Ausgabe 21/2018

Voll beschäftigt

ddw21/2018

In der Volkswirtschaftslehre steht Vollbeschäftigung
für die Auslastung aller arbeitswilligen
Erwerbspersonen. Was für viele Weinbaubetriebe
Normalzustand ist, trifft nicht auf die gesamte
Volkswirtschaft zu — zumindest nicht theoretisch,
denn danach wäre die Vollbeschäftigung erst bei
einer Zahl von rund einer Million Arbeitslosen
erreicht. Momentan liegen wir mit etwa 2,3 Millionen
allerdings schon auf Rekordtief. Die Berechnungsgrundlage
aber wurde in den vergangenen
Jahrzehnten mehrfach angepasst – mit immer
positiveren Resultaten. Ältere Arbeitssuchende,
Krankgeschriebene oder Menschen in Fortbildung
tauchen erst gar nicht in der Statistik auf – genau
wie Ein-Euro-Jobber. Die Gruppe der Menschen
ohne Arbeit oder derer in »Unterbeschäftigung«
scheint folglich deutlich über 3 Millionen zu liegen.
Somit sollten der Volkswirtschaft zumindest
rein rechnerisch noch einige Arbeitnehmer zur
Verfügung stehen. Rückmeldungen von Weinbaubetrieben,
die nicht mehr wissen, wie sie alle
anfallenden Arbeiten erledigen sollen, lassen
das Gegenteil befürchten oder am Willen einiger
potenzieller Arbeitskräfte zweifeln. Es mangelt
längst nicht mehr nur an qualifizierten Fachkräften.
In ihrer Not wenden sich einige Betriebsleiter
an die Bundesagentur für Arbeit, andere setzen
auf private Jobvermittler. Die Geschichten, die wir
zu hören bekommen, muten teilweise abenteuerlich
an. Etwa wenn staatliche Arbeitsvermittler
dem steuerzahlenden Winzer erklären, warum
es für die Leistungsbezieher unattraktiv sei, die
»schlecht bezahlte und körperlich anstrengende
Tätigkeit im Weinbau« anzunehmen. Oder
wenn Winzer von osteuropäischen
Arbeitsvermittlern berichten, die in
ihrem Gebaren irgendwo zwischen
Mafiaboss und Menschenhändler
anzusiedeln sind. Vielen dieser Geschichten
fehlt das Happy End. Somit
fehlt eine befriedigende Lösung für
den Weinbau. Ein vernünftiges
Einwanderungsgesetz sowie
Anreize zur Wiedereingliederung
in den Arbeitsmarkt
könnten helfen.