Ausgabe 13/2019

Kennen Sie KISS?
ddw13/2019

Was eine amerikanische Rockband, ein in Frankreich
lebender Adliger und deutsche Weine gemeinsam
haben könnten. 

Wenn Sie nach der Eingangsfrage schon triumphierend
beginnen mit ihrem Haupthaar
zu wedeln — so sie noch welches haben
— und die Zeile »I was made for loving
youuuu...« brachial aus Ihnen herauszubrechen
droht, dann muss ich Sie leider direkt enttäuschen.
Dies wird kein Text über die legendäre Glam-Rockband mit
Hang zur exzentrischen Gesichtsbemalung. Deshalb müssen
Sie das Heft aber nicht gleich zur Seite legen. Vielleicht hilft
es Ihnen ja, wenn ich verspreche, dass wir gegen Ende wieder
zur Band zurückkommen.
Zunächst möchte ich Ihnen aber erzählen, woran ich denken
muss, wenn ich »KISS« höre, ich meine natürlich den Begriff,
nur um das klarzustellen. KISS steht für »Keep it short
and simple«.
Sie wissen noch nicht worum es geht? Es geht um Werbung
oder genauer gesagt um Kommunikation. Die KISS-Formel
ist eine der ersten Regeln, mit denen
man konfrontiert wird, wenn man sich mit
Kommunikation beschäftigt. Sie besagt,
dass Botschaften, egal ob verbal, schriftlich
oder in Form von Bildern, möglichst
kurz, einfach und prägnant sein sollten.
Nur so können sie vom Adressaten leicht,
man könnte auch sagen barrierefrei, aufgenommen
werden. In anderen Worten: Wer
verstanden werden will, sollte auf alles Unnötige
verzichten.
Wie aber kam ich jetzt auf KISS und was hat das Ganze
mit einem Adligen und mit deutschen Weinen zu tun? Ganz
einfach: Das letzte Mal, dass ich an die KISS-Formel denken
musste, war bei der DWV-Mitgliederversammlung als ich
Stephan Graf Neipperg zuhörte. Er war eingeladen, um die
Klassifikationen in Burgund und im Bordelais zu erläutern.
Um ehrlich zu sein, mit »kurz und simpel« hat besonders die
bordelaiser Klassifikation wenig zu tun. Das sieht auch Graf
Neipperg so, und wer sollte es besser wissen als er, schließlich
nennt er dort gleich mehrere Chateaux sein Eigen. Die
Quintessenz seines Vortrags war da schon prägnanter. Sie
lässt sich in aller Kürze so zusammenfassen:
Jede Klassifikation dient zunächst dem Schutz des Verbrauchers.
Richtig ausgestaltet, garantiert sie diesem eine
verlässliche und nachvollziehbare Qualität. Als Vermarktungsargument
ist die Klassifikation allerdings ungeeignet,
weil zu kompliziert. Einfach verständliche Konzepte oder
Winzermarken sind aus Marketingsicht wesentlich erfolgreicher.
Was aber bedeutet das für unsere Qualitätspyramide
und die Profilierung unserer Herkünfte? Ich sehe hier sowohl
Parallelen zu Graf Neipperg als auch zur Rockband
KISS, beide sind selbst Marken. Sie haben ein klares Profil,
eine verständliche Botschaft und haben so eine gewisse Bekanntheit
erreicht. Mit dem neuen Herkunftssystem haben
auch wir die Chance, profilierte Weinqualitäten zu erzeugen
und die daraus resultierenden Weine verständlich und
nachvollziehbar zu kommunizieren. Wir dürfen nur nicht
damit anfangen, unseren Kunden das komplizierte Regelwerk,
das hinter alldem steht, erklären zu
wollen. Damit können wir nur scheitern.
Erfolg werden wir haben, wenn klar ist,
wofür wir stehen und was der Weintrinker
von deutschen Weinen erwarten kann.
Emotionen können in der Kommunikation
von Produkten übrigens
auch nicht schaden. Womit
wir wieder bei KISS
wären — die Band war
musikalisch bestimmt
tipptopp, aber glauben Sie wirklich man
spräche heute noch über sie ohne die
Masken, die Plateauschuhe und die grandiose
Bühnenshow? F