intensiv diskutiert werden. Der Deutsche Weinbauverband als Veranstalter und die Messe Stuttgart als Durchführungsgesellschaft erwarten unter den mehr als 600 Ausstellern vom 24. - 27. April 2013 auch zahlreiche Anbieter von Versicherungsdienstleistungen - von Hagelschäden und Hochwasser über Betriebseinrichtungen, Lager und Maschinen bis hin zu Feuer, Frost oder Photovoltaikanlagen.

Laut Hans-Ulrich Eppler von der Vereinigten Hagelversicherung steigt derzeit vor allem die Nachfrage nach Mehrgefahrenversicherungen "exponentiell". "Zum "Anwärmen" der Thematik wird der Deutsche Weinbauverband am 29. August in Zusammenarbeit mit der Vereinigten Hagel und der R + V-Versicherung ein INTERVITIS-Vorseminar zum Risikomanagement und der Mehrgefahrenversicherung im Weinbau durchführen. Mehr Informationen dazu gibt es auf der DWV-Homepage http://www.dwv-online.de/kongress.

Quelle: Landesmesse Stuttgart, Kirschbaum

ddw 08/24 vom 19. April 2024

Themen der Ausgabe

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ddw im Gespräch mit Ron Richter von klimafarmer
und Philipp Wedekind vom Weingut Wedekind

Kellertechnik

Entwässerungssysteme richtig planen