Ausgabe 16/2017

Fachkräftemangel bald auch bei uns?

Der Deutsche Weinbau  16-17/2017

Das Schlagwort Fachkräftemangel kennen wir bisher eher aus anderen Branchen. Ganz vorne mit dabei sind laut einem aktuellen Ranking der Bundesagentur für Arbeit die Bereiche: Bau, Fahrzeugtechnik, Elektronik, Software und natürlich die Pflegeberufe. Letztere leiden seit Jahren unter personellen Engpässen. Arbeitszeiten, Bezahlung und Image der sozialen Berufe sind bedauerlicherweise nicht attraktiv genug, damit sich ausreichend junge oder auch ältere Arbeitnehmer nach rein rationalen Gesichtspunkten für diese Jobs entscheiden. 
In der Weinbranche sieht die Situation anders aus, zumindest könnte man diesen Eindruck gewinnen, wenn man sich die wachsende Zahl der Studierenden und Auszubildenden anschaut. Die »Grünen Berufe« sind attraktiv — derzeit. Die Weinbranche steht in den Augen vieler nicht nur für Landwirtschaft, sondern besonders auch für Lifestyle. Außerdem sind die Absolventen der weinbaulichen Studiengänge längst nicht nur bei Arbeitgebern aus der Weinbranche gefragt. Aus einer Hochschule hörte ich vor Kurzem, dass Studierende bereits vor Abschluss ihres Bachelorstudiums Arbeitsverträge aus der Industrie vorgelegt bekämen. Nicht wenige unterschreiben diese dann auch, denn die Konditionen in der Industrie oder im Handel sind oft besser, als in der landwirtschaftlichen Produktion. Das kann einem natürlich zu denken geben. Denn wenn sich das Gehaltsniveau im Weinbau weiterhin wesentlich von dem in Industrie und Handel unterscheidet, ist fraglich, wie lange die Ausbildung so attraktiv bleibt. Vielleicht stellt sich uns irgendwann die Frage, wer die hochqualifizierten Jobs in unserer professioneller werdenden Branche übernehmen soll. Vielleicht aber auch nicht. Wenn die qualifizierten Fachkräfte angemessen entlohnt werden. 

Holger Klein
Stellv. Chefredakteur
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