Ausgabe 16/2020

»Sommerpause« in Deutschland
ddw16-17/20

In diesem Sommer hält sich das Fernweh der Deutschen
in Grenzen: Die Folgen der Corona-Krise verstärken den
Trend der letzten Jahre zum Urlaub im eigenen Land.
Schon vor der Pandemie verbrachte rund ein Viertel der
Deutschen die Ferien in eigenen Gefilden. Dieser Anteil
wird sich im Jahr 2020 erhöhen. Laut Umfragen von Meinungsforschungsinstituten
verbringen über 35 Prozent der Deutschen
ihre Ferien in Deutschland. Für den Tourismus lassen sich damit
jedoch die verlorenen Monate März, April und Mai natürlich
nicht mehr aufholen, in absoluten Zahlen gesehen, geht das
Reisevolumen
dieses Jahr zurück.
Was bedeutet dieses geänderte Urlaubsverhalten für die deutschen
Weinerzeuger? Profitieren sie von höheren Urlauberzahlen
in den Weinregionen? Führt diese Entwicklung zu einem
stärkeren Konsum von deutschem Wein? Viele Betriebe hoffen
jedenfalls auf eine weitere Normalisierung und ein stärkeres Aufleben
von Gastronomie und Fachhandel. Der »Lockdown« hatte
zu einer Verschiebung des Weinabsatzes in den Lebensmitteleinzelhandel,
in den Onlinehandel und die Direktvermarktung
geführt. Neben dem HORECA-Sektor hatten vor
allem auch Export und Fachhandel stark verloren.
Die Lockerungen im Mai – die Wiederöffnung
des Gastronomiebereichs unter Einhaltung
von strengen Hygieneregeln – hatten dann
eine weitere Verschlechterung verhindert und
der Rückgang der Absätze hat sich nicht weiter
beschleunigt. Doch wie wird es in der 2. Jahreshälfte,
in und nach der Urlaubszeit weitergehen (vgl. auch Bericht
Frau Prof. Dr. Loose zu Corona-Folgen Teil 2, S. 32 ff )?
Von Sommerpause war in der Politik zunächst nicht viel zu
spüren. In Brüssel hatten die Staats- und Regierungschefs Ende
Juli nach tagelangen intensiven Diskussionen einen politischen
Kompromiss über den künftigen mehrjährigen Finanzrahmen
(MFR) und spezifische Aufbaumaßnahmen zur Abfederung der
Folgen der Corona-Krise beschlossen. Das umfasste auch das
Budget für die GAP, das natürlich als Folge des Brexits im Vergleich
zu früher gekürzt wurde.
In Bonn und Berlin und innerhalb der Weinbaubranche gingen
die Diskussionen um die Reform des Weingesetzes und
insbesondere des Bezeichnungsrechts weiter. Coronabedingt
konnten viele Diskussionen und Erläuterungen nicht vor Ort im
direkten Dialog geführt werden, so dass vielen Erzeugern die
Chancen des neuen Systems noch nicht bewusst sein dürften.
Auch die Konsequenzen der vorgenommenen Streichung der
Leitgemeinderegelung im EU-Recht, die das BMEL in seinem
Vorschlag umsetzt und die Positionen hinsichtlich des Bezeichnungsrechts
und der Übergangsfristen, auf die sich der Vorstand
des DWV verständigt hat, sind noch nicht überall an der Basis
angekommen. Hier besteht noch Informationsbedarf.
Neben dem BMEL war auch das BMU im Sommer fleißig und
hat seinen Teil des Insektenschutzprogramms vorgelegt, das der
Branche großes Kopfzerbrechen bereiten wird. Für die Landwirtschaft
sind harte ordnungsrechtliche Auflagen vorgesehen,
andere Einflussbereiche, wie etwa die Themen Lichtverschmutzung
und Flächenverbrauch, werden dagegen nur allgemein angesprochen.
Da wird auch der Weinbau entsprechend reagieren
müssen.
Mal sehen, welche neue Entwicklungen in diesen Gesetzgebungsverfahren
der Herbst bringt! Auf diesen steuern wir zumindest
bereits im Weinberg mit großen Schritten zu.
Vom Reifestand betrachtet, dürfen wir mit
einem frühem Herbstbeginn rechnen. Im Südwesten
dürfte es bereits in der 3. Augustdekade,
in der Mitte um den Monatswechsel und
nördlicher dann in der ersten
Septemberhälfte losgehen.
Die Trockenheit ist zwar
schon länger ein Thema,
war aber bisher in Normalanlagen weitgehend
noch verkraftbar. Insbesondere in
exponierten Lagen sind die Trockenstresssymptome
jedoch deutlich sichtbar. Für
den Endspurt bis zur Traubenlese hoffen
wir, dass sich in dieser wichtigen Reifephase
– trotz Hitzewelle – die Traubenentwicklung
positiv fortsetzt.