Ausgabe 23/2017

Boutique oder Kramladen?

ddw23/2017

Der Begriff Boutique stammt aus dem französischen und bezeichnet ein kleines Geschäft, häufig für Kleidung oder Schmuck. Etwas abfällig kann man laut Wikipedia auch einen Kramladen als »Boutique« bezeichnen. In anderen Branchen, etwa bei Rechtsanwälten oder Instrumentenbauern, hat sich der Ausdruck hingegen für kleine, spezialisierte Anbieter mit besonderer Qualität etabliert. Letzterer Definition folgend, behaupte ich: »Deutschland ist eine Boutique-Weinbaunation«. Wenn Sie sich die Zahlen der Produktionsstatistik auf Seite 12 anschauen, werden Sie feststellen, dass wir zu den kleinen unter den klassischen Weinbaunationen gehören. Wir sind nicht groß, aber dafür spezialisiert. Wir haben gut ausgebildete Winzer, ein eher kühles Klima sowie eine besondere Stilistik, die unsere Weine auch international begehrt macht. Das spricht für meine »Weinbau-Boutique-These«. Was aber macht eine Mode- oder Anwalts-Boutique neben der Spezialisierung und dem Angebot noch aus? Richtig: Ihr Betreiber. Er weiß genau, was er hat und was ihn von seinen Mitbewerbern unterscheidet. Das bietet er selbstbewusst und selbstverständlich zu einem etwas höheren Preis an. Schließlich hat er etwas, das nicht jeder hat. Die deutschen Weinerzeuger sind in einer vergleichbaren Situation, aber ausgerechnet in diesem Punkt verhalten sich viele nicht wie Boutique-Betreiber – obwohl sie das zweifelsohne könnten. Ganz im Gegenteil, hinsichtlich Profilierung und Preispolitik gleichen viele eher einem Kramladen. Das unterscheidet sie vom spezialisierten Anwalt und vom Instrumentenbauer. Wir sollten uns entscheiden, was wir sein wollen. Die Voraussetzungen dafür, eine gefragte Boutique zu sein, waren nie besser als heute.