Ausgabe 12/2020

Zurück zur Tagesordnung: EU-Strategie zur Biodiversität

ddw12-2020

Die europäische Weinbranche ist aktuell weiter mit der
Gestaltung von Maßnahmen zur Abfederung der Folgen
der Corona-Krise beschäftigt. Insbesondere unsere
südeuropäischen Nachbarn aus Italien, Spanien
und Frankreich bereiten eine Krisendestillation als
marktstabilisierende Maßnahme vor. In Brüssel dagegen scheint
die Politik wieder zur Normalität zurückkehren zu wollen. Im Rahmen
ihres sogenannten »European Green Deals« hat die EU-Kommission
eine Biodiversitätsstrategie und eine »Vom Hof auf den
Tisch«-Strategie veröffentlicht. Mit diesen zwei sehr ambitionierten
Mitteilungen möchte sie insbesondere die Landwirtschaft auf
Nachhaltigkeitsziele ausrichten.
Die EU-Kommission hat die Messlatte sehr hoch gelegt. Ziel ist es,
u. a. den Einsatz von chemischen Pestiziden bis 2030 um 50 Prozent
zu reduzieren und alternative Methoden zu fördern. Auch
der Einsatz von Düngemitteln soll bis 2030 um
mindestens 20 Prozent reduziert werden. Außerdem
soll der ökologische Landbau bis 2030
auf mindestens 25 Prozent der landwirtschaftlichen
Fläche ausgeweitet werden. Das sind
Forderungen, die in unserer Branche eine große
Diskussion auslösen werden, zumal die nationale
Umsetzung und die Finanzierung noch
vollkommen unklar sind. Beispielsweise müsste
das ehrgeizige Ziel von EU-weit 25 Prozent Ökolandwirtschaft unbedingt
mit einer gleichlaufenden Entwicklung des Absatzes für
Öko-Lebensmittel einhergehen. Betrachtet man die aktuelle Dauer
von Zulassungsverfahren von neu entwickelten Pflanzenschutzmitteln,
muss man doch große Zweifel an der Umsetzbarkeit bzw.
zumindest am vorgegebenen Zeitplan haben.
Es ist keine Frage, dass sich auch unsere Branche den gesellschaftlichen
Erwartungen stellen muss. Klar ist aber, dass die
Aufgaben im Umwelt- und Klimaschutz auf verschiedenen Schultern
verteilt und nicht nur auf die Landwirtschaft abgeladen werden
dürfen. Unstreitig ist wohl, dass zum Erhalt der Biodiversität
Schritte erforderlich sind. Der erste Schritt dabei ist immer
die Ursachenforschung. Insofern unterstützen wir nachdrücklich
Projekte, durch welche ein Monitoring ermöglicht wird, das den
Rückgang von Insektenpopulationen überwacht und analysiert.
Verschiedene Aspekte wie die fortschreitende Urbanisierung, die
damit einhergehende Lichtverschmutzung und der Flächenverbrauch
müssen dabei auch unbedingt miteinbezogen werden.
Im Rahmen der Diskussion um die Gemeinsame Agrarpolitik
nach 2020 (GAP) können nicht alle möglichen Forderungen an
uns herangetragen werden, die wir aus einem begrenzten, unter
Umständen auch noch gekürzten Agrarhaushalt, erfüllen müssen.
Eine Ausweitung von Umwelt- und Klimaschutz in der Landwirtschaft
wird mit den aktuellen Finanzierungsplänen nicht gelingen.
Falsch wäre jedoch, zu hoffen, dass durch eine »Komplett-Opposition
« unserer Branche mit der Agrarpolitik einfach weiter gemacht
wird wie bisher. Wie die jüngste Vergangenheit gezeigt hat,
kann das zu harten Brüchen führen. Bei den von der EU vorgelegten
Strategien handelt es sich nach Aussage des EU-Umweltkommissars
Sinkevičius um Diskussionsgrundlagen und nicht um
Gesetze. Ähnlich wie im Zusammenhang mit dem Insektenschutzprogramm
unserer Regierung müssen wir daher
in einen konstruktiven Dialog mit der Politik
treten, um Landnutzung und Naturschutz
zusammenzubringen, die sich keinesfalls unversöhnlich
gegenüberstehen. Bei der nationalen
Umsetzung wird es jedoch darum gehen,
die »Balance zu halten« und für unsere Branche
praxistaugliche und realistische
Kompromisse zu finden, mit
denen letztlich unsere Branche gestärkt wird.
Ich hoffe, dass unsere Regierung es während
ihrer Ratspräsidentschaft schafft, die
Ziele dieser neuen Strategien mit den Zielen
der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik
zu verbinden. An neuen Strategien mangelt
es der EU nicht. Aber sie müssen auch
zusammenpassen, umsetzbar und finanzierbar
sein.