Anmerkungen zum Thema "Reserve"

In Ausgabe DER DEUTSCHE WEINBAU 25-26/08 wurde im DEUTSCHEN WEINBAU ein Beitrag von Prof. Dr. Hans-Jörg Koch zum Reserve-Urteil des OVG Rheinland-Pfalz zum "Thema Reserve" veröffentlicht (8 A 10808/08.OVG). Hierzu erreichten die Redaktion Leserzuschriften der Rechtsanwälte Klaus Rohwedder (Mainz) sowie Hans Hieronimi (Koblenz), die wir nachfolgend zusammenfassen.

Anmerkungen von RA Klaus Rohwedder:
Der Bericht von Koch bedarf einiger Ergänzungen:
1. Der Bericht ist mit einem Bild geschmückt, das die grotesken Auswirkungen beim praktischen Gebrauch der "Réserve"-Bezeichnungen noch deutlicher werden läßt: Dort ist das Etikett eines vermutlich rumänischen Weines mit dem Wort "RESERVE" abgebildet. Bekanntlich wird bei Großbuchstaben ein "accent aigu" nicht verwendet. Kann sich der Verwender des abgebildeten Erzeugnisses darauf berufen, daß er die nicht geschützte französische Schreibweise (Réserve) meint und keinesfalls die geschützte österreichische (Reserve)?

2. Die von Koch vorgeschlagene Verbraucherumfrage zur Klärung der Bedeutung der Reserve-Begriffe ist kaum zielführend. Es steht noch nicht einmal fest, ob im allgemeinen Sprachgebrauch unter "Reserve", in welcher Schreibweise auch immer, etwas vom Üblichen oder Normalen zum Besseren hin Abweichendes verstanden wird: Beim Sport werden die Reserve-Mannschaften grundsätzlich von den weniger guten bzw. weniger geübten Spielern gebildet. Der "Reservist" ist nur der Ersatzsoldat, jedenfalls nicht besser als der, den er ersetzen soll. Der Bedeutungs-Duden nennt drei Bedeutungsvarianten: Es kann sich um die Bezeichnung von "Vorrat" oder um "Ersatz für eine aktive Gruppe von Personen" oder um "Zurückhaltung" (z. B. bei Äußerungen) handeln.

3. Koch hält es als Folge des "Reserve-Urteils" für möglich, daß es einen "Réserve-Boom" in der Weinbezeichnung geben wird; er wünscht eine gesetzliche Regelung. Ich halte es für unwahrscheinlich, daß es zu einem derartigen Boom kommt. Eine gesetzliche Regelung ist überflüssig. Nach der jetzigen Rechtslage muß der Verwender von Zusatzbezeichnungen deren Richtigkeit beweisen. Das wird kaum möglich sein, wenn ein Weinkontrolleur im konkreten Fall einen Wein als für seine Kategorie nur durchschnittlich beurteilt, so daß dieser Wein wegen Irreführung nicht als "Réserve" oder "Privat-Reserve" oder gar "Grand Réserve" bezeichnet werden darf. Der Bezeichnungsverwender müßte dann nachweisen, daß die Weinkontrolleure den Wein falsch beurteilt haben. Allerdings habe ich in jahrzehntelanger intensiver Anwaltstätigkeit im Weinrecht noch nicht erlebt, daß ein Gericht die sensorische Falschbeurteilung eines Weines durch Weinkontrolleure festgestellt hat.

4. Letztlich strebt Koch das Verbot anderer ergänzender Angaben im Sinne von Anhang VII B, ZIff. 3 VO (EG) 1493/99 an. Deutlich ausgedrückt: Koch will das in der genannten Verordnung eingeführte Mißbrauchsprinzip so einschränken, daß es wieder dem in derselben Verordnung abgeschafften Verbotsprinzip gleichkommt. Dadurch wird aber die Weinwirtschaft unnötig gegängelt. Das derzeitige System läßt der Weinwirtschaft die Freiheit, den Verbraucher durch zusätzliche Angaben auf dem Etikett über die Beschaffenheit des Weines zu informieren. Das ist gut so. Eine Verunsicherung des Verbrauchers, die Koch vermutet, ist nicht festzustellen. Denn verunsichert kann nur derjenige Verbraucher sein, der vorher in der Lage war, mittels Etikettierung den Wein zu beurteilen. Das sind die sogenannten Weinkenner. Für diese Gruppe braucht erst recht keine weitere gesetzliche Regelung geschaffen zu werden. Denn die orientieren sich in aller Regel daran, wie ihnen der Wein schmeckt und ob das Geschmackserlebnis den geforderten Preis wert ist.

Anmerkungen von Hans Hieronimi:
Zu der richtigen und wichtigen Anmerkung von Prof. Dr. Hans-Jörg Koch ist anzufügen, dass der Kläger dieses Verfahrens in der Zwischenzeit beim Deutschen Patent- und Markenamt die Marken "Réserve” und "Grande Réserve” als Wortmarke für alkoholische Getränke angemeldet hat. Sollten diese Marken eingetragen werden, können sich die Auswirkungen auf die Praxis erheblich reduzieren. Denn dann wird nur der Markeninhaber die Marke nutzen oder diese nur gegen Zahlung von Lizenzgebühren anderen überlassen wollen.

Die hierdurch erlangte Monopolstellung könnte - wie bereits von Prof. Koch angemerkt - nur der Gesetzgeber "brechen” - sofern das von der Mehrheit der Weinwirtschaft gewünscht wird. In der Weinverordnung müssten dann die Begriffe "Private Reserve”, "Réserve” und "Grande Réserve” definiert werden. Zur Wahrung des Besitzstandes des Markeninhabers könnte diesem gestattet werden, die Marken einen begrenzten Zeitraum lang weiter zu verwenden.

Eine gesetzliche Regelung der neuen Qualitätsstufenangaben "Privat Reserve”, "Réserve” und "Grande Réserve” könnte sich - siehe auch Prof. Koch - an der österreichischen Bezeichnungsregelung orientieren. Diese zielt bei der Angabe "Réserve” nicht nur Mindestreifelagerung, sondern auch darauf ab, dass diese Angabe nur für Weine "mit besten erkennbaren Eigenschaften hinsichtlich ihrer sortentypischen Eigenart und Herkunft verwendet werden” dürfen.

Hier gehts zum Beitrag von Prof. Koch, Ausgabe 25-26/08

ddw 08/24 vom 19. April 2024

Themen der Ausgabe

Weinbau

Die neue Humustheorie

Interview

ddw im Gespräch mit Ron Richter von klimafarmer
und Philipp Wedekind vom Weingut Wedekind

Kellertechnik

Entwässerungssysteme richtig planen