Viel Wirbel um das neue EU-Bezeichnungs­recht

Der Generalsekretär des Deutschen Weinbauverbandes, Dr. Rudolf Nickenig, kritisierte in seinem Vortrag auf dem Rheingauer Weinbautag massiv die Vorgehensweise der EU-Kommission bei der Reform des Europäischen Weinrechtes und lobt Verhandlungserfolge der deutschen Bundesregierung.

Gegen den Widerstand von Deutschland, Österreich und einigen kleineren mittel- und osteuropäischen Weinbauländern hatte der EU-Ministerrat auf Vorschlag der EU-Kommission eine tiefgreifende Änderung der Etikettierungsvorschriften für Wein beschlossen. Zukünftig wird nicht mehr zwischen einfachen Tafel- und Qualitätsweinen, sondern zwischen Weinen mit geschützter Herkunftsangabe und Weinen ohne Herkunftsangabe unterschieden. Viele Fachleute erwarten eine Verunsicherung der Verbraucher, denn Marktuntersuchungen haben gezeigt, dass die deutschen Verbraucher das deutsche Qualitätssystem besser kennen als das Herkunftssystem der Franzosen oder Italiener.

Nickenig begrüßt, dass die Bundesregierung in zähen Verhandlungen erreicht hat, dass die traditionellen deutschen Qualitätsbezeichnungen wie Qualitäts- und Prädikatswein, Kabinett, Spät- und Auslesen weiter verwendet werden können. Vorrangiges Ziel der notwendigen Anpassung der deutschen Weinrechtsvorschriften an das geänderte EU-Recht sei daher, den Status quo weitestgehend zu sichern, ohne sich Fortentwicklungen für die Zukunft zu verbauen.

Als Brüsseler Schildbürgerstreich bezeichnet der DWV-Generalsekretär Vorgehensweise und Zeitplan der Brüsseler Behörden: "Die Mitgliedsstaaten sollen bis August 2009 das neue Etikettierungsrecht angepasst haben, dessen rechtliche Grundlage bis heute noch nicht in Brüssel verabschiedet ist. Eine deutsche Version wird frühestens im April vorliegen. Außerdem sollen sie bis zu diesem Zeitpunkt ihre nationalen Rechtstexte an vielen Stellen auf bestimmte Artikel der neuen Brüsseler Weinmarkt-Verordnung Nr. 479 aus dem Jahre 2008 anpassen. Dabei hat die Kommission bereits angekündigt, dass sie diese Rechtsgrundlage Ende des Jahres außer Kraft setzen und in eine allgemeine Marktordnung für alle Agrarprodukte integrieren will. Dann waren alle Anpassungen des Bundes und der Länder für die Katz und die gesetzliche Änderungsprozedur kann von Vorne losgehen. Das schafft Rechtsunsicherheit und Verdrossenheit bei den Betroffenen!"

Die neuen Bezeichnungsmöglichkeiten des EU-Rechtes, nämlich "geschützte Ursprungsbezeichnung" und "geschützte geographische Angabe", sollten - nach Vorstellungen des DWV - zunächst sorgfältig geprüft, deren mögliche Nutzung auf Marktuntersuchungen gestützt werden, bevor über ihre Verwendung in Deutschland entschieden werde, so Nickenig. "Für mich haben neue Weinbegriffe nur dann einen Sinn, wenn dahinter ein neues Qualitäts- und Produktkonzept steht. Ansonsten verwirren sie nur noch mehr die Verbraucher, die heute bereits große Schwierigkeiten haben, die Bezeichnungs- und Angebotsvielfalt in den Weinregalen zu durchblicken!", betont der DWV-Generalsekretär.

ddw 08/24 vom 19. April 2024

Themen der Ausgabe

Weinbau

Die neue Humustheorie

Interview

ddw im Gespräch mit Ron Richter von klimafarmer
und Philipp Wedekind vom Weingut Wedekind

Kellertechnik

Entwässerungssysteme richtig planen