Ausgabe 11/2019

Der Klimawandel ist da – was nun Europa?

ddw11/2019

Greta süß finden und über Politiker schimpfen.
Das wird nicht reichen, um langfristig die Herausforderung
Klimawandel zu meistern. Der
Klimawandel ist ein kollektives »Projekt«, an
dem alle ihren Anteil haben – auch wenn dieser
bei Politikern, großen Unternehmen und der Agrarbranche
sicherlich größer ist als bei den sogenannten »kleinen Leuten
«. Zwar kann jeder auf relativ einfache Weise jeden Tag
dazu beitragen, dass eine vollständige Apokalypse ausbleibt.
Jedoch wird heute — abgesehen von einigen prominenten
Anhängern der Theorie der »Klimalüge« — kaum mehr jemand
bestreiten, dass sich die Temperaturen auf unserem
Planeten erhöhen und sich das Klima verändert. Der globale
Temperaturanstieg wird erhebliche Konsequenzen für den
Weinbau haben und wir müssen uns dieser großen Herausforderung
stellen. Berichte aus verschiedenen Weinbauländern
zeigen, dass bereits jetzt gravierende Auswirkungen auf
den Anbau der Reben, insbesondere infolge phänologischer
Veränderungen, Extremwitterungsereignissen
und neuer Schadorganismen festzustellen
und zu erwarten sind. Europa muss
hier durch seine Mitgliedstaaten, aber auch
gemeinsam reagieren.
Werfen wir einen Blick über den Rhein.
In Frankreich wird seit 2012 das nationale
Projekt LACCAVE »Langfristige Anpassung
des Weinbaus und der Oenologie an den
Klimawandel« durchgeführt. In der vergangenen
Woche bekam ich in Brüssel im Rahmen einer
Sitzung des europäischen Dachverbandes der Bauern- und
Genossenschaftsverbände (Copa-Cogeca) einen Einblick in
die bisherigen Arbeiten der französischen Forscher. Über
Jahre hinweg hat eine Projektgruppe vier verschiedene
Anpassungsmöglichkeiten, vier »Wege«, untersucht, um
daraus regionale Strategien zu entwickeln. Dabei werden
bei dem »konservativen« Weg nur marginale Anpassungen
vorgenommen. Der »innovative Weg« sieht für die Anbaugebiete
neben der Nutzung einer breiten Palette technischer
Innovationen und gewisser rechtlicher Anpassungen auch
die Erschließung von bislang ungenutzten — vermeintlich
klimatisch bisher ungeeigneten — Standorten in den Anbaugebieten
vor. Drastischer wären die Veränderungen durch
den dritten sogenannten »nomadischen Weg«, der eine komplette
Verlagerung von Weinbergen gemäß der klimatischen
Bedingungen vorsieht und auch durch den vierten komplett
»liberalen Weg«. Hoffnungsvoll stimmte mich die Aussage
der französischen Forscher, dass bereits jetzt ein enger Austausch
mit Wissenschaftlern anderer Weinbauländer bestehe.
Die in vielen Weinbauländern — so auch in Deutschland
— umfangreich angestoßene Forschung kann von diesem europäischen
und internationalen Austausch nur profitieren.
Er sollte daher in jedem Fall weiter vertieft werden.
Deutlich wurde in der Sitzung in Brüssel auch, dass der
europäische Berufsstand mit einer Stimme sprechen und
in einer klaren gemeinsamen Strategie formulieren muss,
welche Wege der europäische Weinbau bestreiten will und
kann. Eine Forderung sollte dabei auch die Überprüfung der
Förderpolitik und der Förderbedingungen zur Bewältigung
der Folgen des Klimawandels sein.
Auch andere Initiativen wie beispielsweise das Projekt
»Weinbau. Zukunft. Donauraum«, das im
Rahmen der europäischen Donauraumstrategie
die Auswirkungen des Klimawandels
im Donauraum untersucht, liefern hier
wertvolle Erkenntnisse. Letzten Herbst
hatten im Rahmen des internationalen
DWV-Kongresses in Stuttgart
hochrangige Delegationen
aus Bulgarien,
Österreich, Rumänien,
der Slowakei, Tschechien und
Ungarn einen intensiven Erfahrungsaustausch
über die Auswirkungen des
Klimawandels
auf den Weinbau und
den Weintourismus gepflegt. In diesem
Herbst soll dieser Austausch fortgesetzt
werden.